Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Nochmals die Ehre und der Zweikampf

über diese Grenze hinaus aber mir dem betroffnen Teile samt seinen Standes¬
oder Berufsgenossen als Beleidigungen erscheinen, und zwar um so eher, je
größer sein Dünkel ist, der ihm denn auch wirkliche Beleidigungen weit schwerer
erscheinen läßt, als sie sind. Deshalb will er, wo das Gesetz gar keine oder
eine seiner Meinung nach zu geringe Strafe festsetzt, auf eigue Hand Nache
üben, um sich Genugthuung zu verschaffen. Dazu aber dient der Zweikampf
als ein Mittel, das, wie ich früher ausführlich dargelegt habe, zu einer Zeit,
wo die physische Kraft die eigentlich Recht schaffende Macht war, seinem Zwecke
entsprochen haben mag, heutzutage aller so absurd erscheint, daß diese Bedeu¬
tung des Zweikampfs sogar aus dem Bewußtsein derer entschwunden ist, die ihn
noch verteidigen. Sie machen sich aber dabei einer noch größern Absurdität
schuldig, indem sie sich einbilden, daß er eine Ehre rette, heile, wiedergebe, die
das alles gar nicht nötig hat, weil sie überhaupt nicht da ist.

In dieser Wahnvorstellung ist auch mein Gegner befangen. Anerlennens-
werterwcise hält er aber die Beseitigung des Zweikampfs für notwendig. Die
Maßregeln, die er als Mittel dazu vorschlägt, würden freilich teils ungerecht-
fertigt, teils unzweckmäßig sein. Den Zweikampf, je nachdem, als Mord oder
Mordversuch zu bestrafen, wie es in frühern Zeiten schon versucht worden ist,
wäre eine empörende Ungerechtigkeit und würde von dem Rechtsbewußtsein des
Volks aufs entschiedenste verworfen werden: wie kaun einer, der im Banne
einer Wahnvorstellung vor die Pistole seines Gegners tritt und diesen erschießt,
als Mörder gelten! Was aber die Verschärfung der Strafen für Beleidigungen
betrifft -- welche Strafe würde Wohl denen genügen, die meinen, daß eine Be¬
leidigung mit Blut abgewaschen oder wenigstens mit Todesgefahr gebüßt werden
müsse? Und verlangt außer ihnen jemand eine solche Verschärfung? Mag sein,
daß die Gerichte oft auf Strafen erkennen, die zu gering sind, um das
Rechtsgefühl zu befriedigen. Aber das geschieht auch bei andern Vergehen
und ist ein Übelstand, an dem das Gesetz nicht schuld ist. Daß aber die von
dem Gesetze für Beleidigungen angedrohten Strafen nach Art und Höhe ge¬
nügen, kann man füglich nicht bestreuten, wenn man nicht etwa Strafen für
nötig hält, die das Gesetz nicht kennt.

Das einzige richtige und wirksame Mittel, den Zweikampf auszurotten,
ist, daß er den Offizieren von maßgebender Stelle ausdrücklich verboten wird.
Sie lediglich von ihrer berufsmäßigen Verpflichtung zum Zweikampfe zu ent¬
binden, würde voraussichtlich nicht genügen, diese durch jahrhundertelange
Gewohnheit eingewurzelte Narrheit auszurotten. Aber ein ausdrückliches Verbot
würde, wenn auch vielleicht nicht mit einem Schlage, so doch in nicht zu langer
Zeit sicher zum Ziele führen. Das beweist das Beispiel Englands. Denn
nicht deshalb, weil dort im Gegensatze zu uns die angebliche Ehre gesetzlich
genügend geschützt ist, sondern weil mau vor fünfzig Jahren den Zweikampf
im englischen Heere verboten hat, ist er seitdem dort völlig verschwunden.


