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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Die Vorbildung unsrer Kolonialbeamten

Schwanken in der Behandlung seiner Untergebnen bewahrt, das so oft ver¬
hängnisvoll geworden ist und manchen Erfolg der ältern Kolonialvölker wieder
vernichtet hat. Eine einheitliche Vorschule der Kolonialbeamten ermöglicht es,
ihnen von Anfang an gewisse Grundsätze anzuerziehen, die jedem einzelnen
zuletzt in Fleisch und Blut übergehen und die Stetigkeit der Verwaltung sichern,
während sonst der verschiedne Charakter der Beamten und die wechselnden Er¬
fahrungen, die sie zu machen haben, diese Stetigkeit mit Notwendigkeit hemmen
und zerstören. Das Schwanken in Urteil und Behandlung findet dabei in der
Regel nach zwei entgegengesetzten Richtungen statt: einerseits finden sich An¬
hänger der brutalen, verständnislosen Gewalt, andrerseits Vertreter einer weich¬
lichen Sentimentalität.

Von brutalen Beamten kennt die deutsche Kolonialgeschichte leider nun
auch einige traurige Beispiele. Man kann allerlei zu ihrer Entschuldigung an¬
führen und hat auf den "Tropenkoller," die Gefahren und Leiden des
tropischen Dienstes und vieles andre hingewiesen. Was man aber an erster
Stelle hätte anführen sollen, den gänzlichen Mangel an wirklicher Vorbildung,
das ist in der Regel vergessen worden, und doch liegt die Grundursache der
schlimmen Vorkommnisse auf diesem Gebiete. Und nicht nur darin würde sich
der Nutzen einer Vorschule zeigen, daß es durch sie den Beamten erleichtert
wurde, sich in ihre neue Thätigkeit hineinzufinden, sondern es ließen sich wäh¬
rend der Vorbildung auch recht wohl die Leute erkennen und aussondern, die
ihr Charakter für den schwierigen Posten eines höhern Kolonialbeamten un¬
tauglich macht. Auf diese Art wäre ein Mittel gegeben, die ärgsten und be¬
schämendsten Vorkommnisse zu verhüten. Wer aber mit Erfolg diese Vorschule
durchlaufen hätte, den würde schon die ihm cmerzogne Gewohnheit, auf das
Wesen und Treiben seiner dunkelfarbigen Brüder verständnisvoll zu achten,
vor sinnlosen Grausamkeiten bewahren.

Aber auch die andre, oft noch verhängnisvollere Richtung, die sentimen¬
tale Auffassung, würde durch das Studium der Völkerkunde größtenteils un¬
möglich gemacht werden. Die Sucht, im Neger deu vollkommen gleichstehenden
Menschen zu sehen und ihn demgemäß wie einen europäischen Ehrenmann zu
behandeln, hat in manchen englischen und französischen Kolonien zu grotesken,
noch öfter aber zu wahrhaft traurigen Ergebnissen geführt; der Europäer ist
durch sie gedemütigt und zurückgesetzt, der Eingeborne gründlich verdorben
worden. Über die cmglisirten "Hosennigger" von Sierra Leone und andern
westafrikanischen Besitzungen Englands herrscht nur eine Stimme, daß es näm¬
lich die nichtsnutzigsten und aufgeblasensten Geschöpfe auf Gottes Erdboden
sind; und was hier die englische Bigotterie erzielt, das gelingt anderwärts
französischen Bureaukraten, die zum Teil ihre Gerechtigkeit so weit treiben,
einen Weißen auf mehrere Wochen einzusperren, weil er einen schwarzen Spitz¬
buben auf frischer That ertappt und mit einigen Ohrfeigen abgestraft hat.


Die Vorbildung unsrer Kolonialbeamten

Schwanken in der Behandlung seiner Untergebnen bewahrt, das so oft ver¬
hängnisvoll geworden ist und manchen Erfolg der ältern Kolonialvölker wieder
vernichtet hat. Eine einheitliche Vorschule der Kolonialbeamten ermöglicht es,
ihnen von Anfang an gewisse Grundsätze anzuerziehen, die jedem einzelnen
zuletzt in Fleisch und Blut übergehen und die Stetigkeit der Verwaltung sichern,
während sonst der verschiedne Charakter der Beamten und die wechselnden Er¬
fahrungen, die sie zu machen haben, diese Stetigkeit mit Notwendigkeit hemmen
und zerstören. Das Schwanken in Urteil und Behandlung findet dabei in der
Regel nach zwei entgegengesetzten Richtungen statt: einerseits finden sich An¬
hänger der brutalen, verständnislosen Gewalt, andrerseits Vertreter einer weich¬
lichen Sentimentalität.

Von brutalen Beamten kennt die deutsche Kolonialgeschichte leider nun
auch einige traurige Beispiele. Man kann allerlei zu ihrer Entschuldigung an¬
führen und hat auf den „Tropenkoller," die Gefahren und Leiden des
tropischen Dienstes und vieles andre hingewiesen. Was man aber an erster
Stelle hätte anführen sollen, den gänzlichen Mangel an wirklicher Vorbildung,
das ist in der Regel vergessen worden, und doch liegt die Grundursache der
schlimmen Vorkommnisse auf diesem Gebiete. Und nicht nur darin würde sich
der Nutzen einer Vorschule zeigen, daß es durch sie den Beamten erleichtert
wurde, sich in ihre neue Thätigkeit hineinzufinden, sondern es ließen sich wäh¬
rend der Vorbildung auch recht wohl die Leute erkennen und aussondern, die
ihr Charakter für den schwierigen Posten eines höhern Kolonialbeamten un¬
tauglich macht. Auf diese Art wäre ein Mittel gegeben, die ärgsten und be¬
schämendsten Vorkommnisse zu verhüten. Wer aber mit Erfolg diese Vorschule
durchlaufen hätte, den würde schon die ihm cmerzogne Gewohnheit, auf das
Wesen und Treiben seiner dunkelfarbigen Brüder verständnisvoll zu achten,
vor sinnlosen Grausamkeiten bewahren.

