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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Die Lrfolge der genossenschaftlichen Selbstverwaltung

ist seit dem Jahre 1892 im Gange und beansprucht für das Jahr 1896
bereits einen Kostenaufwand von mehr als 130000 Gulden. Sie begann mit
der Einrichtung des sogenannten "Kleingewerbesaales" im Technologischen Ge¬
werbemuseum in Wien, d. h. einer dauernden Ausstellung von Motoren, Werk¬
zeugmaschinen und Werkzeugen für den besondern Gebrauch im Kleingewerbe,
verbunden mit Vorträgen über Bedeutung und Verwendung der ausgestellten
Gegenstände. Daran schlössen sich kurze kleingewerbliche Ausstellungen in
einzelnen Orten der verschiednen Kronländer und namentlich Anschaffung von
"Arbeitsbehelfen" aus Staatsmitteln, um sie teils gegen Ratenzahlung käuflich,
teils leihweise den Handwerksgenossenschaften, an andern wirtschaftliche Ver¬
einigungen Kleingewerbtreibender und auch einzelnen Handwerken zu überlassen.
Im Jahre 1895 endlich ist man noch zur Veranstaltung sogenannter "Meister¬
kurse" im Kleingewerbesaale in Wien übergegangen, und zwar zunächst für
Schuhmacher. Im Jahre 1896 werden anch Meisterkurse für Bautischler ver¬
anstaltet. Von der Überlassung von "Arbeitsbehelfen" haben von Anfang an
einschließlich der für 1896 bewilligten, wenn auch noch nicht verabfolgten,
Zuweisuugeu im ganzen achtundvierzig Genossenschaften Gebrauch gemacht,
zum größten Teile Schuhmachergenossenschasten, überhaupt aber eine ganz
auffallend geringe Zahl, wenn man die Zahl der in Betracht kommenden Ge¬
nossenschaften und die große Mühe berücksichtigt, die sich die Behörden geben,
um zu Versuchen mit den neuen "Arbeitsbehelsen" anzuregen. Leider fehlt es
an genauern Mitteilungen darüber, mit welchem Erfolge für die Mitgliedschaft
die von den Genossenschaften übernommnen "Arbeitsbehelfe" benutzt worden
sind. Die gemeinschaftliche Benutzung solcher Einrichtungen begegnet nach den
auch in Deutschland mit den Rohstoff- und Produktivgenossenschaften gemachten
Erfahrungen im heutigen Handwerk ganz besondern Schwierigkeiten. Daß es
auch in Österreich daran nicht fehlt, deutet der schon erwähnte Bericht der
Handels- und Gewerbekammer zu Reichenberg an, worin ausdrücklich gesagt
wird, daß die Gesuche um Arbeitsbehelfe meist von Privatpersonen ausgingen,
während sich die Genossenschaften zurückhielten. Die Kammer hofft, daß es
vielleicht erst der gegenwärtig allseitig in Angriff genommnen "Aktion" vor¬
behalten sein werde, durch thatkräftige Unterstützung einzelner dem Gedanken der
Assoziation besonders zugänglicher Genossenschaften darin Wandel zu schaffen.

Ein eigentümliches Bild gewähren die Erfahrungen, die man bei dem
'.Mcisterknrsus" sür Schuhmacher im Jnhre 1896 gemacht hat. Auf die erste
Aufforderung hatten sich 100 Meister und 158 Gesellen gemeldet. Da im
ganzen nur etwa 48 berücksichtigt werden konnten, so war die Behörde ge¬
zwungen, wie sie selbst sagt, bei der Auswahl besonders streng zu Verfahren.
Es wurde den mit der Vorprüfung der Anmeldungen beauftragten Handels¬
und Gewerbekammern, Gemeindebehörden und Genossenschaften aufgegeben, die
Zulassung von der Befähigung der Bewerber abhängig zu machen, später


Die Lrfolge der genossenschaftlichen Selbstverwaltung

ist seit dem Jahre 1892 im Gange und beansprucht für das Jahr 1896
bereits einen Kostenaufwand von mehr als 130000 Gulden. Sie begann mit
der Einrichtung des sogenannten „Kleingewerbesaales" im Technologischen Ge¬
werbemuseum in Wien, d. h. einer dauernden Ausstellung von Motoren, Werk¬
zeugmaschinen und Werkzeugen für den besondern Gebrauch im Kleingewerbe,
verbunden mit Vorträgen über Bedeutung und Verwendung der ausgestellten
Gegenstände. Daran schlössen sich kurze kleingewerbliche Ausstellungen in
einzelnen Orten der verschiednen Kronländer und namentlich Anschaffung von
„Arbeitsbehelfen" aus Staatsmitteln, um sie teils gegen Ratenzahlung käuflich,
teils leihweise den Handwerksgenossenschaften, an andern wirtschaftliche Ver¬
einigungen Kleingewerbtreibender und auch einzelnen Handwerken zu überlassen.
Im Jahre 1895 endlich ist man noch zur Veranstaltung sogenannter „Meister¬
kurse" im Kleingewerbesaale in Wien übergegangen, und zwar zunächst für
Schuhmacher. Im Jahre 1896 werden anch Meisterkurse für Bautischler ver¬
anstaltet. Von der Überlassung von „Arbeitsbehelfen" haben von Anfang an
einschließlich der für 1896 bewilligten, wenn auch noch nicht verabfolgten,
Zuweisuugeu im ganzen achtundvierzig Genossenschaften Gebrauch gemacht,
zum größten Teile Schuhmachergenossenschasten, überhaupt aber eine ganz
auffallend geringe Zahl, wenn man die Zahl der in Betracht kommenden Ge¬
nossenschaften und die große Mühe berücksichtigt, die sich die Behörden geben,
um zu Versuchen mit den neuen „Arbeitsbehelsen" anzuregen. Leider fehlt es
an genauern Mitteilungen darüber, mit welchem Erfolge für die Mitgliedschaft
die von den Genossenschaften übernommnen „Arbeitsbehelfe" benutzt worden
sind. Die gemeinschaftliche Benutzung solcher Einrichtungen begegnet nach den
auch in Deutschland mit den Rohstoff- und Produktivgenossenschaften gemachten
Erfahrungen im heutigen Handwerk ganz besondern Schwierigkeiten. Daß es
auch in Österreich daran nicht fehlt, deutet der schon erwähnte Bericht der
Handels- und Gewerbekammer zu Reichenberg an, worin ausdrücklich gesagt
wird, daß die Gesuche um Arbeitsbehelfe meist von Privatpersonen ausgingen,
während sich die Genossenschaften zurückhielten. Die Kammer hofft, daß es
vielleicht erst der gegenwärtig allseitig in Angriff genommnen „Aktion" vor¬
behalten sein werde, durch thatkräftige Unterstützung einzelner dem Gedanken der
Assoziation besonders zugänglicher Genossenschaften darin Wandel zu schaffen.

