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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Die Erfolge der genossenschaftlichen Selbstverwaltung

neuen Genossenschaften übergegangen sind. Unbedenklich wird man dieses Er¬
gebnis des auf dem Gesetz vom 15. März 1883 beruhenden Genossenschafts¬
wesens auf dem Gebiete der sogenannten wirtschaftlichen Selbsthilfe als überaus
geringfügig bezeichnen dürfen. Damit stimmt auch ein in jüngster Zeit in
dem "Bericht des k. k. Handelsministeriums über die Verwendung des zur
Forderung des Kleingewerbes bewilligten Kredits während des Jahres 1895" ver¬
öffentlichtes amtliches Gutachten der Handels- und Gewerbekammer zu Reichen-
berg überein. worin es heißt: "Namentlich einer der Hauptzwecke der Bildung
der Genossenschaften, die Assoziativ" des Kleingewerbes zur gemeinsamen Be¬
schaffung von Rohstoffen, zur gemeinsamen Produktion und zur gemeinsamen
Veräußerung der produzirten Waren, durch die der Kleinbetrieb in seinen kauf¬
männischen Beziehungen auf ein höheres Niveau gebracht werden sollte, ist
bisher entweder gar nicht oder nur in minimalem Maße erreicht worden."

Für die noch wichtigere Aufgabe, die wenigstens bei den deutschen Plänen
einer genossenschaftlichen Ordnung des Handwerks sehr entschieden im Vorder¬
gründe steht, für die Lehrlingserziehung, konnte die Statistik des österreichischen
Handelsministeriums natürlich die Leistung der Genossenschaften in der Haupt¬
sache, d. h. in ihrem Einfluß auf die Erziehung in der Werkstatt und im
Hause, schwer erfassen. Die Aufnahme von Bestimmungen über die Lehrlings¬
erziehung auf das Papier der Statuten kann nach dem, was wir über den Wert
dieser papiernen Statistik bereits erfahren haben, nicht interessiren. Dagegen
sind bestimmte Angaben über die Beteiligung der Genossenschaften an dem
Fortbildungs- und Fachschulwesen gemacht, die berücksichtigt werden müssen.
Die Statistik zählt für alle 5317 Genossenschaften im ganzen 122 derartige
Schulen aus, die von den Genossenschaften aber nicht etwa gegründet, unter¬
halten und geleitet sind, sondern zu denen sie überhaupt uur eine gewisse, nicht
ganz verschwindende Beisteuer leisten. Die Gründung, Unterhaltung und Leitung
scheint fast ausnahmslos das Verdienst des Staates, der Länder, der Ge¬
meinden und der Handels- und Gewerbekammern zu sein, während sich die
Beteiligung der Genossenschaften in der Regel auf kleinere materielle Leistungen
und auf die Vertretung in den aufsichtführenden Ausschüssen u. dergl. zu be¬
schränken scheint. Jedenfalls ist auch auf diesem besondern Gebiete irgend
welcher Erfolg, der dem Genosfenschaftswesen auf Grund des Gesetzes vom
15. Mürz 1883 gut geschrieben werden müßte, vom Handelsministerium nicht
^'sichtlich gemacht, zumal da auch schon vor 1883 derartige Schulen zahlreich
^standen haben und auch anzunehmen ist, daß einzelne der größern alten
Innungen in den Großstädten auch damals schon Beisteuern zu diesen Zwecken
gleistet haben.

Gerade über das Lehrlingswesen im österreichischen Kleingewerbe erhalten
wir nun aber durch eine zweite amtliche Veröffentlichung aus neuester Zeit
"reinlich genaue Auskunft, durch die Berichte der k. k. Gewerbeinspektoren über


Die Erfolge der genossenschaftlichen Selbstverwaltung

neuen Genossenschaften übergegangen sind. Unbedenklich wird man dieses Er¬
gebnis des auf dem Gesetz vom 15. März 1883 beruhenden Genossenschafts¬
wesens auf dem Gebiete der sogenannten wirtschaftlichen Selbsthilfe als überaus
geringfügig bezeichnen dürfen. Damit stimmt auch ein in jüngster Zeit in
dem „Bericht des k. k. Handelsministeriums über die Verwendung des zur
Forderung des Kleingewerbes bewilligten Kredits während des Jahres 1895" ver¬
öffentlichtes amtliches Gutachten der Handels- und Gewerbekammer zu Reichen-
berg überein. worin es heißt: „Namentlich einer der Hauptzwecke der Bildung
der Genossenschaften, die Assoziativ« des Kleingewerbes zur gemeinsamen Be¬
schaffung von Rohstoffen, zur gemeinsamen Produktion und zur gemeinsamen
Veräußerung der produzirten Waren, durch die der Kleinbetrieb in seinen kauf¬
männischen Beziehungen auf ein höheres Niveau gebracht werden sollte, ist
bisher entweder gar nicht oder nur in minimalem Maße erreicht worden."

