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Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr.

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Zur Lage der Lehrer an den höhern Schulen Preußens

macht England das Weltmeer allmählich zu einem englischen See und wird
Gebieter der Zugänge zu den andern Weltteilen. Der Versuch, das englische
Kolonialreich wirtschaftlich eng zusammenzuschließen, ist zwar fürs erste mi߬
lungen. Aber es war der erste Versuch, es werden ohne Zweifel andre folgen,
und je stärker die fremde industrielle Konkurrenz sich entwickeln und auf Eng¬
land drücken wird, um so größere Opfer wird England der Durchführung
dieses Planes bringen. England und seine Kolonien bilden ein Wirtschafts¬
gebiet, das sich selbst wohl genügen konnte. Einmal abgeschlossen, könnte es
ohne einen Kanonenschuß den Handel Westeuropas lahmen. In Nordamerika
wächst ebenfalls die Neigung, sich gegen Europa wirtschaftlich abzuschließen,
sich wenigstens von seiner Industrie unabhängig zu machen. Wie können wir
unter solchen Umständen ruhig daran gehen, unser gesamtes Volksleben völlig
einer auf die Ausfuhr angewiesenen Industrie anzuvertrauen? Während alle
die großen Absatzgebiete, auf die sich unsre Ausfuhr gründet, das Bestreben
zeigen, unsre Ausfuhr zu beschränken, sogar zu bedrohen, soll unsre Volks¬
wirtschaft gänzlich auf diese Ausfuhr angewiesen werden unter Darangabe
selbst der Sicherheit für die Brotnahrung. Das wäre Leichtsinn zu nennen.




Zur Lage der Lehrer an den höhern Schulen Preußens

n diesem Frühjahr sind bei der allgemeinen Gehaltserhöhung in
Preußen auch die Gehalte der Oberlehrer aufgebessert worden.
Von dieser Aufbesserung hat aber nur eine glückliche Minderheit
Vorteil gehabt, nämlich nur die Lehrer an den staatlichen An¬
stalten. Es sind das ungefähr 2200. Die an den nichtstaat¬
lichen Anstalten unterrichtenden 3650 Oberlehrer sind in diese Gehaltsaufbesse-
rnng nicht mit einbegriffen. Zwar sind einzelne Städte von guter Finanzlage
dem Beispiel des Staates gefolgt und haben auch ihren Oberlehrer" vom
1- April dieses Jahres denselben Gehalt bewilligt, aber ihre Zahl ist doch so
gering, daß sie hier nicht in Frage kommen können.

Es hat nun unter den Lehrern der städtischen höhern Schulen eine ge¬
wisse Unruhe Platz gegriffen, denn sie sehen die Kluft der Gehaltsverhältnisse
zwischen den Lehrern an den staatlichen und denen an den städtischen Anstalten
steh immer mehr erweitern. Haben sie doch schon bei den frühern Gehalts¬
erhöhungen, bei der Frage des Wohnungsgeldzuschuffes und der Hinterlassenen-
versorgung jahrelang hinter ihren königlichen Amtsgenossen zurückstehen müssen;


Zur Lage der Lehrer an den höhern Schulen Preußens

macht England das Weltmeer allmählich zu einem englischen See und wird
Gebieter der Zugänge zu den andern Weltteilen. Der Versuch, das englische
Kolonialreich wirtschaftlich eng zusammenzuschließen, ist zwar fürs erste mi߬
lungen. Aber es war der erste Versuch, es werden ohne Zweifel andre folgen,
und je stärker die fremde industrielle Konkurrenz sich entwickeln und auf Eng¬
land drücken wird, um so größere Opfer wird England der Durchführung
dieses Planes bringen. England und seine Kolonien bilden ein Wirtschafts¬
gebiet, das sich selbst wohl genügen konnte. Einmal abgeschlossen, könnte es
ohne einen Kanonenschuß den Handel Westeuropas lahmen. In Nordamerika
wächst ebenfalls die Neigung, sich gegen Europa wirtschaftlich abzuschließen,
sich wenigstens von seiner Industrie unabhängig zu machen. Wie können wir
unter solchen Umständen ruhig daran gehen, unser gesamtes Volksleben völlig
einer auf die Ausfuhr angewiesenen Industrie anzuvertrauen? Während alle
die großen Absatzgebiete, auf die sich unsre Ausfuhr gründet, das Bestreben
zeigen, unsre Ausfuhr zu beschränken, sogar zu bedrohen, soll unsre Volks¬
wirtschaft gänzlich auf diese Ausfuhr angewiesen werden unter Darangabe
selbst der Sicherheit für die Brotnahrung. Das wäre Leichtsinn zu nennen.




