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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Noch einmal das deutsche Reich und die Rurie

kommen, sagte er, wie einst unter Heinrich IV. Die Geistlichen werden ab¬
gesetzt, sie werden anch gefangen gesetzt werden. Der Gottesdienst, den die
Kurie will, wird aufhören. Andre Geistliche wird das Volk seiner Mehrheit
nach nicht wollen. Die Glocken werden an vielen Orten nicht mehr zur Kirche
läuten. Es wird dann dort in den katholischen Landesteilen sein, wie einst
unter dem Interdikt. Das wird eine Zeit lang dauern; mau wird sehen, daß
das katholische Volk auch das erträgt. Aber der Staat kann es nicht lange
mit ansehen. Er muß zuletzt nachgeben, weil die Kurie nicht nachgiebt." In
dieser Überzeugung blieb er ohne Wanken. Seinem überlegnen Lächeln gegen¬
über kam es mir äußerst seltsam vor. daß die leitenden Männer in Preußen
gerade das vorzubereiten im Begriffe standen, was er auf Grund seiner Kenntnis
der katholischen Kirche von vornherein sür thöricht und hoffnungslos ansah.
War er denn der einzige unter den Klugen? Und es kamen mir Gedanken
gerade in der Richtung des Themas hin, das in dem Aufsatz im 21. Heft be¬
handelt ist. Ich fragte also meinen Freund, woher er denn seine Kenntnis
Hütte und ob man die denn nicht auch etwa im preußischen Kultusministerium
haben könnte? "Ob man dort jetzt Männer hat, die die Kurie kennen, meinte
er, darüber bin ich zu wenig unterrichtet. Bei uns, d. h.im ehemaligen Hannover,
Hütte man sie gehabt. Wir wußten aus dem, was wir in unsern verschiednen
kleinen konfessionell gemischten Gebieten gelernt hatten, ganz genau, wie weit
wir der Kurie gegenüber gehen konnten." Das sagte er mit einer überlegnen
Ruhe, die solche Auseinandersetzungen von ihm besonders eindrucksvoll machte.
Dann fuhr er mit seinem freundlichen Lächeln fort: "Uns wird man nicht
mehr fragen, aber wenn man es wollte, würde man wohl Leute finden, die
die richtige Auskunft zu geben wüßten. Und Sie werden sehen, daß wir Recht
behalten. Die Kurie gewinnt, und der Staat muß klein beigeben."

Sachlich ist hierüber heute nichts mehr zu sagen. Wohl aber verdient
das Wort des vortrefflichen Mannes nicht vergessen zu werden, weil es schon
früh gerade aus der Kenntnis der Kurie hervorgegangen ist, die der Verfasser
des Aufsatzes im 21. Heft vermißt. Und sie ist ja, wie er zeigt, auch jetzt
uoch selten. Darüber noch einige Worte.

Manche unsrer evangelischen Universitütstheologen der freiern Richtung
meinen jene Kenntnis zu haben. Aber sie würden, wenn auf ihre Meinung
einmal praktisch etwas ankäme, ebenso Schiffbruch erleiden wie Falk. Sie
studiren die Kirchengeschichte aus Büchern und sind anch wohl alle einmal in
Rom gewesen. Aber das reicht doch noch lange nicht. Denn die Kenntnis,
von der hier die Rede ist, kann nur unmittelbar erworben werden, im Verkehr
mit Katholiken, in katholischen Landen, oder innerhalb der katholischen Kirche
selbst als deren Mitglied. Wer sich aber in dem letzten Falle befindet, der
steht selten frei genug da, um sein Wissen den Andersdenkenden zur Verfügung
zu stellen. Darum sind Mitteilungen von Ottokar Lorentz oder Carl Jentsch,


Noch einmal das deutsche Reich und die Rurie

kommen, sagte er, wie einst unter Heinrich IV. Die Geistlichen werden ab¬
gesetzt, sie werden anch gefangen gesetzt werden. Der Gottesdienst, den die
Kurie will, wird aufhören. Andre Geistliche wird das Volk seiner Mehrheit
nach nicht wollen. Die Glocken werden an vielen Orten nicht mehr zur Kirche
läuten. Es wird dann dort in den katholischen Landesteilen sein, wie einst
unter dem Interdikt. Das wird eine Zeit lang dauern; mau wird sehen, daß
das katholische Volk auch das erträgt. Aber der Staat kann es nicht lange
mit ansehen. Er muß zuletzt nachgeben, weil die Kurie nicht nachgiebt." In
dieser Überzeugung blieb er ohne Wanken. Seinem überlegnen Lächeln gegen¬
über kam es mir äußerst seltsam vor. daß die leitenden Männer in Preußen
gerade das vorzubereiten im Begriffe standen, was er auf Grund seiner Kenntnis
der katholischen Kirche von vornherein sür thöricht und hoffnungslos ansah.
War er denn der einzige unter den Klugen? Und es kamen mir Gedanken
gerade in der Richtung des Themas hin, das in dem Aufsatz im 21. Heft be¬
handelt ist. Ich fragte also meinen Freund, woher er denn seine Kenntnis
Hütte und ob man die denn nicht auch etwa im preußischen Kultusministerium
haben könnte? „Ob man dort jetzt Männer hat, die die Kurie kennen, meinte
er, darüber bin ich zu wenig unterrichtet. Bei uns, d. h.im ehemaligen Hannover,
Hütte man sie gehabt. Wir wußten aus dem, was wir in unsern verschiednen
kleinen konfessionell gemischten Gebieten gelernt hatten, ganz genau, wie weit
wir der Kurie gegenüber gehen konnten." Das sagte er mit einer überlegnen
Ruhe, die solche Auseinandersetzungen von ihm besonders eindrucksvoll machte.
Dann fuhr er mit seinem freundlichen Lächeln fort: „Uns wird man nicht
mehr fragen, aber wenn man es wollte, würde man wohl Leute finden, die
die richtige Auskunft zu geben wüßten. Und Sie werden sehen, daß wir Recht
behalten. Die Kurie gewinnt, und der Staat muß klein beigeben."

