Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Europas gefaßt, es war durch diese .Kolonien und durch die Ausdehnung
seiner Küsten von jeher auf die Mächtigkeit und Leisen"gsfnhigkeit seiner Flotte
hingewiesen worden.

Anders liegt es in Deutschland. Unsre politische und militärische Macht¬
stellung beruht zunächst auf unserm Landheer; Nur haben verhältnismäßig
nur wenig Küste, und unsre Flotte, der wir unsre volle und warme Sym¬
pathie entgegenbringe!,, ist eine Schöpfung der Neuzeit. Unsre .Kolonien
haben bis jetzt zur Entwicklung und Ausdehnung unsers Handels nud unsers
Nativnalwohlstands nur wenig beigetragen, zur Vermehrung und Befestigung
unsrer politischen Machtstellung und des damit zusammenhängenden Einflusses
nuf die Fragen der Weltpolitik doch nur relativ, d. h. insofern, als wir eben
in Afrika, Asien und in der Südsee gewisse Stützpunkte haben, die uns das
Recht geben, mitzureden, wenn es sich um Fragen der außereuropäische" Welt-
Politik handelt. Wir glaube" aber, offe" gestanden, nicht, daß im deutscheu
Volke große Sympathien für eine Erweiterung unsers Kolonialbesitzes herrschen.
Man sagt sich, daß unsre Beteiligung ein der Aufteilung gewisser außereuro¬
päischer Länder notwendig war um unsrer politischen Stellung und unsers
Politischen Einflusses willen, daß wir auch die Mittel haben müssen, diese
Kolonien gegen innere und äußere Feinde zu halten und zu verteidigen, daß
aber ein Bedürfnis nach weiterer Ausdehnung des Kolonialbesitzes nicht vor¬
liegt. Stellt man sich ans diesen Standpunkt und stimmt man mit ihm überein,
so liegt die Frage nahe, ob nicht für unsre Kolonien in ihrer jetzigen Aus¬
dehnung unsre Schutztruppe genügt -- natürlich im Verein mit der Flotte
und den Marinetruppen --, sodaß eine besondre Kolonialarmee nicht erforder¬
lich wäre. Wir würden diese Frage unbedingt bejahen, wenn es sich um die
afrikanischen Kolonien handelte, und wenn die Verhältnisse unsrer chinesischen
Kolonie so geblieben wären, wie sie bisher waren. Nachdem wir aber die
Erfahrung haben macheu müssen, daß wir an der chinesischen Regierung keinen
Schutz für unsre Interessen, ja nicht einmal eine" friedliche" und ungefähr¬
lichen Nachbar haben, liegeu die Dinge doch anders, auch wenn von einer
Erweiterung des Kolonialbesitzes gar keine Rede sein soll. Über die Mittel,
unsern Besitz zu halten und unsre Landsleute und dere" Interesse" im fernen
Osten zu schützen, müssen wir eben unbedingt verfügen können. Da es sich
jetzt herausgestellt hat, daß die Flotte und die Marinetrnppcn hierzu uicht
misreichen, so wird nichts übrig bleiben, als besondre Kvlvnialtruppen zu for¬
mieren. Mit einer bloßen Schutztruppe, wie in den afrikanischen Kolonien,
ist es in China nicht gethan, wo Nur es nicht mit unorganisierten Feindell
zu thun haben, sondern mit einer ausgebildeten, wohlbewaffneten Armee.

Zur bessern Beurteilung der Sachlage dürfte es angezeigt erscheinen,
einen Blick auf die Starke und Organisation unsrer Schntztruppen zu werfen.
Die erste Kolonialschutztruppe wurde durch Wißmaun geschaffen, nachdem das
Reich den Besitz der Ostafrikanischen Kompagnie übernommen hatte, und diese
Besitzung durch die aufständischen Araber angegriffen wurde. Wißmann warf


Europas gefaßt, es war durch diese .Kolonien und durch die Ausdehnung
seiner Küsten von jeher auf die Mächtigkeit und Leisen»gsfnhigkeit seiner Flotte
hingewiesen worden.

