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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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John Brmckman

Auch dem Mai und der Pfingstzeit sind zwei hübsche Gedichte gewidmet
(Maien und Piugsten); die Pracht des Sommers aber schaut der Dichter von
einem Berge aus: vor seinen Augen dehnen sich die weiten Kornfelder und
"dampfen in ihrer Blüte," während von den gemähten Wiesen ein frischer,
süßer Duft herweht (Baden up 'n Barg, S. 91). In solchen hochpoetischen
Landschafts- und Stimmungsbildern zeigt sich Briuckmcms höchste Kraft und
Kunst. Er schreibt dabei aber keineswegs die Natur ab, etwa in Matthissonscher
Weise, sondern weiß in seine Gemälde mit großem Geschick menschliche Em¬
pfindung hineinzuweben, besonders durch seine ganz einzigen Vergleiche. Man
lese z. B. das Gedicht:

In Mandschin
Dal nee Dat de Meint da kickt,
As 'ne Dirn awern Tun, de sick griene,
Ehr Hochtidslinn uppe Biel hett prickt
Un ehr Hemd tivelt uppe Lin. Dill Dorp liggt still up de nine Plan,
As Marken in't Krüinmstroh;
Un det da kreigen nich en Hahn,
Denn müsst keen Aiinsch dat jo. Un gnug da nich noch rund 'ne Lundt,
Bi VehhuS laut de Damen, --
Harr Fadenholt de Hof mi ducht
Un de Katers utrnrt Stamm. ^)

Achte in 't Holt (S. 70) vergleicht den Wald mit einer Kirche. Die Bäume
stehen und schweigen, wie wenn von seiner Kanzel der Priester heruntersteige
und nun vor dem Altar steht und singt: das ist die süße Nachtigall, deren
Lied so das Herz ergreift, daß man still beten möchte; durch die Kronen der
hohen alten Eichen aber geht es "as Kur un Orgelton." Ähnlich giebt
Mirrn inne Nacht einen Cyklus von vierzehn kleinen, zweistrophigen Liedern
und Bildern, in deren Mittelpunkt die Nacht mit ihrem düstern, geheimnis¬
vollen Zauber steht. Die gleiche Färbung und der gleiche Rhythmus wirken
etwas eintönig und einschläfernd, was jedoch beabsichtigt sein mag; sonst würde
man sich vielleicht hie und da an Klaus Groths Dünjens (Schnurren, dann
kleine Lieder) erinnert fühlen. Aber Brinckman hat auch frische, lustige
Stimmungsbilder, und gerade der oben so feierlich geschilderte Wald hat ihn
auch zu einem allerliebsten Scherzgedicht angeregt, das uns in vortrefflicher
Lautmalerei ein prächtiges Waldkonzert bietet:



*) Deck ---- Nebel; sick griene ----- sich freut; Biel ----- Bleiche! prickelt ----- mit kleinen
Pflöcken feststeck""; locken ----- bleichen (eigentlich waschen); Krümmstroh ----kürzeres Stroh zum
streuen; Lundt ------ Licht, Laterne; utrart ----- ausgerodet.
John Brmckman

Auch dem Mai und der Pfingstzeit sind zwei hübsche Gedichte gewidmet
(Maien und Piugsten); die Pracht des Sommers aber schaut der Dichter von
einem Berge aus: vor seinen Augen dehnen sich die weiten Kornfelder und
„dampfen in ihrer Blüte," während von den gemähten Wiesen ein frischer,
süßer Duft herweht (Baden up 'n Barg, S. 91). In solchen hochpoetischen
Landschafts- und Stimmungsbildern zeigt sich Briuckmcms höchste Kraft und
Kunst. Er schreibt dabei aber keineswegs die Natur ab, etwa in Matthissonscher
Weise, sondern weiß in seine Gemälde mit großem Geschick menschliche Em¬
pfindung hineinzuweben, besonders durch seine ganz einzigen Vergleiche. Man
lese z. B. das Gedicht:

In Mandschin
Dal nee Dat de Meint da kickt,
As 'ne Dirn awern Tun, de sick griene,
Ehr Hochtidslinn uppe Biel hett prickt
Un ehr Hemd tivelt uppe Lin. Dill Dorp liggt still up de nine Plan,
As Marken in't Krüinmstroh;
Un det da kreigen nich en Hahn,
Denn müsst keen Aiinsch dat jo. Un gnug da nich noch rund 'ne Lundt,
Bi VehhuS laut de Damen, —
Harr Fadenholt de Hof mi ducht
Un de Katers utrnrt Stamm. ^)

