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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Abermals zum Heimatschutz

einen breiten Holzabfuhrweg, den man neben und über einem der geschmähten,
außer Kurs gesetzten Hohlwege mitten durch schweren, nassen Wiesenboden gelegt
hat, der infolge dessen nie trocken wird, mit seinen tiefen wassergefüllten Furchen
kaum zu befahren, geschweige denn zu begehen ist (während der Hohlweg vor¬
trefflich festen felsigen Grund hat), und dessen aufgeschichtete Böschung bei jedem
stärkern Regenguß durchbrochen wird, sodaß die sich unterhalb anschließende
Wiese beständig unter Überschwemmung mit allerlei Geröll leidet.

Wenn aber nirgends eine Kurve, sondern überall ein rechter oder stumpfer
Winkel dafür gesetzt wird, den Wege und Wasserläufe beschreiben müssen,
mögen die Bodenverhältnisse auch noch so gebieterisch auf eine Bogenlinie hin¬
weisen, so ist die Frage erlaubt, ob etwa auch hier der landwirtschaftliche
Nutzen und nicht vielmehr die Rücksicht auf das bequemere Rechenexempel des
Feldmessers den Ausschlag giebt. Denn es ist doch klar, daß, wenn man
einmal peinlich sparen will, bei einer Kurve mehr nutzbares Land gewonnen
wird, als bei einem über sie hinausgreifenden Winkel. Daß aber auch aus¬
reichende Grenzbesteinungen bei einer Kurve möglich sind, dafür liefern z. B.
Forstgrenzen zahlreiche Belege.

Endlich: sind es nicht auch praktische Nachteile, wenn mit den Hecken
und den einzelnen Büschen und Büumeu, die die Verkopplnng sämtlich be¬
seitigt, der Windschutz im freien Felde und die Brutstätten der Singvögel ver¬
schwinden, die das Ungeziefer vertilgen helfen? Oder ist es gleichgiltig, ob
die Gemeinheitsteilung zur Stcillfütteruug und damit zu Perlsucht der Kühe,
zu ungesunden Fleisch und ungesunder Milch sührt? Was aber hier erzählt
oder berührt wurde, steht nicht vereinzelt da, es wiederholt sich in dieser oder
jener Weise überall und muß sich wiederholen, weil es als natürliche Folge
in dem Schematismus des Verfahrens an und für sich begründet ist.

Doch zur Hauptsache. Man kann nicht alles an einer Stelle sagen.
Bei einer frühern Gelegenheit habe ich ausdrücklich hervorgehoben, daß
unbestreitbar gewisse wirtschaftliche Vorteile mit den Verkopplungen und Ge-
meinheitstcilnngen verbunden sind, und niemals ist es mir eingefallen, das
in Abrede zu stellen. Sie bestehen vor allem in Bodenentwässerung und
darin, daß zusammenhängende Landflächen besser zu bewirtschaften sind als
zerstückelte. Wie sollte es anch anders sein? Aber diesen realen Vor¬
teilen stehen, auch in rein praktischem Sinne genommen, zahllose Fehlgriffe
gegenüber, und ohne Frage ist die Behauptung in hohem Maße übertrieben,
daß der Bauernstand den Verkopplungen das glückliche Überstehen aller
Krisen des Jahrhunderts verdanke. Denn der süddeutsche Bauer, um
kleinere unverkoppelte Landesteile nicht zu erwähnen, ist ohne Verkopplnng
bisher auch nicht zu Grunde gegangen; und in Hannover, Braunschweig,
Thüringen ist sie doch erst seit den letzten vier Jahrzehnten recht eigentlich
in Schwung gekommen. Immerhin: irgend etwas Gutes muß eine Sache


Abermals zum Heimatschutz

einen breiten Holzabfuhrweg, den man neben und über einem der geschmähten,
außer Kurs gesetzten Hohlwege mitten durch schweren, nassen Wiesenboden gelegt
hat, der infolge dessen nie trocken wird, mit seinen tiefen wassergefüllten Furchen
kaum zu befahren, geschweige denn zu begehen ist (während der Hohlweg vor¬
trefflich festen felsigen Grund hat), und dessen aufgeschichtete Böschung bei jedem
stärkern Regenguß durchbrochen wird, sodaß die sich unterhalb anschließende
Wiese beständig unter Überschwemmung mit allerlei Geröll leidet.

Wenn aber nirgends eine Kurve, sondern überall ein rechter oder stumpfer
Winkel dafür gesetzt wird, den Wege und Wasserläufe beschreiben müssen,
mögen die Bodenverhältnisse auch noch so gebieterisch auf eine Bogenlinie hin¬
weisen, so ist die Frage erlaubt, ob etwa auch hier der landwirtschaftliche
Nutzen und nicht vielmehr die Rücksicht auf das bequemere Rechenexempel des
Feldmessers den Ausschlag giebt. Denn es ist doch klar, daß, wenn man
einmal peinlich sparen will, bei einer Kurve mehr nutzbares Land gewonnen
wird, als bei einem über sie hinausgreifenden Winkel. Daß aber auch aus¬
reichende Grenzbesteinungen bei einer Kurve möglich sind, dafür liefern z. B.
Forstgrenzen zahlreiche Belege.