Nochmals die Ehre und der Zweikampf

über diese Grenze hinaus aber mir dem betroffnen Teile samt seinen Standes¬
oder Berufsgenossen als Beleidigungen erscheinen, und zwar um so eher, je
größer sein Dünkel ist, der ihm denn auch wirkliche Beleidigungen weit schwerer
erscheinen läßt, als sie sind. Deshalb will er, wo das Gesetz gar keine oder
eine seiner Meinung nach zu geringe Strafe festsetzt, auf eigue Hand Nache
üben, um sich Genugthuung zu verschaffen. Dazu aber dient der Zweikampf
als ein Mittel, das, wie ich früher ausführlich dargelegt habe, zu einer Zeit,
wo die physische Kraft die eigentlich Recht schaffende Macht war, seinem Zwecke
entsprochen haben mag, heutzutage aller so absurd erscheint, daß diese Bedeu¬
tung des Zweikampfs sogar aus dem Bewußtsein derer entschwunden ist, die ihn
noch verteidigen. Sie machen sich aber dabei einer noch größern Absurdität
schuldig, indem sie sich einbilden, daß er eine Ehre rette, heile, wiedergebe, die
das alles gar nicht nötig hat, weil sie überhaupt nicht da ist.

In dieser Wahnvorstellung ist auch mein Gegner befangen. Anerlennens-
werterwcise hält er aber die Beseitigung des Zweikampfs für notwendig. Die
Maßregeln, die er als Mittel dazu vorschlägt, würden freilich teils ungerecht-
fertigt, teils unzweckmäßig sein. Den Zweikampf, je nachdem, als Mord oder
Mordversuch zu bestrafen, wie es in frühern Zeiten schon versucht worden ist,
wäre eine empörende Ungerechtigkeit und würde von dem Rechtsbewußtsein des
Volks aufs entschiedenste verworfen werden: wie kaun einer, der im Banne
einer Wahnvorstellung vor die Pistole seines Gegners tritt und diesen erschießt,
als Mörder gelten! Was aber die Verschärfung der Strafen für Beleidigungen
betrifft — welche Strafe würde Wohl denen genügen, die meinen, daß eine Be¬
leidigung mit Blut abgewaschen oder wenigstens mit Todesgefahr gebüßt werden
müsse? Und verlangt außer ihnen jemand eine solche Verschärfung? Mag sein,
daß die Gerichte oft auf Strafen erkennen, die zu gering sind, um das
Rechtsgefühl zu befriedigen. Aber das geschieht auch bei andern Vergehen
und ist ein Übelstand, an dem das Gesetz nicht schuld ist. Daß aber die von
dem Gesetze für Beleidigungen angedrohten Strafen nach Art und Höhe ge¬
nügen, kann man füglich nicht bestreuten, wenn man nicht etwa Strafen für
nötig hält, die das Gesetz nicht kennt.