Anders liegt es in Deutschland. Unsre politische und militärische Macht¬
stellung beruht zunächst auf unserm Landheer; Nur haben verhältnismäßig
nur wenig Küste, und unsre Flotte, der wir unsre volle und warme Sym¬
pathie entgegenbringe!,, ist eine Schöpfung der Neuzeit. Unsre .Kolonien
haben bis jetzt zur Entwicklung und Ausdehnung unsers Handels nud unsers
Nativnalwohlstands nur wenig beigetragen, zur Vermehrung und Befestigung
unsrer politischen Machtstellung und des damit zusammenhängenden Einflusses
nuf die Fragen der Weltpolitik doch nur relativ, d. h. insofern, als wir eben
in Afrika, Asien und in der Südsee gewisse Stützpunkte haben, die uns das
Recht geben, mitzureden, wenn es sich um Fragen der außereuropäische» Welt-
Politik handelt. Wir glaube» aber, offe» gestanden, nicht, daß im deutscheu
Volke große Sympathien für eine Erweiterung unsers Kolonialbesitzes herrschen.
Man sagt sich, daß unsre Beteiligung ein der Aufteilung gewisser außereuro¬
päischer Länder notwendig war um unsrer politischen Stellung und unsers
Politischen Einflusses willen, daß wir auch die Mittel haben müssen, diese
Kolonien gegen innere und äußere Feinde zu halten und zu verteidigen, daß
aber ein Bedürfnis nach weiterer Ausdehnung des Kolonialbesitzes nicht vor¬
liegt. Stellt man sich ans diesen Standpunkt und stimmt man mit ihm überein,
so liegt die Frage nahe, ob nicht für unsre Kolonien in ihrer jetzigen Aus¬
dehnung unsre Schutztruppe genügt — natürlich im Verein mit der Flotte
und den Marinetruppen —, sodaß eine besondre Kolonialarmee nicht erforder¬
lich wäre. Wir würden diese Frage unbedingt bejahen, wenn es sich um die
afrikanischen Kolonien handelte, und wenn die Verhältnisse unsrer chinesischen
Kolonie so geblieben wären, wie sie bisher waren. Nachdem wir aber die
Erfahrung haben macheu müssen, daß wir an der chinesischen Regierung keinen
Schutz für unsre Interessen, ja nicht einmal eine» friedliche» und ungefähr¬
lichen Nachbar haben, liegeu die Dinge doch anders, auch wenn von einer
Erweiterung des Kolonialbesitzes gar keine Rede sein soll. Über die Mittel,
unsern Besitz zu halten und unsre Landsleute und dere» Interesse» im fernen
Osten zu schützen, müssen wir eben unbedingt verfügen können. Da es sich
jetzt herausgestellt hat, daß die Flotte und die Marinetrnppcn hierzu uicht
misreichen, so wird nichts übrig bleiben, als besondre Kvlvnialtruppen zu for¬
mieren. Mit einer bloßen Schutztruppe, wie in den afrikanischen Kolonien,
ist es in China nicht gethan, wo Nur es nicht mit unorganisierten Feindell
zu thun haben, sondern mit einer ausgebildeten, wohlbewaffneten Armee.

Zur bessern Beurteilung der Sachlage dürfte es angezeigt erscheinen,
einen Blick auf die Starke und Organisation unsrer Schntztruppen zu werfen.
Die erste Kolonialschutztruppe wurde durch Wißmaun geschaffen, nachdem das
Reich den Besitz der Ostafrikanischen Kompagnie übernommen hatte, und diese
Besitzung durch die aufständischen Araber angegriffen wurde. Wißmann warf


