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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Die Erfolge der genossenschaftlichen Selbstverwaltung

der Arbeitskräfte aus den Reihen des Nachwuchses bietet in manchen Gewerben
schon jetzt Schwierigkeiten." Der Bericht sür Brunn klagt, es liege zwar in
der Gewalt der Genossenschaftsvorsteher, das maßlose Annehmen von Lehrlingen
zu beschränken, da doch das Aufdingen durch sie erfolge, und sie wissen müßten,
wieviel Lehrlinge dieser oder jener Meister habe. Allein mehrfache vergebliche
Versuche bei den Genossenschaftsvorstehern bewiesen, daß von dieser Seite fast
gar nichts geschehe, um das Übel zu heben. Auch werde das Freisprechen
häufig verweigert, weil der Lehrling während der Lehrzeit krank gewesen sei,
sehr häufig, weil, wie der Meister sage, der Lehrling nichts ordentliches gelernt
habe. Ein eignes Verschulden an der ungenügenden Ausbildung des Lehr¬
lings wolle der Lehrherr niemals zugestehen, obwohl die Art der Verwendung
der Lehrlinge das nur zu oft erweise. Auch im Troppauer Bezirk wird
gerügt, daß man die Freisprechung der Lehrlinge nach Ablauf der Lehrzeit
aus nichtigen Gründen verzögere. Im Lemberger Bezirk herrschen ganz trost¬
lose Verhältnisse, aber die Genossenschaften geben sich keine Mühe, sie zu bessern.
Die Berichte über Vudweis, Olmütz und Kvniggrütz betonen hauptsächlich den
nachteiligen Einfluß, den die Arbeitsteilung auch im Kleingewerbe auf die
Lchrlingserziehung auszuüben beginne, eine Kritik der Genossenschaften geben
sie nicht. Die Berichte sür Innsbruck und Reichenberg erwähnen die Lehrlings¬
erziehung überhaupt nicht, und der Bericht für Trieft ist thatsächlich der einzige,
der nach Genossenschaften für die Besserung des Lehrlingswesens verlangt,
weil in diesem Bezirk keine bestehen, und die Gemeinden sich gar nicht um die
Lehrlinge kümmern.

Das ist die amtliche Auskunft, die über die Bewährung der öster¬
reichischen Handwerksgenossenschaften im Lehrlingswesen nach dreizehnjähriger
Praxis vorliegt! Unbeachtet kann ein so vollständig verneinendes Ergebnis
wohl um so weniger bleiben, als man den österreichischen Gewerbcaufsichts-
behörden zutrauen muß, daß sie alles, was für die Genossenschaften spricht,
nur gar zu gern berichten würden. Der Versuch, durch die genossenschaftliche
Selbstverwaltung die Lehrlingserziehung zu heben, ist in Österreich jedenfalls
in einer Weise fehlgeschlagen, wie es anch die entschiedensten Gegner des Gesetzes
vom 15. März 1883 kaum vorausgesagt haben.

Als dritte amtliche Auskunftsquelle kommt nun noch der schon erwähnte
"Bericht des k. k. Handelsministeriums über die Verwendung des zur För¬
derung des Kleingewerbes bewilligten Kredits während des Jahres 1895"
in Betracht. Der Gegenstand des Berichts verdient an sich Interesse als
ein besonders anerkennenswerter Versuch, durch unmittelbar staatliche Ma߬
nahmen zur technischen Vervollkommnung im Kleingewerbe das zu erreichen,
was durch die genossenschaftliche Selbstverwaltung nicht erreicht worden ist.
Diese "Aktion zur Förderung des Kleingewerbes durch Einführung verbesserter
Arbeitsbehelfe und Arbeitsmethoden," wie die österreichische Amtssprache sagt,


Die Erfolge der genossenschaftlichen Selbstverwaltung

der Arbeitskräfte aus den Reihen des Nachwuchses bietet in manchen Gewerben
schon jetzt Schwierigkeiten." Der Bericht sür Brunn klagt, es liege zwar in
der Gewalt der Genossenschaftsvorsteher, das maßlose Annehmen von Lehrlingen
zu beschränken, da doch das Aufdingen durch sie erfolge, und sie wissen müßten,
wieviel Lehrlinge dieser oder jener Meister habe. Allein mehrfache vergebliche
Versuche bei den Genossenschaftsvorstehern bewiesen, daß von dieser Seite fast
gar nichts geschehe, um das Übel zu heben. Auch werde das Freisprechen
häufig verweigert, weil der Lehrling während der Lehrzeit krank gewesen sei,
sehr häufig, weil, wie der Meister sage, der Lehrling nichts ordentliches gelernt
habe. Ein eignes Verschulden an der ungenügenden Ausbildung des Lehr¬
lings wolle der Lehrherr niemals zugestehen, obwohl die Art der Verwendung
der Lehrlinge das nur zu oft erweise. Auch im Troppauer Bezirk wird
gerügt, daß man die Freisprechung der Lehrlinge nach Ablauf der Lehrzeit
aus nichtigen Gründen verzögere. Im Lemberger Bezirk herrschen ganz trost¬
lose Verhältnisse, aber die Genossenschaften geben sich keine Mühe, sie zu bessern.
Die Berichte über Vudweis, Olmütz und Kvniggrütz betonen hauptsächlich den
nachteiligen Einfluß, den die Arbeitsteilung auch im Kleingewerbe auf die
Lchrlingserziehung auszuüben beginne, eine Kritik der Genossenschaften geben
sie nicht. Die Berichte sür Innsbruck und Reichenberg erwähnen die Lehrlings¬
erziehung überhaupt nicht, und der Bericht für Trieft ist thatsächlich der einzige,
der nach Genossenschaften für die Besserung des Lehrlingswesens verlangt,
weil in diesem Bezirk keine bestehen, und die Gemeinden sich gar nicht um die
Lehrlinge kümmern.

Das ist die amtliche Auskunft, die über die Bewährung der öster¬
reichischen Handwerksgenossenschaften im Lehrlingswesen nach dreizehnjähriger
Praxis vorliegt! Unbeachtet kann ein so vollständig verneinendes Ergebnis
wohl um so weniger bleiben, als man den österreichischen Gewerbcaufsichts-
behörden zutrauen muß, daß sie alles, was für die Genossenschaften spricht,
nur gar zu gern berichten würden. Der Versuch, durch die genossenschaftliche
Selbstverwaltung die Lehrlingserziehung zu heben, ist in Österreich jedenfalls
in einer Weise fehlgeschlagen, wie es anch die entschiedensten Gegner des Gesetzes
vom 15. März 1883 kaum vorausgesagt haben.

Als dritte amtliche Auskunftsquelle kommt nun noch der schon erwähnte
„Bericht des k. k. Handelsministeriums über die Verwendung des zur För¬
derung des Kleingewerbes bewilligten Kredits während des Jahres 1895"
in Betracht. Der Gegenstand des Berichts verdient an sich Interesse als
ein besonders anerkennenswerter Versuch, durch unmittelbar staatliche Ma߬
nahmen zur technischen Vervollkommnung im Kleingewerbe das zu erreichen,
was durch die genossenschaftliche Selbstverwaltung nicht erreicht worden ist.
Diese „Aktion zur Förderung des Kleingewerbes durch Einführung verbesserter
Arbeitsbehelfe und Arbeitsmethoden," wie die österreichische Amtssprache sagt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/370>, abgerufen am 17.06.2024.