Endlich: sind es nicht auch praktische Nachteile, wenn mit den Hecken
und den einzelnen Büschen und Büumeu, die die Verkopplnng sämtlich be¬
seitigt, der Windschutz im freien Felde und die Brutstätten der Singvögel ver¬
schwinden, die das Ungeziefer vertilgen helfen? Oder ist es gleichgiltig, ob
die Gemeinheitsteilung zur Stcillfütteruug und damit zu Perlsucht der Kühe,
zu ungesunden Fleisch und ungesunder Milch sührt? Was aber hier erzählt
oder berührt wurde, steht nicht vereinzelt da, es wiederholt sich in dieser oder
jener Weise überall und muß sich wiederholen, weil es als natürliche Folge
in dem Schematismus des Verfahrens an und für sich begründet ist.

Doch zur Hauptsache. Man kann nicht alles an einer Stelle sagen.
Bei einer frühern Gelegenheit habe ich ausdrücklich hervorgehoben, daß
unbestreitbar gewisse wirtschaftliche Vorteile mit den Verkopplungen und Ge-
meinheitstcilnngen verbunden sind, und niemals ist es mir eingefallen, das
in Abrede zu stellen. Sie bestehen vor allem in Bodenentwässerung und
darin, daß zusammenhängende Landflächen besser zu bewirtschaften sind als
zerstückelte. Wie sollte es anch anders sein? Aber diesen realen Vor¬
teilen stehen, auch in rein praktischem Sinne genommen, zahllose Fehlgriffe
gegenüber, und ohne Frage ist die Behauptung in hohem Maße übertrieben,
daß der Bauernstand den Verkopplungen das glückliche Überstehen aller
Krisen des Jahrhunderts verdanke. Denn der süddeutsche Bauer, um
kleinere unverkoppelte Landesteile nicht zu erwähnen, ist ohne Verkopplnng
bisher auch nicht zu Grunde gegangen; und in Hannover, Braunschweig,
Thüringen ist sie doch erst seit den letzten vier Jahrzehnten recht eigentlich
in Schwung gekommen. Immerhin: irgend etwas Gutes muß eine Sache


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[0122] Abermals zum Heimatschutz einen breiten Holzabfuhrweg, den man neben und über einem der geschmähten, außer Kurs gesetzten Hohlwege mitten durch schweren, nassen Wiesenboden gelegt hat, der infolge dessen nie trocken wird, mit seinen tiefen wassergefüllten Furchen kaum zu befahren, geschweige denn zu begehen ist (während der Hohlweg vor¬ trefflich festen felsigen Grund hat), und dessen aufgeschichtete Böschung bei jedem stärkern Regenguß durchbrochen wird, sodaß die sich unterhalb anschließende Wiese beständig unter Überschwemmung mit allerlei Geröll leidet. Wenn aber nirgends eine Kurve, sondern überall ein rechter oder stumpfer Winkel dafür gesetzt wird, den Wege und Wasserläufe beschreiben müssen, mögen die Bodenverhältnisse auch noch so gebieterisch auf eine Bogenlinie hin¬ weisen, so ist die Frage erlaubt, ob etwa auch hier der landwirtschaftliche Nutzen und nicht vielmehr die Rücksicht auf das bequemere Rechenexempel des Feldmessers den Ausschlag giebt. Denn es ist doch klar, daß, wenn man einmal peinlich sparen will, bei einer Kurve mehr nutzbares Land gewonnen wird, als bei einem über sie hinausgreifenden Winkel. Daß aber auch aus¬ reichende Grenzbesteinungen bei einer Kurve möglich sind, dafür liefern z. B. Forstgrenzen zahlreiche Belege. Endlich: sind es nicht auch praktische Nachteile, wenn mit den Hecken und den einzelnen Büschen und Büumeu, die die Verkopplnng sämtlich be¬ seitigt, der Windschutz im freien Felde und die Brutstätten der Singvögel ver¬ schwinden, die das Ungeziefer vertilgen helfen? Oder ist es gleichgiltig, ob die Gemeinheitsteilung zur Stcillfütteruug und damit zu Perlsucht der Kühe, zu ungesunden Fleisch und ungesunder Milch sührt? Was aber hier erzählt oder berührt wurde, steht nicht vereinzelt da, es wiederholt sich in dieser oder jener Weise überall und muß sich wiederholen, weil es als natürliche Folge in dem Schematismus des Verfahrens an und für sich begründet ist. Doch zur Hauptsache. Man kann nicht alles an einer Stelle sagen. Bei einer frühern Gelegenheit habe ich ausdrücklich hervorgehoben, daß unbestreitbar gewisse wirtschaftliche Vorteile mit den Verkopplungen und Ge- meinheitstcilnngen verbunden sind, und niemals ist es mir eingefallen, das in Abrede zu stellen. Sie bestehen vor allem in Bodenentwässerung und darin, daß zusammenhängende Landflächen besser zu bewirtschaften sind als zerstückelte. Wie sollte es anch anders sein? Aber diesen realen Vor¬ teilen stehen, auch in rein praktischem Sinne genommen, zahllose Fehlgriffe gegenüber, und ohne Frage ist die Behauptung in hohem Maße übertrieben, daß der Bauernstand den Verkopplungen das glückliche Überstehen aller Krisen des Jahrhunderts verdanke. Denn der süddeutsche Bauer, um kleinere unverkoppelte Landesteile nicht zu erwähnen, ist ohne Verkopplnng bisher auch nicht zu Grunde gegangen; und in Hannover, Braunschweig, Thüringen ist sie doch erst seit den letzten vier Jahrzehnten recht eigentlich in Schwung gekommen. Immerhin: irgend etwas Gutes muß eine Sache

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/122>, abgerufen am 17.06.2024.