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291094"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_21" prev="#ID_20"> Europas gefaßt, es war durch diese .Kolonien und durch die Ausdehnung<lb/>
seiner Küsten von jeher auf die Mächtigkeit und Leisen»gsfnhigkeit seiner Flotte<lb/>
hingewiesen worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_22"> Anders liegt es in Deutschland. Unsre politische und militärische Macht¬<lb/>
stellung beruht zunächst auf unserm Landheer; Nur haben verhältnismäßig<lb/>
nur wenig Küste, und unsre Flotte, der wir unsre volle und warme Sym¬<lb/>
pathie entgegenbringe!,, ist eine Schöpfung der Neuzeit. Unsre .Kolonien<lb/>
haben bis jetzt zur Entwicklung und Ausdehnung unsers Handels nud unsers<lb/>
Nativnalwohlstands nur wenig beigetragen, zur Vermehrung und Befestigung<lb/>
unsrer politischen Machtstellung und des damit zusammenhängenden Einflusses<lb/>
nuf die Fragen der Weltpolitik doch nur relativ, d. h. insofern, als wir eben<lb/>
in Afrika, Asien und in der Südsee gewisse Stützpunkte haben, die uns das<lb/>
Recht geben, mitzureden, wenn es sich um Fragen der außereuropäische» Welt-<lb/>
Politik handelt. Wir glaube» aber, offe» gestanden, nicht, daß im deutscheu<lb/>
Volke große Sympathien für eine Erweiterung unsers Kolonialbesitzes herrschen.<lb/>
Man sagt sich, daß unsre Beteiligung ein der Aufteilung gewisser außereuro¬<lb/>
päischer Länder notwendig war um unsrer politischen Stellung und unsers<lb/>
Politischen Einflusses willen, daß wir auch die Mittel haben müssen, diese<lb/>
Kolonien gegen innere und äußere Feinde zu halten und zu verteidigen, daß<lb/>
aber ein Bedürfnis nach weiterer Ausdehnung des Kolonialbesitzes nicht vor¬<lb/>
liegt. Stellt man sich ans diesen Standpunkt und stimmt man mit ihm überein,<lb/>
so liegt die Frage nahe, ob nicht für unsre Kolonien in ihrer jetzigen Aus¬<lb/>
dehnung unsre Schutztruppe genügt &#x2014; natürlich im Verein mit der Flotte<lb/>
und den Marinetruppen &#x2014;, sodaß eine besondre Kolonialarmee nicht erforder¬<lb/>
lich wäre. Wir würden diese Frage unbedingt bejahen, wenn es sich um die<lb/>
afrikanischen Kolonien handelte, und wenn die Verhältnisse unsrer chinesischen<lb/>
Kolonie so geblieben wären, wie sie bisher waren. Nachdem wir aber die<lb/>
Erfahrung haben macheu müssen, daß wir an der chinesischen Regierung keinen<lb/>
Schutz für unsre Interessen, ja nicht einmal eine» friedliche» und ungefähr¬<lb/>
lichen Nachbar haben, liegeu die Dinge doch anders, auch wenn von einer<lb/>
Erweiterung des Kolonialbesitzes gar keine Rede sein soll. Über die Mittel,<lb/>
unsern Besitz zu halten und unsre Landsleute und dere» Interesse» im fernen<lb/>
Osten zu schützen, müssen wir eben unbedingt verfügen können. Da es sich<lb/>
jetzt herausgestellt hat, daß die Flotte und die Marinetrnppcn hierzu uicht<lb/>
misreichen, so wird nichts übrig bleiben, als besondre Kvlvnialtruppen zu for¬<lb/>
mieren. Mit einer bloßen Schutztruppe, wie in den afrikanischen Kolonien,<lb/>
ist es in China nicht gethan, wo Nur es nicht mit unorganisierten Feindell<lb/>
zu thun haben, sondern mit einer ausgebildeten, wohlbewaffneten Armee.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_23" next="#ID_24"> Zur bessern Beurteilung der Sachlage dürfte es angezeigt erscheinen,<lb/>
einen Blick auf die Starke und Organisation unsrer Schntztruppen zu werfen.<lb/>
Die erste Kolonialschutztruppe wurde durch Wißmaun geschaffen, nachdem das<lb/>
