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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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ZZrcmchen wir em deutsches Rolouialheer?

weiter erhalt. Nach zwanzigjähriger Dienstleistung im Staffkorps hat jeder
Offizier das Recht auf eine Pension, und zwar unabhängig von dem von ihm
bekleideten Grade, im Betrage von 5000 Mark. Nach zU'eiuuddreißigjähriger
Dienstzeit steigt diese Pension ans 14000 Mark, nach achtnnddreißigjähriger
Dienstzeit auf 15000 Mark. Für die Pensionierung der Generale besteh"
besondre, sehr günstige Bestimmungen.

Vergleicht man hiermit die Besoldllugsverhältuisse der eingebornen Offi¬
ziere, so ergiebt sich ein kaum zu erklärender Unterschied. Der älteste Kapitän
-- die höchste Charge, die der Eingeborne erreiche" kann -- erhält nämlich
jährlich mir 2800 Mark; der Leutnant zweiter Klasse nur 1314 Mark. Mau
muß hierbei aber berücksichtigen, daß die Eingebornen sehr wenig Bedürfnisse
haben, daß die Offiziere nicht mit den englischen Offizieren gemeinsam leben,
souderu mit ihren Leuten, und daß der eingeborne Offizier infolgedessen von
seinem Gehalt noch Ersparnisse machen kann, während das Leben der englischen
Offiziere außerordentlich kostspielig ist.

Will man in Deutschland dem Gedanken nu die Schaffung einer Kolvnial-
armee näher treten, so wird man entschieden die Verhältnisse in Frankreich
und in England, ans die wir in Vorstehendem kurz hingewiesen haben, berück¬
sichtigen müssen. Beide Länder, namentlich aber England, haben eingehende
Erfahrungen mit der Verwendung von Truppen in den Kolonien und auch
mit der Kolonisation gemacht, und besonders dies ist mit dem praktischen
Sinne geschehn, der der englischen Nation eigen ist, sobald es sich um eigne
Interessen handelt.

Ob nun Deutschland einer besondern Kolonialnrmee bedarf, das ist die
Frage, die in der letzten Zeit vielfach ausgeworfen und mehrfach in bejahendem
Sinne beantwortet worden ist. Wir haben hierbei hauptsächlich deu bekannten
Aufsatz von H. von Wißmann in der Deutschen Kolvnialzeitung im Auge, der
von zahlreichen deutschen Zeitungen besprochen worden ist. Unstreitig ist Wisz-
mann einer der kompetentesten Beurteiler dieser Frage, aber insofern vielleicht
nicht ganz unparteiisch, als er im Kolonialdienst seinen eigentlichen Beruf ge¬
funden und große Erfolge erzielt hat. Es erscheint demnach sehr begreiflich,
daß er für alles, was mit der Kolonisation und auch mit einer wettern Aus¬
dehnung der Kolonien zusammenhängt, begeistert ist. Unsrer Ansicht nach liegt
die Frage, ob wir wirklich eine ständige Kolonialarinee'schaffen sollen, doch
nicht so einfach und hängt wesentlich mit der Erwägung zusammen, ob sich
Deutschland mit dem bisherigen Kolonialbesitz begnügen oder ihn noch weiter
ausdehnen will. Der Hinweis auf England und Frankreich erscheint uns nicht
ganz richtig, denn England ist an und für sich ein Kolonialreich, d. h. seine
Machtstellung beruht auf seinen außereuropäischen Besitzungen und auf seiner
Flotte, und Frankreich ist durch die Verringerung seiner Macht und seines
Einflusses, die es vor dreißig Jahren in Europa erlitten hat, mehr und mehr
ans die Ausdehnung seiner kolonialen Machtsphüre hingewiesen worden;
durch die Besitzungen in Nordafrika hatte es zudem festen Fuß außerhalb


ZZrcmchen wir em deutsches Rolouialheer?

weiter erhalt. Nach zwanzigjähriger Dienstleistung im Staffkorps hat jeder
Offizier das Recht auf eine Pension, und zwar unabhängig von dem von ihm
bekleideten Grade, im Betrage von 5000 Mark. Nach zU'eiuuddreißigjähriger
Dienstzeit steigt diese Pension ans 14000 Mark, nach achtnnddreißigjähriger
Dienstzeit auf 15000 Mark. Für die Pensionierung der Generale besteh»
besondre, sehr günstige Bestimmungen.

Vergleicht man hiermit die Besoldllugsverhältuisse der eingebornen Offi¬
ziere, so ergiebt sich ein kaum zu erklärender Unterschied. Der älteste Kapitän
— die höchste Charge, die der Eingeborne erreiche» kann — erhält nämlich
jährlich mir 2800 Mark; der Leutnant zweiter Klasse nur 1314 Mark. Mau
muß hierbei aber berücksichtigen, daß die Eingebornen sehr wenig Bedürfnisse
haben, daß die Offiziere nicht mit den englischen Offizieren gemeinsam leben,
souderu mit ihren Leuten, und daß der eingeborne Offizier infolgedessen von
seinem Gehalt noch Ersparnisse machen kann, während das Leben der englischen
Offiziere außerordentlich kostspielig ist.

Will man in Deutschland dem Gedanken nu die Schaffung einer Kolvnial-
armee näher treten, so wird man entschieden die Verhältnisse in Frankreich
und in England, ans die wir in Vorstehendem kurz hingewiesen haben, berück¬
sichtigen müssen. Beide Länder, namentlich aber England, haben eingehende
Erfahrungen mit der Verwendung von Truppen in den Kolonien und auch
mit der Kolonisation gemacht, und besonders dies ist mit dem praktischen
Sinne geschehn, der der englischen Nation eigen ist, sobald es sich um eigne
Interessen handelt.

Ob nun Deutschland einer besondern Kolonialnrmee bedarf, das ist die
Frage, die in der letzten Zeit vielfach ausgeworfen und mehrfach in bejahendem
Sinne beantwortet worden ist. Wir haben hierbei hauptsächlich deu bekannten
Aufsatz von H. von Wißmann in der Deutschen Kolvnialzeitung im Auge, der
von zahlreichen deutschen Zeitungen besprochen worden ist. Unstreitig ist Wisz-
mann einer der kompetentesten Beurteiler dieser Frage, aber insofern vielleicht
nicht ganz unparteiisch, als er im Kolonialdienst seinen eigentlichen Beruf ge¬
funden und große Erfolge erzielt hat. Es erscheint demnach sehr begreiflich,
daß er für alles, was mit der Kolonisation und auch mit einer wettern Aus¬
dehnung der Kolonien zusammenhängt, begeistert ist. Unsrer Ansicht nach liegt
die Frage, ob wir wirklich eine ständige Kolonialarinee'schaffen sollen, doch
nicht so einfach und hängt wesentlich mit der Erwägung zusammen, ob sich
Deutschland mit dem bisherigen Kolonialbesitz begnügen oder ihn noch weiter
ausdehnen will. Der Hinweis auf England und Frankreich erscheint uns nicht
ganz richtig, denn England ist an und für sich ein Kolonialreich, d. h. seine
Machtstellung beruht auf seinen außereuropäischen Besitzungen und auf seiner
Flotte, und Frankreich ist durch die Verringerung seiner Macht und seines
Einflusses, die es vor dreißig Jahren in Europa erlitten hat, mehr und mehr
ans die Ausdehnung seiner kolonialen Machtsphüre hingewiesen worden;
durch die Besitzungen in Nordafrika hatte es zudem festen Fuß außerhalb


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/16>, abgerufen am 16.06.2024.