Das einzige richtige und wirksame Mittel, den Zweikampf auszurotten,
ist, daß er den Offizieren von maßgebender Stelle ausdrücklich verboten wird.
Sie lediglich von ihrer berufsmäßigen Verpflichtung zum Zweikampfe zu ent¬
binden, würde voraussichtlich nicht genügen, diese durch jahrhundertelange
Gewohnheit eingewurzelte Narrheit auszurotten. Aber ein ausdrückliches Verbot
würde, wenn auch vielleicht nicht mit einem Schlage, so doch in nicht zu langer
Zeit sicher zum Ziele führen. Das beweist das Beispiel Englands. Denn
nicht deshalb, weil dort im Gegensatze zu uns die angebliche Ehre gesetzlich
genügend geschützt ist, sondern weil mau vor fünfzig Jahren den Zweikampf
im englischen Heere verboten hat, ist er seitdem dort völlig verschwunden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0088" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222392"/>
          <fw type="header" place="top"> Nochmals die Ehre und der Zweikampf</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_274" prev="#ID_273"> über diese Grenze hinaus aber mir dem betroffnen Teile samt seinen Standes¬<lb/>
oder Berufsgenossen als Beleidigungen erscheinen, und zwar um so eher, je<lb/>
größer sein Dünkel ist, der ihm denn auch wirkliche Beleidigungen weit schwerer<lb/>
erscheinen läßt, als sie sind. Deshalb will er, wo das Gesetz gar keine oder<lb/>
eine seiner Meinung nach zu geringe Strafe festsetzt, auf eigue Hand Nache<lb/>
üben, um sich Genugthuung zu verschaffen. Dazu aber dient der Zweikampf<lb/>
als ein Mittel, das, wie ich früher ausführlich dargelegt habe, zu einer Zeit,<lb/>
wo die physische Kraft die eigentlich Recht schaffende Macht war, seinem Zwecke<lb/>
entsprochen haben mag, heutzutage aller so absurd erscheint, daß diese Bedeu¬<lb/>
tung des Zweikampfs sogar aus dem Bewußtsein derer entschwunden ist, die ihn<lb/>
noch verteidigen. Sie machen sich aber dabei einer noch größern Absurdität<lb/>
schuldig, indem sie sich einbilden, daß er eine Ehre rette, heile, wiedergebe, die<lb/>
das alles gar nicht nötig hat, weil sie überhaupt nicht da ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_275"> In dieser Wahnvorstellung ist auch mein Gegner befangen. Anerlennens-<lb/>
werterwcise hält er aber die Beseitigung des Zweikampfs für notwendig. Die<lb/>
Maßregeln, die er als Mittel dazu vorschlägt, würden freilich teils ungerecht-<lb/>
fertigt, teils unzweckmäßig sein. Den Zweikampf, je nachdem, als Mord oder<lb/>
Mordversuch zu bestrafen, wie es in frühern Zeiten schon versucht worden ist,<lb/>
wäre eine empörende Ungerechtigkeit und würde von dem Rechtsbewußtsein des<lb/>
Volks aufs entschiedenste verworfen werden: wie kaun einer, der im Banne<lb/>
einer Wahnvorstellung vor die Pistole seines Gegners tritt und diesen erschießt,<lb/>
als Mörder gelten! Was aber die Verschärfung der Strafen für Beleidigungen<lb/>
betrifft &#x2014; welche Strafe würde Wohl denen genügen, die meinen, daß eine Be¬<lb/>
leidigung mit Blut abgewaschen oder wenigstens mit Todesgefahr gebüßt werden<lb/>
müsse? Und verlangt außer ihnen jemand eine solche Verschärfung? Mag sein,<lb/>
daß die Gerichte oft auf Strafen erkennen, die zu gering sind, um das<lb/>
Rechtsgefühl zu befriedigen. Aber das geschieht auch bei andern Vergehen<lb/>
und ist ein Übelstand, an dem das Gesetz nicht schuld ist. Daß aber die von<lb/>
dem Gesetze für Beleidigungen angedrohten Strafen nach Art und Höhe ge¬<lb/>
nügen, kann man füglich nicht bestreuten, wenn man nicht etwa Strafen für<lb/>
nötig hält, die das Gesetz nicht kennt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_276"> Das einzige richtige und wirksame Mittel, den Zweikampf auszurotten,<lb/>
ist, daß er den Offizieren von maßgebender Stelle ausdrücklich verboten wird.<lb/>
Sie lediglich von ihrer berufsmäßigen Verpflichtung zum Zweikampfe zu ent¬<lb/>