Für die noch wichtigere Aufgabe, die wenigstens bei den deutschen Plänen
einer genossenschaftlichen Ordnung des Handwerks sehr entschieden im Vorder¬
gründe steht, für die Lehrlingserziehung, konnte die Statistik des österreichischen
Handelsministeriums natürlich die Leistung der Genossenschaften in der Haupt¬
sache, d. h. in ihrem Einfluß auf die Erziehung in der Werkstatt und im
Hause, schwer erfassen. Die Aufnahme von Bestimmungen über die Lehrlings¬
erziehung auf das Papier der Statuten kann nach dem, was wir über den Wert
dieser papiernen Statistik bereits erfahren haben, nicht interessiren. Dagegen
sind bestimmte Angaben über die Beteiligung der Genossenschaften an dem
Fortbildungs- und Fachschulwesen gemacht, die berücksichtigt werden müssen.
Die Statistik zählt für alle 5317 Genossenschaften im ganzen 122 derartige
Schulen aus, die von den Genossenschaften aber nicht etwa gegründet, unter¬
halten und geleitet sind, sondern zu denen sie überhaupt uur eine gewisse, nicht
ganz verschwindende Beisteuer leisten. Die Gründung, Unterhaltung und Leitung
scheint fast ausnahmslos das Verdienst des Staates, der Länder, der Ge¬
meinden und der Handels- und Gewerbekammern zu sein, während sich die
Beteiligung der Genossenschaften in der Regel auf kleinere materielle Leistungen
und auf die Vertretung in den aufsichtführenden Ausschüssen u. dergl. zu be¬
schränken scheint. Jedenfalls ist auch auf diesem besondern Gebiete irgend
welcher Erfolg, der dem Genosfenschaftswesen auf Grund des Gesetzes vom
15. Mürz 1883 gut geschrieben werden müßte, vom Handelsministerium nicht
^'sichtlich gemacht, zumal da auch schon vor 1883 derartige Schulen zahlreich
^standen haben und auch anzunehmen ist, daß einzelne der größern alten
Innungen in den Großstädten auch damals schon Beisteuern zu diesen Zwecken
gleistet haben.

Gerade über das Lehrlingswesen im österreichischen Kleingewerbe erhalten
wir nun aber durch eine zweite amtliche Veröffentlichung aus neuester Zeit
»reinlich genaue Auskunft, durch die Berichte der k. k. Gewerbeinspektoren über


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[0367] Die Erfolge der genossenschaftlichen Selbstverwaltung neuen Genossenschaften übergegangen sind. Unbedenklich wird man dieses Er¬ gebnis des auf dem Gesetz vom 15. März 1883 beruhenden Genossenschafts¬ wesens auf dem Gebiete der sogenannten wirtschaftlichen Selbsthilfe als überaus geringfügig bezeichnen dürfen. Damit stimmt auch ein in jüngster Zeit in dem „Bericht des k. k. Handelsministeriums über die Verwendung des zur Forderung des Kleingewerbes bewilligten Kredits während des Jahres 1895" ver¬ öffentlichtes amtliches Gutachten der Handels- und Gewerbekammer zu Reichen- berg überein. worin es heißt: „Namentlich einer der Hauptzwecke der Bildung der Genossenschaften, die Assoziativ« des Kleingewerbes zur gemeinsamen Be¬ schaffung von Rohstoffen, zur gemeinsamen Produktion und zur gemeinsamen Veräußerung der produzirten Waren, durch die der Kleinbetrieb in seinen kauf¬ männischen Beziehungen auf ein höheres Niveau gebracht werden sollte, ist bisher entweder gar nicht oder nur in minimalem Maße erreicht worden." Für die noch wichtigere Aufgabe, die wenigstens bei den deutschen Plänen einer genossenschaftlichen Ordnung des Handwerks sehr entschieden im Vorder¬ gründe steht, für die Lehrlingserziehung, konnte die Statistik des österreichischen Handelsministeriums natürlich die Leistung der Genossenschaften in der Haupt¬ sache, d. h. in ihrem Einfluß auf die Erziehung in der Werkstatt und im Hause, schwer erfassen. Die Aufnahme von Bestimmungen über die Lehrlings¬ erziehung auf das Papier der Statuten kann nach dem, was wir über den Wert dieser papiernen Statistik bereits erfahren haben, nicht interessiren. Dagegen sind bestimmte Angaben über die Beteiligung der Genossenschaften an dem Fortbildungs- und Fachschulwesen gemacht, die berücksichtigt werden müssen. Die Statistik zählt für alle 5317 Genossenschaften im ganzen 122 derartige Schulen aus, die von den Genossenschaften aber nicht etwa gegründet, unter¬ halten und geleitet sind, sondern zu denen sie überhaupt uur eine gewisse, nicht ganz verschwindende Beisteuer leisten. Die Gründung, Unterhaltung und Leitung scheint fast ausnahmslos das Verdienst des Staates, der Länder, der Ge¬ meinden und der Handels- und Gewerbekammern zu sein, während sich die Beteiligung der Genossenschaften in der Regel auf kleinere materielle Leistungen und auf die Vertretung in den aufsichtführenden Ausschüssen u. dergl. zu be¬ schränken scheint. Jedenfalls ist auch auf diesem besondern Gebiete irgend welcher Erfolg, der dem Genosfenschaftswesen auf Grund des Gesetzes vom 15. Mürz 1883 gut geschrieben werden müßte, vom Handelsministerium nicht ^'sichtlich gemacht, zumal da auch schon vor 1883 derartige Schulen zahlreich ^standen haben und auch anzunehmen ist, daß einzelne der größern alten Innungen in den Großstädten auch damals schon Beisteuern zu diesen Zwecken gleistet haben. Gerade über das Lehrlingswesen im österreichischen Kleingewerbe erhalten wir nun aber durch eine zweite amtliche Veröffentlichung aus neuester Zeit »reinlich genaue Auskunft, durch die Berichte der k. k. Gewerbeinspektoren über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/367>, abgerufen am 17.06.2024.