Sachlich ist hierüber heute nichts mehr zu sagen. Wohl aber verdient
das Wort des vortrefflichen Mannes nicht vergessen zu werden, weil es schon
früh gerade aus der Kenntnis der Kurie hervorgegangen ist, die der Verfasser
des Aufsatzes im 21. Heft vermißt. Und sie ist ja, wie er zeigt, auch jetzt
uoch selten. Darüber noch einige Worte.

Manche unsrer evangelischen Universitütstheologen der freiern Richtung
meinen jene Kenntnis zu haben. Aber sie würden, wenn auf ihre Meinung
einmal praktisch etwas ankäme, ebenso Schiffbruch erleiden wie Falk. Sie
studiren die Kirchengeschichte aus Büchern und sind anch wohl alle einmal in
Rom gewesen. Aber das reicht doch noch lange nicht. Denn die Kenntnis,
von der hier die Rede ist, kann nur unmittelbar erworben werden, im Verkehr
mit Katholiken, in katholischen Landen, oder innerhalb der katholischen Kirche
selbst als deren Mitglied. Wer sich aber in dem letzten Falle befindet, der
steht selten frei genug da, um sein Wissen den Andersdenkenden zur Verfügung
zu stellen. Darum sind Mitteilungen von Ottokar Lorentz oder Carl Jentsch,


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[0540] Noch einmal das deutsche Reich und die Rurie kommen, sagte er, wie einst unter Heinrich IV. Die Geistlichen werden ab¬ gesetzt, sie werden anch gefangen gesetzt werden. Der Gottesdienst, den die Kurie will, wird aufhören. Andre Geistliche wird das Volk seiner Mehrheit nach nicht wollen. Die Glocken werden an vielen Orten nicht mehr zur Kirche läuten. Es wird dann dort in den katholischen Landesteilen sein, wie einst unter dem Interdikt. Das wird eine Zeit lang dauern; mau wird sehen, daß das katholische Volk auch das erträgt. Aber der Staat kann es nicht lange mit ansehen. Er muß zuletzt nachgeben, weil die Kurie nicht nachgiebt." In dieser Überzeugung blieb er ohne Wanken. Seinem überlegnen Lächeln gegen¬ über kam es mir äußerst seltsam vor. daß die leitenden Männer in Preußen gerade das vorzubereiten im Begriffe standen, was er auf Grund seiner Kenntnis der katholischen Kirche von vornherein sür thöricht und hoffnungslos ansah. War er denn der einzige unter den Klugen? Und es kamen mir Gedanken gerade in der Richtung des Themas hin, das in dem Aufsatz im 21. Heft be¬ handelt ist. Ich fragte also meinen Freund, woher er denn seine Kenntnis Hütte und ob man die denn nicht auch etwa im preußischen Kultusministerium haben könnte? „Ob man dort jetzt Männer hat, die die Kurie kennen, meinte er, darüber bin ich zu wenig unterrichtet. Bei uns, d. h.im ehemaligen Hannover, Hütte man sie gehabt. Wir wußten aus dem, was wir in unsern verschiednen kleinen konfessionell gemischten Gebieten gelernt hatten, ganz genau, wie weit wir der Kurie gegenüber gehen konnten." Das sagte er mit einer überlegnen Ruhe, die solche Auseinandersetzungen von ihm besonders eindrucksvoll machte. Dann fuhr er mit seinem freundlichen Lächeln fort: „Uns wird man nicht mehr fragen, aber wenn man es wollte, würde man wohl Leute finden, die die richtige Auskunft zu geben wüßten. Und Sie werden sehen, daß wir Recht behalten. Die Kurie gewinnt, und der Staat muß klein beigeben." Sachlich ist hierüber heute nichts mehr zu sagen. Wohl aber verdient das Wort des vortrefflichen Mannes nicht vergessen zu werden, weil es schon früh gerade aus der Kenntnis der Kurie hervorgegangen ist, die der Verfasser des Aufsatzes im 21. Heft vermißt. Und sie ist ja, wie er zeigt, auch jetzt uoch selten. Darüber noch einige Worte. Manche unsrer evangelischen Universitütstheologen der freiern Richtung meinen jene Kenntnis zu haben. Aber sie würden, wenn auf ihre Meinung einmal praktisch etwas ankäme, ebenso Schiffbruch erleiden wie Falk. Sie studiren die Kirchengeschichte aus Büchern und sind anch wohl alle einmal in Rom gewesen. Aber das reicht doch noch lange nicht. Denn die Kenntnis, von der hier die Rede ist, kann nur unmittelbar erworben werden, im Verkehr mit Katholiken, in katholischen Landen, oder innerhalb der katholischen Kirche selbst als deren Mitglied. Wer sich aber in dem letzten Falle befindet, der steht selten frei genug da, um sein Wissen den Andersdenkenden zur Verfügung zu stellen. Darum sind Mitteilungen von Ottokar Lorentz oder Carl Jentsch,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/540>, abgerufen am 16.06.2024.