binden, würde voraussichtlich nicht genügen, diese durch jahrhundertelange<lb/>
Gewohnheit eingewurzelte Narrheit auszurotten. Aber ein ausdrückliches Verbot<lb/>
würde, wenn auch vielleicht nicht mit einem Schlage, so doch in nicht zu langer<lb/>
Zeit sicher zum Ziele führen. Das beweist das Beispiel Englands. Denn<lb/>
nicht deshalb, weil dort im Gegensatze zu uns die angebliche Ehre gesetzlich<lb/>
genügend geschützt ist, sondern weil mau vor fünfzig Jahren den Zweikampf<lb/>
im englischen Heere verboten hat, ist er seitdem dort völlig verschwunden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0088] Nochmals die Ehre und der Zweikampf über diese Grenze hinaus aber mir dem betroffnen Teile samt seinen Standes¬ oder Berufsgenossen als Beleidigungen erscheinen, und zwar um so eher, je größer sein Dünkel ist, der ihm denn auch wirkliche Beleidigungen weit schwerer erscheinen läßt, als sie sind. Deshalb will er, wo das Gesetz gar keine oder eine seiner Meinung nach zu geringe Strafe festsetzt, auf eigue Hand Nache üben, um sich Genugthuung zu verschaffen. Dazu aber dient der Zweikampf als ein Mittel, das, wie ich früher ausführlich dargelegt habe, zu einer Zeit, wo die physische Kraft die eigentlich Recht schaffende Macht war, seinem Zwecke entsprochen haben mag, heutzutage aller so absurd erscheint, daß diese Bedeu¬ tung des Zweikampfs sogar aus dem Bewußtsein derer entschwunden ist, die ihn noch verteidigen. Sie machen sich aber dabei einer noch größern Absurdität schuldig, indem sie sich einbilden, daß er eine Ehre rette, heile, wiedergebe, die das alles gar nicht nötig hat, weil sie überhaupt nicht da ist. In dieser Wahnvorstellung ist auch mein Gegner befangen. Anerlennens- werterwcise hält er aber die Beseitigung des Zweikampfs für notwendig. Die Maßregeln, die er als Mittel dazu vorschlägt, würden freilich teils ungerecht- fertigt, teils unzweckmäßig sein. Den Zweikampf, je nachdem, als Mord oder Mordversuch zu bestrafen, wie es in frühern Zeiten schon versucht worden ist, wäre eine empörende Ungerechtigkeit und würde von dem Rechtsbewußtsein des Volks aufs entschiedenste verworfen werden: wie kaun einer, der im Banne einer Wahnvorstellung vor die Pistole seines Gegners tritt und diesen erschießt, als Mörder gelten! Was aber die Verschärfung der Strafen für Beleidigungen betrifft — welche Strafe würde Wohl denen genügen, die meinen, daß eine Be¬ leidigung mit Blut abgewaschen oder wenigstens mit Todesgefahr gebüßt werden müsse? Und verlangt außer ihnen jemand eine solche Verschärfung? Mag sein, daß die Gerichte oft auf Strafen erkennen, die zu gering sind, um das Rechtsgefühl zu befriedigen. Aber das geschieht auch bei andern Vergehen und ist ein Übelstand, an dem das Gesetz nicht schuld ist. Daß aber die von dem Gesetze für Beleidigungen angedrohten Strafen nach Art und Höhe ge¬ nügen, kann man füglich nicht bestreuten, wenn man nicht etwa Strafen für nötig hält, die das Gesetz nicht kennt. Das einzige richtige und wirksame Mittel, den Zweikampf auszurotten, ist, daß er den Offizieren von maßgebender Stelle ausdrücklich verboten wird. Sie lediglich von ihrer berufsmäßigen Verpflichtung zum Zweikampfe zu ent¬ binden, würde voraussichtlich nicht genügen, diese durch jahrhundertelange Gewohnheit eingewurzelte Narrheit auszurotten. Aber ein ausdrückliches Verbot würde, wenn auch vielleicht nicht mit einem Schlage, so doch in nicht zu langer Zeit sicher zum Ziele führen. Das beweist das Beispiel Englands. Denn nicht deshalb, weil dort im Gegensatze zu uns die angebliche Ehre gesetzlich genügend geschützt ist, sondern weil mau vor fünfzig Jahren den Zweikampf im englischen Heere verboten hat, ist er seitdem dort völlig verschwunden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/88
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/88>, abgerufen am 28.05.2024.