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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Brauchen wir ein deutsches Aolouialheer?

giltigen Bestimmungen erfolgen müsse. In dem Falle einer Mobilmachung werden
die Mannschaften der Flotte, die bei deren Dienst nicht verwandt werden, zur
Verfügung des Kriegsministers gestellt, um in besondre Einheiten formiert und
soweit als möglich unter die Befehle früherer Marineoffiziere gestellt zu werden.
Im Einverständnis mit dem Minister der Kolonien kann der Kriegsminister
in jeder Kolonie Reserveformationen von Eingebornen ausstellen. Das Gesetz
bestimmt endlich, daß die Marinetruppen sowie die aus Eingebornen der
Kolonie formierten Abteilungen von nun an ein Teil der Kolonialnrmec sein
sollen.

Wesentlich anders liegen die Verhältnisse der englischen Kolonialarmee.
Die englischen Kolonien, zu denen man in nnserm Sinne auch Ostindien
rechnen muß, sind bekanntlich größer als das Mutterland, und deshalb ist auch
der größte Teil des englischen Heers zum Dienst in den Kolonien verpflichtet,
sodaß etwa zwei Drittel als Kolonialarmee bezeichnet werden muß/") Der
wesentlichste Unterschied gegenüber unsern Verhältnissen liegt aber darin, daß
die englische Armee auf dem Werbesystem bericht und sich demnach nnr aus
Freiwilligen rekrutiert.

Die gesetzlichen Bestimmungen über die Ableistung des Militärdienstes in
den Kolonien bieten aber gegenwärtig ein gewisses Interesse auch für uns,
da die englische Heeresleitung mit den Anforderungen des Kolvninldienstes
vertrauter ist als die irgend eines andern Landes, und alle Vorschriften und
Einrichtungen als hervorragend praktisch bezeichnet werden dürfen. Die Eng¬
länder wissen die Zwecke der Kolonisation zu vereinigen mit den Interessen
der in den Kolonien zu verwendenden Truppen. Einige der wesentlichen Be¬
stimmungen lassen wir hier folgen: In Friedenszeiten soll grundsätzlich eines
der beideu Bataillone eines Infanterieregiments im Mutterlnude, das andre
außerhalb garnisonieren. Analog verhält es sich bei den Jägerbataillonen,
der Kavallerie und der Artillerie. Die in den Kolonien stehenden Bataillone
werden aller zwölf Jahre abgelöst; die im Mutterlnude bleibenden Abteilungen
haben die Ausbildung der Rekruten zu besorgen und schicken alljährlich den
nötigen Ersatz. Die in Indien dienenden englischen Soldaten sind zu acht¬
jährigen Dienst verpflichtet; jede unnötige Anstrengung wird ihnen aber er¬
spart. Aller innere Dienst, wie Putzen, Reinigen usw., wird von eingebornen
Hilfsmannschaften besorgt, deren Zahl im Bataillon 144 betrügt. Ähnlich
verhält es sich bei den andern Truppen. Elf Kavallerieregimenter sind ständig
in den Kolonien detachiert; sie verfügen über sehr zahlreiche Hilfsmannschafte",
die auch den ganzen Dienst in den Hospitälern und Magazinen besorgen
müssen. Außerdem hat jedes Regiment eine Anzahl junger Burschen zur
Pferdewartung (Aworns).

Die Stärke der aus Eingebornen bestehenden Truppenteile wird auf



Von der aktiven Armee (2014K8 Mann) sind mehr als die Hälfte (etwa 105000 Mann)
in den Kolonien und stehn dort in Verbindung mit der Eingebornentrupve (etwa 255 000 Mann).
Brauchen wir ein deutsches Aolouialheer?

giltigen Bestimmungen erfolgen müsse. In dem Falle einer Mobilmachung werden
die Mannschaften der Flotte, die bei deren Dienst nicht verwandt werden, zur
Verfügung des Kriegsministers gestellt, um in besondre Einheiten formiert und
soweit als möglich unter die Befehle früherer Marineoffiziere gestellt zu werden.
Im Einverständnis mit dem Minister der Kolonien kann der Kriegsminister
in jeder Kolonie Reserveformationen von Eingebornen ausstellen. Das Gesetz
bestimmt endlich, daß die Marinetruppen sowie die aus Eingebornen der
Kolonie formierten Abteilungen von nun an ein Teil der Kolonialnrmec sein
sollen.

Wesentlich anders liegen die Verhältnisse der englischen Kolonialarmee.
Die englischen Kolonien, zu denen man in nnserm Sinne auch Ostindien
rechnen muß, sind bekanntlich größer als das Mutterland, und deshalb ist auch
der größte Teil des englischen Heers zum Dienst in den Kolonien verpflichtet,
sodaß etwa zwei Drittel als Kolonialarmee bezeichnet werden muß/") Der
wesentlichste Unterschied gegenüber unsern Verhältnissen liegt aber darin, daß
die englische Armee auf dem Werbesystem bericht und sich demnach nnr aus
Freiwilligen rekrutiert.

Die gesetzlichen Bestimmungen über die Ableistung des Militärdienstes in
den Kolonien bieten aber gegenwärtig ein gewisses Interesse auch für uns,
da die englische Heeresleitung mit den Anforderungen des Kolvninldienstes
vertrauter ist als die irgend eines andern Landes, und alle Vorschriften und
Einrichtungen als hervorragend praktisch bezeichnet werden dürfen. Die Eng¬
länder wissen die Zwecke der Kolonisation zu vereinigen mit den Interessen
der in den Kolonien zu verwendenden Truppen. Einige der wesentlichen Be¬
stimmungen lassen wir hier folgen: In Friedenszeiten soll grundsätzlich eines
der beideu Bataillone eines Infanterieregiments im Mutterlnude, das andre
außerhalb garnisonieren. Analog verhält es sich bei den Jägerbataillonen,
der Kavallerie und der Artillerie. Die in den Kolonien stehenden Bataillone
werden aller zwölf Jahre abgelöst; die im Mutterlnude bleibenden Abteilungen
haben die Ausbildung der Rekruten zu besorgen und schicken alljährlich den
nötigen Ersatz. Die in Indien dienenden englischen Soldaten sind zu acht¬
jährigen Dienst verpflichtet; jede unnötige Anstrengung wird ihnen aber er¬
spart. Aller innere Dienst, wie Putzen, Reinigen usw., wird von eingebornen
Hilfsmannschaften besorgt, deren Zahl im Bataillon 144 betrügt. Ähnlich
verhält es sich bei den andern Truppen. Elf Kavallerieregimenter sind ständig
in den Kolonien detachiert; sie verfügen über sehr zahlreiche Hilfsmannschafte»,
die auch den ganzen Dienst in den Hospitälern und Magazinen besorgen
müssen. Außerdem hat jedes Regiment eine Anzahl junger Burschen zur
Pferdewartung (Aworns).

Die Stärke der aus Eingebornen bestehenden Truppenteile wird auf



Von der aktiven Armee (2014K8 Mann) sind mehr als die Hälfte (etwa 105000 Mann)
in den Kolonien und stehn dort in Verbindung mit der Eingebornentrupve (etwa 255 000 Mann).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/14>, abgerufen am 16.06.2024.