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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Englands Flottenriistmigen

schiffsbaus nicht zu zweifeln. Die beiden Panzerschiffe erster Klasse N^jestiv
und Nagniliosrit z. B. konnten schon 22 und 24 Monate nach ihrer Kiellegung
in Dienst gestellt werden.*)

Mit der Vermehrung des Flotteumaterials ist eine Erhöhung des Per¬
sonalstandes in jährlichen Neuforderungen vor sich gegangen, sodaß das
Flvttenpersonal von 65400 Köpfen im Jahre 1889 auf 93700 Köpfe im
Jahre 18W angewachsen ist. Diese Vermehrung der Schiffsbesatzungen wird
ohne Frage von Jahr zu Jahr mit dem Fortschreiten der im Bau befind¬
lichen Schiffe noch fortgesetzt werden. Die Bemannungsfrage der englischen
Flotte im Mobilmachungsfalle bildete einen der steten Angriffspunkte in der
deutschen Tageslitteratur bei ihren jüngsten Kritiken über die englische See¬
macht. Meist wurde dabei einfach erklärt, die englischen Schiffe könnten im
Falle eines Krieges gar nicht besetzt werden. Thatsächlich hat auch die Per-
sonalsragc angesichts des riesenhaften Anwachsens der Schiffszahl in der eng¬
lischen Marine Sorgen gemacht, und sie thut es zum Teil noch jetzt. Aber
die in britischen Reden und Blättern hie und da noch auftauchenden Gedanken
sind angesichts der seit über zwölf Jahren betriebnen Personalvermehrung
von durchschnittlich 3500 bis 4000 Köpfen nicht mehr so ernst und über¬
haupt mit Vorsicht aufzunehmen. Die Klagen gehen von dem Gedanken aus,**)
daß man auch für den Ernstfall nur aktive Marinemannschaften an Bord
haben, also womöglich gar keine Reservisten einziehen möchte. Man hat dabei
den doppelten Wunsch, erstens die Flotte stets in schlagfertigen, mobilen:
Zustande zu halten, und zweitens die Handelsmarine im Kriegsfalle un-
berührt von Störungen durch Entziehung von Mannschaften zu lassen. Die
riesige Fischerei- und Kauffahrteiflotte bietet für den Notfall eine geradezu un¬
erschöpfliche Fülle ausgezeichneten, leicht anzulernenden Personals, das in Ver¬
bindung mit dem aktiven Bestand der Flottenbesatznngen den Fall ausschließt,
daß England seine Schiffe nicht alle bemannen konnte. Wenn darauf hin¬
gewiesen wird, daß die Besatzungen mancher englischen Schiffe während der
großen Manöver nicht vollzählig gewesen seien, ^) so muß auch berücksichtigt
werden, daß nicht nur ziemlich alle im Ernstfall für die erste Schlachtlinie be¬
stimmten Schiffe dazu in Dienst gestellt waren, sondern auch schon viele für
die zweite Schlachtlinie vorgesehnen Fahrzeuge, und daß die Besatzungen der





Die vier deutschen Schlachtschiffe erster Klasse von je 10000 Tonnen erforderten
4 bis S Jahre Zeit, und in der französischen und russischen Marine dauern die Bauzeiten ge¬
wöhnlich noch viel länger.
-) So z. B. auch die des Kapitäns zur See Lord Charles Beresford, der neuerdings
für eine starke Vermehrung des aktiven Flottenpersonals Stimmung macht.
***) Wie z. B. im Jahre als in der Flottenschau bei Spithend über 10" englische
Kriegsschiffe und Fahrzeuge, darunter mehr als 110 gepanzerte, vor dem deutschen Kaiser
paradirten, und bei spätern Manövern.
Englands Flottenriistmigen

schiffsbaus nicht zu zweifeln. Die beiden Panzerschiffe erster Klasse N^jestiv
und Nagniliosrit z. B. konnten schon 22 und 24 Monate nach ihrer Kiellegung
in Dienst gestellt werden.*)

Mit der Vermehrung des Flotteumaterials ist eine Erhöhung des Per¬
sonalstandes in jährlichen Neuforderungen vor sich gegangen, sodaß das
Flvttenpersonal von 65400 Köpfen im Jahre 1889 auf 93700 Köpfe im
Jahre 18W angewachsen ist. Diese Vermehrung der Schiffsbesatzungen wird
ohne Frage von Jahr zu Jahr mit dem Fortschreiten der im Bau befind¬
lichen Schiffe noch fortgesetzt werden. Die Bemannungsfrage der englischen
Flotte im Mobilmachungsfalle bildete einen der steten Angriffspunkte in der
deutschen Tageslitteratur bei ihren jüngsten Kritiken über die englische See¬
macht. Meist wurde dabei einfach erklärt, die englischen Schiffe könnten im
Falle eines Krieges gar nicht besetzt werden. Thatsächlich hat auch die Per-
sonalsragc angesichts des riesenhaften Anwachsens der Schiffszahl in der eng¬
lischen Marine Sorgen gemacht, und sie thut es zum Teil noch jetzt. Aber
die in britischen Reden und Blättern hie und da noch auftauchenden Gedanken
sind angesichts der seit über zwölf Jahren betriebnen Personalvermehrung
von durchschnittlich 3500 bis 4000 Köpfen nicht mehr so ernst und über¬
haupt mit Vorsicht aufzunehmen. Die Klagen gehen von dem Gedanken aus,**)
daß man auch für den Ernstfall nur aktive Marinemannschaften an Bord
haben, also womöglich gar keine Reservisten einziehen möchte. Man hat dabei
den doppelten Wunsch, erstens die Flotte stets in schlagfertigen, mobilen:
Zustande zu halten, und zweitens die Handelsmarine im Kriegsfalle un-
berührt von Störungen durch Entziehung von Mannschaften zu lassen. Die
riesige Fischerei- und Kauffahrteiflotte bietet für den Notfall eine geradezu un¬
erschöpfliche Fülle ausgezeichneten, leicht anzulernenden Personals, das in Ver¬
bindung mit dem aktiven Bestand der Flottenbesatznngen den Fall ausschließt,
daß England seine Schiffe nicht alle bemannen konnte. Wenn darauf hin¬
gewiesen wird, daß die Besatzungen mancher englischen Schiffe während der
großen Manöver nicht vollzählig gewesen seien, ^) so muß auch berücksichtigt
werden, daß nicht nur ziemlich alle im Ernstfall für die erste Schlachtlinie be¬
stimmten Schiffe dazu in Dienst gestellt waren, sondern auch schon viele für
die zweite Schlachtlinie vorgesehnen Fahrzeuge, und daß die Besatzungen der