Reich den Besitz der Ostafrikanischen Kompagnie übernommen hatte, und diese<lb/>
Besitzung durch die aufständischen Araber angegriffen wurde.  Wißmann warf</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0017] Europas gefaßt, es war durch diese .Kolonien und durch die Ausdehnung seiner Küsten von jeher auf die Mächtigkeit und Leisen»gsfnhigkeit seiner Flotte hingewiesen worden. Anders liegt es in Deutschland. Unsre politische und militärische Macht¬ stellung beruht zunächst auf unserm Landheer; Nur haben verhältnismäßig nur wenig Küste, und unsre Flotte, der wir unsre volle und warme Sym¬ pathie entgegenbringe!,, ist eine Schöpfung der Neuzeit. Unsre .Kolonien haben bis jetzt zur Entwicklung und Ausdehnung unsers Handels nud unsers Nativnalwohlstands nur wenig beigetragen, zur Vermehrung und Befestigung unsrer politischen Machtstellung und des damit zusammenhängenden Einflusses nuf die Fragen der Weltpolitik doch nur relativ, d. h. insofern, als wir eben in Afrika, Asien und in der Südsee gewisse Stützpunkte haben, die uns das Recht geben, mitzureden, wenn es sich um Fragen der außereuropäische» Welt- Politik handelt. Wir glaube» aber, offe» gestanden, nicht, daß im deutscheu Volke große Sympathien für eine Erweiterung unsers Kolonialbesitzes herrschen. Man sagt sich, daß unsre Beteiligung ein der Aufteilung gewisser außereuro¬ päischer Länder notwendig war um unsrer politischen Stellung und unsers Politischen Einflusses willen, daß wir auch die Mittel haben müssen, diese Kolonien gegen innere und äußere Feinde zu halten und zu verteidigen, daß aber ein Bedürfnis nach weiterer Ausdehnung des Kolonialbesitzes nicht vor¬ liegt. Stellt man sich ans diesen Standpunkt und stimmt man mit ihm überein, so liegt die Frage nahe, ob nicht für unsre Kolonien in ihrer jetzigen Aus¬ dehnung unsre Schutztruppe genügt — natürlich im Verein mit der Flotte und den Marinetruppen —, sodaß eine besondre Kolonialarmee nicht erforder¬ lich wäre. Wir würden diese Frage unbedingt bejahen, wenn es sich um die afrikanischen Kolonien handelte, und wenn die Verhältnisse unsrer chinesischen Kolonie so geblieben wären, wie sie bisher waren. Nachdem wir aber die Erfahrung haben macheu müssen, daß wir an der chinesischen Regierung keinen Schutz für unsre Interessen, ja nicht einmal eine» friedliche» und ungefähr¬ lichen Nachbar haben, liegeu die Dinge doch anders, auch wenn von einer Erweiterung des Kolonialbesitzes gar keine Rede sein soll. Über die Mittel, unsern Besitz zu halten und unsre Landsleute und dere» Interesse» im fernen Osten zu schützen, müssen wir eben unbedingt verfügen können. Da es sich jetzt herausgestellt hat, daß die Flotte und die Marinetrnppcn hierzu uicht misreichen, so wird nichts übrig bleiben, als besondre Kvlvnialtruppen zu for¬ mieren. Mit einer bloßen Schutztruppe, wie in den afrikanischen Kolonien, ist es in China nicht gethan, wo Nur es nicht mit unorganisierten Feindell zu thun haben, sondern mit einer ausgebildeten, wohlbewaffneten Armee. Zur bessern Beurteilung der Sachlage dürfte es angezeigt erscheinen, einen Blick auf die Starke und Organisation unsrer Schntztruppen zu werfen. Die erste Kolonialschutztruppe wurde durch Wißmaun geschaffen, nachdem das Reich den Besitz der Ostafrikanischen Kompagnie übernommen hatte, und diese Besitzung durch die aufständischen Araber angegriffen wurde. Wißmann warf

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/17
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/17>, abgerufen am 16.06.2024.