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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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Der Posener Schnlstreit

schon in der vaterländischen Armee eine Zeit lang gedient haben, und einem
Manuschaftsbestand zu einem Drittel etwa aus Deutschen (Kapitulanten), zu
zwei Dritteln aus Eingebornen ebenso wünschenswert wie notwendig.

Wie stark diese Kolomaltruppe zu machen wäre, würde sich wohl haupt¬
sächlich aus dem Ausgang der jetzigen Verhältnisse und Ereignisse in China
ergeben. Was wir aber als dringenden Wunsch aussprechen möchten, das ist,
daß diese Kolonialtruppe nicht in der Art der französischen Fremdenlegion als
eine Strafabteiluug oder als ein Ablagernngsplatz für zweifelhafte und ge¬
scheiterte Existenzen betrachtet werde, sondern daß man das Beste für gut
genug hierfür halte. Die deutscheu Kolonialtruppen sollen dann nicht nur
"Kriegsknechte" sein, sondern Pioniere der Gesittung, des Deutschtums nud
des Christentums. Die Anforderungen, die die Schutztruppenordnung an die
einzustellenden Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften macht (absolute Zu¬
verlässigkeit, solider Lebenswandel, ruhiger, fester Charakter, klares Urteil,
Sicherheit und Festigkeit im Entschluß usw.), sollen auch an die Kolomaltruppe"
gestellt werden. Nächstdem möchten wir aber noch verlangen, daß sich die
Offiziere vor ihrem Eintritt in die Kolonialtruppe schon mit der Landessprache
müssen vertraut gemacht haben, wie das in England verlangt wird.

Eine wichtige Frage dürfte es sein, ob man die Niederlassung und An-
siedlung der ausgedienter Soldaten in Ostasien ins Auge fassen und erleichtern
solle. Unsrer Ansicht nach würde sich das empfehlen. Das Reich sollte eine
derartige Kolonisierung dnrch ordentliche fleißige ausgediente Soldaten in jeder
Weise, auch pekuniär, erleichtern. Man würde sich dadurch zugleich eine
Neservetruppe schaffe,,, eine Stütze und Hilfe für unsre kaufmännischen Nieder-
lassungen und Unternehmungen. Wir sollten meinen, daß durch solche Kolo¬
nisation auch eine sehr wertvolle Basis für die Missiousarbeit geschaffen werden
kö v. w. nnte.




Der posener schnlstreit
i

le Verfügung der Negierung in Posen, die den katholischen
Religionsunterricht in den Volksschulen der Stadt Posen auf
deutsche Grundlage stellt, hat der Tagespresse Anlaß zu lebhaften
Auseinandersetzungen gegeben und die Gemüter in große Auf¬
regung versetzt. Klagen und Drohungen, die an die Zeiten des
sogenannten Kulturkampfs erinnern, sind in leidenschaftlichen Äußerungen,
unmerklich der polenfreundlichen Presse, lant geworden, und weitgehende Be¬
fürchtungen ans der einen, Hoffnungen ans der andern Seite sind nu die viel-


Grmzboten IV 1900 2
Der Posener Schnlstreit

schon in der vaterländischen Armee eine Zeit lang gedient haben, und einem
Manuschaftsbestand zu einem Drittel etwa aus Deutschen (Kapitulanten), zu
zwei Dritteln aus Eingebornen ebenso wünschenswert wie notwendig.

Wie stark diese Kolomaltruppe zu machen wäre, würde sich wohl haupt¬
sächlich aus dem Ausgang der jetzigen Verhältnisse und Ereignisse in China
ergeben. Was wir aber als dringenden Wunsch aussprechen möchten, das ist,
daß diese Kolonialtruppe nicht in der Art der französischen Fremdenlegion als
eine Strafabteiluug oder als ein Ablagernngsplatz für zweifelhafte und ge¬
scheiterte Existenzen betrachtet werde, sondern daß man das Beste für gut
genug hierfür halte. Die deutscheu Kolonialtruppen sollen dann nicht nur
„Kriegsknechte" sein, sondern Pioniere der Gesittung, des Deutschtums nud
des Christentums. Die Anforderungen, die die Schutztruppenordnung an die
einzustellenden Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften macht (absolute Zu¬
verlässigkeit, solider Lebenswandel, ruhiger, fester Charakter, klares Urteil,
Sicherheit und Festigkeit im Entschluß usw.), sollen auch an die Kolomaltruppe»
gestellt werden. Nächstdem möchten wir aber noch verlangen, daß sich die
Offiziere vor ihrem Eintritt in die Kolonialtruppe schon mit der Landessprache
müssen vertraut gemacht haben, wie das in England verlangt wird.

Eine wichtige Frage dürfte es sein, ob man die Niederlassung und An-
siedlung der ausgedienter Soldaten in Ostasien ins Auge fassen und erleichtern
solle. Unsrer Ansicht nach würde sich das empfehlen. Das Reich sollte eine
derartige Kolonisierung dnrch ordentliche fleißige ausgediente Soldaten in jeder
Weise, auch pekuniär, erleichtern. Man würde sich dadurch zugleich eine
Neservetruppe schaffe,,, eine Stütze und Hilfe für unsre kaufmännischen Nieder-
lassungen und Unternehmungen. Wir sollten meinen, daß durch solche Kolo¬
nisation auch eine sehr wertvolle Basis für die Missiousarbeit geschaffen werden
kö v. w. nnte.




Der posener schnlstreit
i

le Verfügung der Negierung in Posen, die den katholischen
Religionsunterricht in den Volksschulen der Stadt Posen auf
deutsche Grundlage stellt, hat der Tagespresse Anlaß zu lebhaften
Auseinandersetzungen gegeben und die Gemüter in große Auf¬
regung versetzt. Klagen und Drohungen, die an die Zeiten des
sogenannten Kulturkampfs erinnern, sind in leidenschaftlichen Äußerungen,
unmerklich der polenfreundlichen Presse, lant geworden, und weitgehende Be¬
fürchtungen ans der einen, Hoffnungen ans der andern Seite sind nu die viel-


Grmzboten IV 1900 2
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/19>, abgerufen am 16.06.2024.