Die vier deutschen Schlachtschiffe erster Klasse von je 10000 Tonnen erforderten
4 bis S Jahre Zeit, und in der französischen und russischen Marine dauern die Bauzeiten ge¬
wöhnlich noch viel länger.
-) So z. B. auch die des Kapitäns zur See Lord Charles Beresford, der neuerdings
für eine starke Vermehrung des aktiven Flottenpersonals Stimmung macht.
***) Wie z. B. im Jahre als in der Flottenschau bei Spithend über 10» englische
Kriegsschiffe und Fahrzeuge, darunter mehr als 110 gepanzerte, vor dem deutschen Kaiser
paradirten, und bei spätern Manövern.
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[0396] Englands Flottenriistmigen schiffsbaus nicht zu zweifeln. Die beiden Panzerschiffe erster Klasse N^jestiv und Nagniliosrit z. B. konnten schon 22 und 24 Monate nach ihrer Kiellegung in Dienst gestellt werden.*) Mit der Vermehrung des Flotteumaterials ist eine Erhöhung des Per¬ sonalstandes in jährlichen Neuforderungen vor sich gegangen, sodaß das Flvttenpersonal von 65400 Köpfen im Jahre 1889 auf 93700 Köpfe im Jahre 18W angewachsen ist. Diese Vermehrung der Schiffsbesatzungen wird ohne Frage von Jahr zu Jahr mit dem Fortschreiten der im Bau befind¬ lichen Schiffe noch fortgesetzt werden. Die Bemannungsfrage der englischen Flotte im Mobilmachungsfalle bildete einen der steten Angriffspunkte in der deutschen Tageslitteratur bei ihren jüngsten Kritiken über die englische See¬ macht. Meist wurde dabei einfach erklärt, die englischen Schiffe könnten im Falle eines Krieges gar nicht besetzt werden. Thatsächlich hat auch die Per- sonalsragc angesichts des riesenhaften Anwachsens der Schiffszahl in der eng¬ lischen Marine Sorgen gemacht, und sie thut es zum Teil noch jetzt. Aber die in britischen Reden und Blättern hie und da noch auftauchenden Gedanken sind angesichts der seit über zwölf Jahren betriebnen Personalvermehrung von durchschnittlich 3500 bis 4000 Köpfen nicht mehr so ernst und über¬ haupt mit Vorsicht aufzunehmen. Die Klagen gehen von dem Gedanken aus,**) daß man auch für den Ernstfall nur aktive Marinemannschaften an Bord haben, also womöglich gar keine Reservisten einziehen möchte. Man hat dabei den doppelten Wunsch, erstens die Flotte stets in schlagfertigen, mobilen: Zustande zu halten, und zweitens die Handelsmarine im Kriegsfalle un- berührt von Störungen durch Entziehung von Mannschaften zu lassen. Die riesige Fischerei- und Kauffahrteiflotte bietet für den Notfall eine geradezu un¬ erschöpfliche Fülle ausgezeichneten, leicht anzulernenden Personals, das in Ver¬ bindung mit dem aktiven Bestand der Flottenbesatznngen den Fall ausschließt, daß England seine Schiffe nicht alle bemannen konnte. Wenn darauf hin¬ gewiesen wird, daß die Besatzungen mancher englischen Schiffe während der großen Manöver nicht vollzählig gewesen seien, ^) so muß auch berücksichtigt werden, daß nicht nur ziemlich alle im Ernstfall für die erste Schlachtlinie be¬ stimmten Schiffe dazu in Dienst gestellt waren, sondern auch schon viele für die zweite Schlachtlinie vorgesehnen Fahrzeuge, und daß die Besatzungen der Die vier deutschen Schlachtschiffe erster Klasse von je 10000 Tonnen erforderten 4 bis S Jahre Zeit, und in der französischen und russischen Marine dauern die Bauzeiten ge¬ wöhnlich noch viel länger. -) So z. B. auch die des Kapitäns zur See Lord Charles Beresford, der neuerdings für eine starke Vermehrung des aktiven Flottenpersonals Stimmung macht. ***) Wie z. B. im Jahre als in der Flottenschau bei Spithend über 10» englische Kriegsschiffe und Fahrzeuge, darunter mehr als 110 gepanzerte, vor dem deutschen Kaiser paradirten, und bei spätern Manövern.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/396>, abgerufen am 17.06.2024.