Achte in 't Holt (S. 70) vergleicht den Wald mit einer Kirche. Die Bäume
stehen und schweigen, wie wenn von seiner Kanzel der Priester heruntersteige
und nun vor dem Altar steht und singt: das ist die süße Nachtigall, deren
Lied so das Herz ergreift, daß man still beten möchte; durch die Kronen der
hohen alten Eichen aber geht es „as Kur un Orgelton." Ähnlich giebt
Mirrn inne Nacht einen Cyklus von vierzehn kleinen, zweistrophigen Liedern
und Bildern, in deren Mittelpunkt die Nacht mit ihrem düstern, geheimnis¬
vollen Zauber steht. Die gleiche Färbung und der gleiche Rhythmus wirken
etwas eintönig und einschläfernd, was jedoch beabsichtigt sein mag; sonst würde
man sich vielleicht hie und da an Klaus Groths Dünjens (Schnurren, dann
kleine Lieder) erinnert fühlen. Aber Brinckman hat auch frische, lustige
Stimmungsbilder, und gerade der oben so feierlich geschilderte Wald hat ihn
auch zu einem allerliebsten Scherzgedicht angeregt, das uns in vortrefflicher
Lautmalerei ein prächtiges Waldkonzert bietet:



*) Deck ---- Nebel; sick griene ----- sich freut; Biel ----- Bleiche! prickelt ----- mit kleinen
Pflöcken feststeck«»; locken ----- bleichen (eigentlich waschen); Krümmstroh ----kürzeres Stroh zum
streuen; Lundt ------ Licht, Laterne; utrart ----- ausgerodet.
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[0133] John Brmckman Auch dem Mai und der Pfingstzeit sind zwei hübsche Gedichte gewidmet (Maien und Piugsten); die Pracht des Sommers aber schaut der Dichter von einem Berge aus: vor seinen Augen dehnen sich die weiten Kornfelder und „dampfen in ihrer Blüte," während von den gemähten Wiesen ein frischer, süßer Duft herweht (Baden up 'n Barg, S. 91). In solchen hochpoetischen Landschafts- und Stimmungsbildern zeigt sich Briuckmcms höchste Kraft und Kunst. Er schreibt dabei aber keineswegs die Natur ab, etwa in Matthissonscher Weise, sondern weiß in seine Gemälde mit großem Geschick menschliche Em¬ pfindung hineinzuweben, besonders durch seine ganz einzigen Vergleiche. Man lese z. B. das Gedicht: In Mandschin Dal nee Dat de Meint da kickt, As 'ne Dirn awern Tun, de sick griene, Ehr Hochtidslinn uppe Biel hett prickt Un ehr Hemd tivelt uppe Lin. Dill Dorp liggt still up de nine Plan, As Marken in't Krüinmstroh; Un det da kreigen nich en Hahn, Denn müsst keen Aiinsch dat jo. Un gnug da nich noch rund 'ne Lundt, Bi VehhuS laut de Damen, — Harr Fadenholt de Hof mi ducht Un de Katers utrnrt Stamm. ^) Achte in 't Holt (S. 70) vergleicht den Wald mit einer Kirche. Die Bäume stehen und schweigen, wie wenn von seiner Kanzel der Priester heruntersteige und nun vor dem Altar steht und singt: das ist die süße Nachtigall, deren Lied so das Herz ergreift, daß man still beten möchte; durch die Kronen der hohen alten Eichen aber geht es „as Kur un Orgelton." Ähnlich giebt Mirrn inne Nacht einen Cyklus von vierzehn kleinen, zweistrophigen Liedern und Bildern, in deren Mittelpunkt die Nacht mit ihrem düstern, geheimnis¬ vollen Zauber steht. Die gleiche Färbung und der gleiche Rhythmus wirken etwas eintönig und einschläfernd, was jedoch beabsichtigt sein mag; sonst würde man sich vielleicht hie und da an Klaus Groths Dünjens (Schnurren, dann kleine Lieder) erinnert fühlen. Aber Brinckman hat auch frische, lustige Stimmungsbilder, und gerade der oben so feierlich geschilderte Wald hat ihn auch zu einem allerliebsten Scherzgedicht angeregt, das uns in vortrefflicher Lautmalerei ein prächtiges Waldkonzert bietet: *) Deck ---- Nebel; sick griene ----- sich freut; Biel ----- Bleiche! prickelt ----- mit kleinen Pflöcken feststeck«»; locken ----- bleichen (eigentlich waschen); Krümmstroh ----kürzeres Stroh zum streuen; Lundt ------ Licht, Laterne; utrart ----- ausgerodet.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/133>, abgerufen am 17.06.2024.