Ein eigentümliches Bild gewähren die Erfahrungen, die man bei dem
'.Mcisterknrsus" sür Schuhmacher im Jnhre 1896 gemacht hat. Auf die erste
Aufforderung hatten sich 100 Meister und 158 Gesellen gemeldet. Da im
ganzen nur etwa 48 berücksichtigt werden konnten, so war die Behörde ge¬
zwungen, wie sie selbst sagt, bei der Auswahl besonders streng zu Verfahren.
Es wurde den mit der Vorprüfung der Anmeldungen beauftragten Handels¬
und Gewerbekammern, Gemeindebehörden und Genossenschaften aufgegeben, die
Zulassung von der Befähigung der Bewerber abhängig zu machen, später


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[0371] Die Lrfolge der genossenschaftlichen Selbstverwaltung ist seit dem Jahre 1892 im Gange und beansprucht für das Jahr 1896 bereits einen Kostenaufwand von mehr als 130000 Gulden. Sie begann mit der Einrichtung des sogenannten „Kleingewerbesaales" im Technologischen Ge¬ werbemuseum in Wien, d. h. einer dauernden Ausstellung von Motoren, Werk¬ zeugmaschinen und Werkzeugen für den besondern Gebrauch im Kleingewerbe, verbunden mit Vorträgen über Bedeutung und Verwendung der ausgestellten Gegenstände. Daran schlössen sich kurze kleingewerbliche Ausstellungen in einzelnen Orten der verschiednen Kronländer und namentlich Anschaffung von „Arbeitsbehelfen" aus Staatsmitteln, um sie teils gegen Ratenzahlung käuflich, teils leihweise den Handwerksgenossenschaften, an andern wirtschaftliche Ver¬ einigungen Kleingewerbtreibender und auch einzelnen Handwerken zu überlassen. Im Jahre 1895 endlich ist man noch zur Veranstaltung sogenannter „Meister¬ kurse" im Kleingewerbesaale in Wien übergegangen, und zwar zunächst für Schuhmacher. Im Jahre 1896 werden anch Meisterkurse für Bautischler ver¬ anstaltet. Von der Überlassung von „Arbeitsbehelfen" haben von Anfang an einschließlich der für 1896 bewilligten, wenn auch noch nicht verabfolgten, Zuweisuugeu im ganzen achtundvierzig Genossenschaften Gebrauch gemacht, zum größten Teile Schuhmachergenossenschasten, überhaupt aber eine ganz auffallend geringe Zahl, wenn man die Zahl der in Betracht kommenden Ge¬ nossenschaften und die große Mühe berücksichtigt, die sich die Behörden geben, um zu Versuchen mit den neuen „Arbeitsbehelsen" anzuregen. Leider fehlt es an genauern Mitteilungen darüber, mit welchem Erfolge für die Mitgliedschaft die von den Genossenschaften übernommnen „Arbeitsbehelfe" benutzt worden sind. Die gemeinschaftliche Benutzung solcher Einrichtungen begegnet nach den auch in Deutschland mit den Rohstoff- und Produktivgenossenschaften gemachten Erfahrungen im heutigen Handwerk ganz besondern Schwierigkeiten. Daß es auch in Österreich daran nicht fehlt, deutet der schon erwähnte Bericht der Handels- und Gewerbekammer zu Reichenberg an, worin ausdrücklich gesagt wird, daß die Gesuche um Arbeitsbehelfe meist von Privatpersonen ausgingen, während sich die Genossenschaften zurückhielten. Die Kammer hofft, daß es vielleicht erst der gegenwärtig allseitig in Angriff genommnen „Aktion" vor¬ behalten sein werde, durch thatkräftige Unterstützung einzelner dem Gedanken der Assoziation besonders zugänglicher Genossenschaften darin Wandel zu schaffen. Ein eigentümliches Bild gewähren die Erfahrungen, die man bei dem '.Mcisterknrsus" sür Schuhmacher im Jnhre 1896 gemacht hat. Auf die erste Aufforderung hatten sich 100 Meister und 158 Gesellen gemeldet. Da im ganzen nur etwa 48 berücksichtigt werden konnten, so war die Behörde ge¬ zwungen, wie sie selbst sagt, bei der Auswahl besonders streng zu Verfahren. Es wurde den mit der Vorprüfung der Anmeldungen beauftragten Handels¬ und Gewerbekammern, Gemeindebehörden und Genossenschaften aufgegeben, die Zulassung von der Befähigung der Bewerber abhängig zu machen, später

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/371>, abgerufen am 17.06.2024.