Zur Lage der Lehrer an den höhern Schulen Preußens

n diesem Frühjahr sind bei der allgemeinen Gehaltserhöhung in
Preußen auch die Gehalte der Oberlehrer aufgebessert worden.
Von dieser Aufbesserung hat aber nur eine glückliche Minderheit
Vorteil gehabt, nämlich nur die Lehrer an den staatlichen An¬
stalten. Es sind das ungefähr 2200. Die an den nichtstaat¬
lichen Anstalten unterrichtenden 3650 Oberlehrer sind in diese Gehaltsaufbesse-
rnng nicht mit einbegriffen. Zwar sind einzelne Städte von guter Finanzlage
dem Beispiel des Staates gefolgt und haben auch ihren Oberlehrer» vom
1- April dieses Jahres denselben Gehalt bewilligt, aber ihre Zahl ist doch so
gering, daß sie hier nicht in Frage kommen können.

Es hat nun unter den Lehrern der städtischen höhern Schulen eine ge¬
wisse Unruhe Platz gegriffen, denn sie sehen die Kluft der Gehaltsverhältnisse
zwischen den Lehrern an den staatlichen und denen an den städtischen Anstalten
steh immer mehr erweitern. Haben sie doch schon bei den frühern Gehalts¬
erhöhungen, bei der Frage des Wohnungsgeldzuschuffes und der Hinterlassenen-
versorgung jahrelang hinter ihren königlichen Amtsgenossen zurückstehen müssen;


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[0021] Zur Lage der Lehrer an den höhern Schulen Preußens macht England das Weltmeer allmählich zu einem englischen See und wird Gebieter der Zugänge zu den andern Weltteilen. Der Versuch, das englische Kolonialreich wirtschaftlich eng zusammenzuschließen, ist zwar fürs erste mi߬ lungen. Aber es war der erste Versuch, es werden ohne Zweifel andre folgen, und je stärker die fremde industrielle Konkurrenz sich entwickeln und auf Eng¬ land drücken wird, um so größere Opfer wird England der Durchführung dieses Planes bringen. England und seine Kolonien bilden ein Wirtschafts¬ gebiet, das sich selbst wohl genügen konnte. Einmal abgeschlossen, könnte es ohne einen Kanonenschuß den Handel Westeuropas lahmen. In Nordamerika wächst ebenfalls die Neigung, sich gegen Europa wirtschaftlich abzuschließen, sich wenigstens von seiner Industrie unabhängig zu machen. Wie können wir unter solchen Umständen ruhig daran gehen, unser gesamtes Volksleben völlig einer auf die Ausfuhr angewiesenen Industrie anzuvertrauen? Während alle die großen Absatzgebiete, auf die sich unsre Ausfuhr gründet, das Bestreben zeigen, unsre Ausfuhr zu beschränken, sogar zu bedrohen, soll unsre Volks¬ wirtschaft gänzlich auf diese Ausfuhr angewiesen werden unter Darangabe selbst der Sicherheit für die Brotnahrung. Das wäre Leichtsinn zu nennen. Zur Lage der Lehrer an den höhern Schulen Preußens n diesem Frühjahr sind bei der allgemeinen Gehaltserhöhung in Preußen auch die Gehalte der Oberlehrer aufgebessert worden. Von dieser Aufbesserung hat aber nur eine glückliche Minderheit Vorteil gehabt, nämlich nur die Lehrer an den staatlichen An¬ stalten. Es sind das ungefähr 2200. Die an den nichtstaat¬ lichen Anstalten unterrichtenden 3650 Oberlehrer sind in diese Gehaltsaufbesse- rnng nicht mit einbegriffen. Zwar sind einzelne Städte von guter Finanzlage dem Beispiel des Staates gefolgt und haben auch ihren Oberlehrer» vom 1- April dieses Jahres denselben Gehalt bewilligt, aber ihre Zahl ist doch so gering, daß sie hier nicht in Frage kommen können. Es hat nun unter den Lehrern der städtischen höhern Schulen eine ge¬ wisse Unruhe Platz gegriffen, denn sie sehen die Kluft der Gehaltsverhältnisse zwischen den Lehrern an den staatlichen und denen an den städtischen Anstalten steh immer mehr erweitern. Haben sie doch schon bei den frühern Gehalts¬ erhöhungen, bei der Frage des Wohnungsgeldzuschuffes und der Hinterlassenen- versorgung jahrelang hinter ihren königlichen Amtsgenossen zurückstehen müssen;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 56, 1897, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341865_226231/21>, abgerufen am 26.05.2024.