Aber auch die andre, oft noch verhängnisvollere Richtung, die sentimen¬
tale Auffassung, würde durch das Studium der Völkerkunde größtenteils un¬
möglich gemacht werden. Die Sucht, im Neger deu vollkommen gleichstehenden
Menschen zu sehen und ihn demgemäß wie einen europäischen Ehrenmann zu
behandeln, hat in manchen englischen und französischen Kolonien zu grotesken,
noch öfter aber zu wahrhaft traurigen Ergebnissen geführt; der Europäer ist
durch sie gedemütigt und zurückgesetzt, der Eingeborne gründlich verdorben
worden. Über die cmglisirten „Hosennigger" von Sierra Leone und andern
westafrikanischen Besitzungen Englands herrscht nur eine Stimme, daß es näm¬
lich die nichtsnutzigsten und aufgeblasensten Geschöpfe auf Gottes Erdboden
sind; und was hier die englische Bigotterie erzielt, das gelingt anderwärts
französischen Bureaukraten, die zum Teil ihre Gerechtigkeit so weit treiben,
einen Weißen auf mehrere Wochen einzusperren, weil er einen schwarzen Spitz¬
buben auf frischer That ertappt und mit einigen Ohrfeigen abgestraft hat.


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[0404] Die Vorbildung unsrer Kolonialbeamten Schwanken in der Behandlung seiner Untergebnen bewahrt, das so oft ver¬ hängnisvoll geworden ist und manchen Erfolg der ältern Kolonialvölker wieder vernichtet hat. Eine einheitliche Vorschule der Kolonialbeamten ermöglicht es, ihnen von Anfang an gewisse Grundsätze anzuerziehen, die jedem einzelnen zuletzt in Fleisch und Blut übergehen und die Stetigkeit der Verwaltung sichern, während sonst der verschiedne Charakter der Beamten und die wechselnden Er¬ fahrungen, die sie zu machen haben, diese Stetigkeit mit Notwendigkeit hemmen und zerstören. Das Schwanken in Urteil und Behandlung findet dabei in der Regel nach zwei entgegengesetzten Richtungen statt: einerseits finden sich An¬ hänger der brutalen, verständnislosen Gewalt, andrerseits Vertreter einer weich¬ lichen Sentimentalität. Von brutalen Beamten kennt die deutsche Kolonialgeschichte leider nun auch einige traurige Beispiele. Man kann allerlei zu ihrer Entschuldigung an¬ führen und hat auf den „Tropenkoller," die Gefahren und Leiden des tropischen Dienstes und vieles andre hingewiesen. Was man aber an erster Stelle hätte anführen sollen, den gänzlichen Mangel an wirklicher Vorbildung, das ist in der Regel vergessen worden, und doch liegt die Grundursache der schlimmen Vorkommnisse auf diesem Gebiete. Und nicht nur darin würde sich der Nutzen einer Vorschule zeigen, daß es durch sie den Beamten erleichtert wurde, sich in ihre neue Thätigkeit hineinzufinden, sondern es ließen sich wäh¬ rend der Vorbildung auch recht wohl die Leute erkennen und aussondern, die ihr Charakter für den schwierigen Posten eines höhern Kolonialbeamten un¬ tauglich macht. Auf diese Art wäre ein Mittel gegeben, die ärgsten und be¬ schämendsten Vorkommnisse zu verhüten. Wer aber mit Erfolg diese Vorschule durchlaufen hätte, den würde schon die ihm cmerzogne Gewohnheit, auf das Wesen und Treiben seiner dunkelfarbigen Brüder verständnisvoll zu achten, vor sinnlosen Grausamkeiten bewahren. Aber auch die andre, oft noch verhängnisvollere Richtung, die sentimen¬ tale Auffassung, würde durch das Studium der Völkerkunde größtenteils un¬ möglich gemacht werden. Die Sucht, im Neger deu vollkommen gleichstehenden Menschen zu sehen und ihn demgemäß wie einen europäischen Ehrenmann zu behandeln, hat in manchen englischen und französischen Kolonien zu grotesken, noch öfter aber zu wahrhaft traurigen Ergebnissen geführt; der Europäer ist durch sie gedemütigt und zurückgesetzt, der Eingeborne gründlich verdorben worden. Über die cmglisirten „Hosennigger" von Sierra Leone und andern westafrikanischen Besitzungen Englands herrscht nur eine Stimme, daß es näm¬ lich die nichtsnutzigsten und aufgeblasensten Geschöpfe auf Gottes Erdboden sind; und was hier die englische Bigotterie erzielt, das gelingt anderwärts französischen Bureaukraten, die zum Teil ihre Gerechtigkeit so weit treiben, einen Weißen auf mehrere Wochen einzusperren, weil er einen schwarzen Spitz¬ buben auf frischer That ertappt und mit einigen Ohrfeigen abgestraft hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/404>, abgerufen am 26.05.2024.