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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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John Brinckman
Grotmüler
[Beginn Spaltensatz] In 't Holt da de Grotmüler,
Wild dew de da to Kop?
Kukuk un Vagel Vülow,
De zcmstern sick tohop. De krakeln sick tosamen,
Wen beler um se kaun;
Un wenn to Emil se kamen,
Denn fang' se wedder um. Kukuk! Kukuk! so treibt dat,
Kukuk! Kukuk! -- denn so
Eens Bü--bli--bülow! sicut dat,
Bü--biilow! Bü--bülow. [Spaltenumbruch] De Kukuk habt nich sivegcn,
szndd girr tut letzte Wurt;
He hett sick hcesch all schregeu
Un kukukt ümmcr furt. Dat fehlt man, den de Heister noch
Tschartt luankedörch, tschitscharkt;
Rurdunk, Dompap un Kreis se noch
Damnuk torre, schallt un karkt. Dat fehlt mau, dat Qnndux un Pogg
Ju Brok damankeu auakt, --
Dein, wiren se doch all in'n Tog,
De tut Vcrgnögeu malt. [Ende Spaltensatz] De bogen Vom, de schurrn
Ehr Kopp verdreetlich all,
As wenn se too noch würru
Wenn dat nich uphürt halt.*)

Auch aus dem Landleben zur Zeit der Ernte erhalten wir ein hübsches Genre¬
bild in Achte de Hock: der Mäher hat es sich mit seiner Grete hinter einem
Garbenstand bequem gemacht und verzehrt dort, gegen Wind und Sonne ge¬
schützt, zunächst sein Mittagbrot, nachher entwickelt sich eine kleine Liebesszeue:
Un fühl dat de Lünk (Sperling) ok, de lacht sick deibl und denkt sacht: dat
kürr 'k (könnte ich) noch flinker as ji (ihr)! Den Abendfrieden im Dorf schildert
ein Gedicht, das den Titel Posteljon trägt: der Küster "stößt" die Betglocke
zum Zeichen des Feierabends -- nur ein Kätner dengelt noch seine Sense,
und der Schmied arbeitet noch mit fuukensprühenden Schlägen an einer Egge;
da erklingt plötzlich von der Landstraße her das Lied des Postillons, der von
Schleswig-Holstein stammverwandt, von dem Gesion und den Düppler Schanzen
bläst. Der Ton des Ganzen erinnert an Lcnaus berühmten Postillon; doch ist
das Bild der sabbatlichen Dorfruhe sehr anheimelnd, während der Patriotische
Schluß das Gedicht zugleich in eine höhere Sphäre hebt.

Die drei eigentlichen Meisterstücke Brinckmans aber find: Firabend, Regen-
were (Regenwetter) und De Kronen (Kraniche), die nicht nur wegen ihres
Inhalts und ihres breitern epischen Tones, sondern schon äußerlich wegen
ihres besondern Versmaßes zusammengehören. Sie sind nämlich im fünf¬
füßigen Jambus geschrieben, den Klaus Groth in die plattdeutsche Litteratur



") Grotmüler Großmäuler; to Kop hebben mit einander etwas haben; zcmstern --
zanken; kritteln °- krnkehlen; heesch --- heiser; Heister --- Holzhäher; Nurduitt --- Rohr¬
dommel; Quadux Kröte; Brok ^ Bruch, Sumpf; wireu in'n Tog wären im Zuge;
schurrn ^ schütteln.
John Brinckman
Grotmüler
[Beginn Spaltensatz] In 't Holt da de Grotmüler,
Wild dew de da to Kop?
Kukuk un Vagel Vülow,
De zcmstern sick tohop. De krakeln sick tosamen,
Wen beler um se kaun;
Un wenn to Emil se kamen,
Denn fang' se wedder um. Kukuk! Kukuk! so treibt dat,
Kukuk! Kukuk! — denn so
Eens Bü—bli—bülow! sicut dat,
Bü—biilow! Bü—bülow. [Spaltenumbruch] De Kukuk habt nich sivegcn,
szndd girr tut letzte Wurt;
He hett sick hcesch all schregeu
Un kukukt ümmcr furt. Dat fehlt man, den de Heister noch
Tschartt luankedörch, tschitscharkt;
Rurdunk, Dompap un Kreis se noch
Damnuk torre, schallt un karkt. Dat fehlt mau, dat Qnndux un Pogg
Ju Brok damankeu auakt, —
Dein, wiren se doch all in'n Tog,
De tut Vcrgnögeu malt. [Ende Spaltensatz] De bogen Vom, de schurrn
Ehr Kopp verdreetlich all,
As wenn se too noch würru
Wenn dat nich uphürt halt.*)

Auch aus dem Landleben zur Zeit der Ernte erhalten wir ein hübsches Genre¬
bild in Achte de Hock: der Mäher hat es sich mit seiner Grete hinter einem
Garbenstand bequem gemacht und verzehrt dort, gegen Wind und Sonne ge¬
schützt, zunächst sein Mittagbrot, nachher entwickelt sich eine kleine Liebesszeue:
Un fühl dat de Lünk (Sperling) ok, de lacht sick deibl und denkt sacht: dat
kürr 'k (könnte ich) noch flinker as ji (ihr)! Den Abendfrieden im Dorf schildert
ein Gedicht, das den Titel Posteljon trägt: der Küster „stößt" die Betglocke
zum Zeichen des Feierabends — nur ein Kätner dengelt noch seine Sense,
und der Schmied arbeitet noch mit fuukensprühenden Schlägen an einer Egge;
da erklingt plötzlich von der Landstraße her das Lied des Postillons, der von
Schleswig-Holstein stammverwandt, von dem Gesion und den Düppler Schanzen
bläst. Der Ton des Ganzen erinnert an Lcnaus berühmten Postillon; doch ist
das Bild der sabbatlichen Dorfruhe sehr anheimelnd, während der Patriotische
Schluß das Gedicht zugleich in eine höhere Sphäre hebt.

Die drei eigentlichen Meisterstücke Brinckmans aber find: Firabend, Regen-
were (Regenwetter) und De Kronen (Kraniche), die nicht nur wegen ihres
Inhalts und ihres breitern epischen Tones, sondern schon äußerlich wegen
ihres besondern Versmaßes zusammengehören. Sie sind nämlich im fünf¬
füßigen Jambus geschrieben, den Klaus Groth in die plattdeutsche Litteratur



") Grotmüler Großmäuler; to Kop hebben mit einander etwas haben; zcmstern —
zanken; kritteln °- krnkehlen; heesch --- heiser; Heister --- Holzhäher; Nurduitt --- Rohr¬
dommel; Quadux Kröte; Brok ^ Bruch, Sumpf; wireu in'n Tog wären im Zuge;
schurrn ^ schütteln.
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[0134] John Brinckman Grotmüler In 't Holt da de Grotmüler, Wild dew de da to Kop? Kukuk un Vagel Vülow, De zcmstern sick tohop. De krakeln sick tosamen, Wen beler um se kaun; Un wenn to Emil se kamen, Denn fang' se wedder um. Kukuk! Kukuk! so treibt dat, Kukuk! Kukuk! — denn so Eens Bü—bli—bülow! sicut dat, Bü—biilow! Bü—bülow. De Kukuk habt nich sivegcn, szndd girr tut letzte Wurt; He hett sick hcesch all schregeu Un kukukt ümmcr furt. Dat fehlt man, den de Heister noch Tschartt luankedörch, tschitscharkt; Rurdunk, Dompap un Kreis se noch Damnuk torre, schallt un karkt. Dat fehlt mau, dat Qnndux un Pogg Ju Brok damankeu auakt, — Dein, wiren se doch all in'n Tog, De tut Vcrgnögeu malt. De bogen Vom, de schurrn Ehr Kopp verdreetlich all, As wenn se too noch würru Wenn dat nich uphürt halt.*) Auch aus dem Landleben zur Zeit der Ernte erhalten wir ein hübsches Genre¬ bild in Achte de Hock: der Mäher hat es sich mit seiner Grete hinter einem Garbenstand bequem gemacht und verzehrt dort, gegen Wind und Sonne ge¬ schützt, zunächst sein Mittagbrot, nachher entwickelt sich eine kleine Liebesszeue: Un fühl dat de Lünk (Sperling) ok, de lacht sick deibl und denkt sacht: dat kürr 'k (könnte ich) noch flinker as ji (ihr)! Den Abendfrieden im Dorf schildert ein Gedicht, das den Titel Posteljon trägt: der Küster „stößt" die Betglocke zum Zeichen des Feierabends — nur ein Kätner dengelt noch seine Sense, und der Schmied arbeitet noch mit fuukensprühenden Schlägen an einer Egge; da erklingt plötzlich von der Landstraße her das Lied des Postillons, der von Schleswig-Holstein stammverwandt, von dem Gesion und den Düppler Schanzen bläst. Der Ton des Ganzen erinnert an Lcnaus berühmten Postillon; doch ist das Bild der sabbatlichen Dorfruhe sehr anheimelnd, während der Patriotische Schluß das Gedicht zugleich in eine höhere Sphäre hebt. Die drei eigentlichen Meisterstücke Brinckmans aber find: Firabend, Regen- were (Regenwetter) und De Kronen (Kraniche), die nicht nur wegen ihres Inhalts und ihres breitern epischen Tones, sondern schon äußerlich wegen ihres besondern Versmaßes zusammengehören. Sie sind nämlich im fünf¬ füßigen Jambus geschrieben, den Klaus Groth in die plattdeutsche Litteratur ") Grotmüler Großmäuler; to Kop hebben mit einander etwas haben; zcmstern — zanken; kritteln °- krnkehlen; heesch --- heiser; Heister --- Holzhäher; Nurduitt --- Rohr¬ dommel; Quadux Kröte; Brok ^ Bruch, Sumpf; wireu in'n Tog wären im Zuge; schurrn ^ schütteln.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/134>, abgerufen am 17.06.2024.