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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

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rissen mag ja allerdings vorhanden sein; aber er ist nur ganz äußerlicher Art
und besteht darin, daß die Regierung als Zeitpunkt für die Ausführung der
längst für notwendig erkannten Maßregel die Vereinigung dieser Landgemeinden
mit der Stadt Posen wählte. Die Maßregel selber wäre aber ohne diese Ver¬
änderung der kommunalen Beziehungen ebenso notwendig gewesen. Aus zwei
Gründen, Den einen haben wir schon angeführt. Die polnischen Kinder der
Posener Schulen waren in der Kenntnis des Deutschen so weit vorgeschritten,
daß sie den Religionsunterricht in deutscher Sprache erhalten konnten. Des¬
halb mußte uach der Bestimmung des Oberpräsidialerlasses die deutsche Unter¬
richtssprache eingeführt werden, sobald der Erlaß, dessen Ausführung jahrelang
sistiert gewesen war, wieder in Kraft treten konnte. Der andre Grund lag
in den Schnlverhültnissen der Vororte und in den Beziehungen der Vorort-
schulcn zu den Stadtschulen. Während in der Stadt Posen sowohl polnischer
als auch deutscher Religionsunterricht, je nach der Muttersprache der Kinder,
erteilt wurde, waren die Schulen der drei Dörfer längst auf deutsche Grund¬
lage gestellt, wenigstens auf der Mittelstufe und auf der Oberstufe. Hier gab
es keine polnische Religionsabteilnng. Verzogen nun Kinder polnischer Zunge
aus der Stadt nach einem dieser Vororte, so mußten sie fortan um dem deutschen
Religionsunterricht teilnehmen. Das war aber nicht nur für die Kinder,
sondern auch für die deutscheu Schulen eine große Last. Jeue konnten dem
deutschen Religionsunterrichte nicht leicht und schnell genug folgen, weil sie
bisher den ganzen religiösen Memorierstoff in polnischer Sprache gelernt hatten.
Sie waren deshalb selbstverständlich ein Hemmschuh für die Fortschritte der
alten Schüler und machten den Lehrern viel Mühe und Arbeit. Diesem
Übelstande konnte wirksam nur dadurch abgeholfen werden, daß die Schulen
in der Stadt und in den Vororten, zwischen denen ein häufiger Schülerwechsel
stattfindet, im Religionsunterricht auf gleichen Fuß gestellt wurden, d. h. daß
auch in der Stadt Posen der Unterricht nur in deutscher Sprache erteilt wurde.
Der Unterrichtsminister ist deshalb mit Unrecht angegriffen worden, wenn ge¬
sagt worden ist, er habe durch die Erklärung in der Norddeutschen Allgemeinen
die Bedeutung der aus schulpolitischeu Gründen erfolgten Anordnung ab¬
schwächen wollen, indem er sie auf bloße schultechnische Zweckmäßigkeitsgründe
zurückzuführen versuchte. Das Nichtige an der Sache ist, daß sich schul¬
politische und Zweckmäßigkeitsgründe begegneten und mit gleichem Nachdruck
die Maßregel forderten, die die Negierung in Posen ausgeführt hat, und die
Regierung hat nicht den geringsten Grund, ihre Anordnung nach der einen
oder der andern Seite zu beschönigen. Sie hat mir gethan, was ihre
Pflicht war.

Noch in andrer Hinsicht wird der Posener Verfügung in der Tagespresse
eine Bedeutung beigemessen, die ihr nicht zukommt. Die Zentrnmsblättcr be¬
zeichnen es als unerhört, daß eine so wichtige Maßregel erlassen worden ist
ohne die Zustimmung des Erzbischofs. War in den ersten Erörterungen nur
dem Befremden Ausdruck gegeben worden, daß die Regierung deu Erzbischof


Der pe>s>!leer Schnlstreit

rissen mag ja allerdings vorhanden sein; aber er ist nur ganz äußerlicher Art
und besteht darin, daß die Regierung als Zeitpunkt für die Ausführung der
längst für notwendig erkannten Maßregel die Vereinigung dieser Landgemeinden
mit der Stadt Posen wählte. Die Maßregel selber wäre aber ohne diese Ver¬
änderung der kommunalen Beziehungen ebenso notwendig gewesen. Aus zwei
Gründen, Den einen haben wir schon angeführt. Die polnischen Kinder der
Posener Schulen waren in der Kenntnis des Deutschen so weit vorgeschritten,
daß sie den Religionsunterricht in deutscher Sprache erhalten konnten. Des¬
halb mußte uach der Bestimmung des Oberpräsidialerlasses die deutsche Unter¬
richtssprache eingeführt werden, sobald der Erlaß, dessen Ausführung jahrelang
sistiert gewesen war, wieder in Kraft treten konnte. Der andre Grund lag
in den Schnlverhültnissen der Vororte und in den Beziehungen der Vorort-
schulcn zu den Stadtschulen. Während in der Stadt Posen sowohl polnischer
als auch deutscher Religionsunterricht, je nach der Muttersprache der Kinder,
erteilt wurde, waren die Schulen der drei Dörfer längst auf deutsche Grund¬
lage gestellt, wenigstens auf der Mittelstufe und auf der Oberstufe. Hier gab
es keine polnische Religionsabteilnng. Verzogen nun Kinder polnischer Zunge
aus der Stadt nach einem dieser Vororte, so mußten sie fortan um dem deutschen
Religionsunterricht teilnehmen. Das war aber nicht nur für die Kinder,
sondern auch für die deutscheu Schulen eine große Last. Jeue konnten dem
deutschen Religionsunterrichte nicht leicht und schnell genug folgen, weil sie
bisher den ganzen religiösen Memorierstoff in polnischer Sprache gelernt hatten.
Sie waren deshalb selbstverständlich ein Hemmschuh für die Fortschritte der
alten Schüler und machten den Lehrern viel Mühe und Arbeit. Diesem
Übelstande konnte wirksam nur dadurch abgeholfen werden, daß die Schulen
in der Stadt und in den Vororten, zwischen denen ein häufiger Schülerwechsel
stattfindet, im Religionsunterricht auf gleichen Fuß gestellt wurden, d. h. daß
auch in der Stadt Posen der Unterricht nur in deutscher Sprache erteilt wurde.
Der Unterrichtsminister ist deshalb mit Unrecht angegriffen worden, wenn ge¬
sagt worden ist, er habe durch die Erklärung in der Norddeutschen Allgemeinen
die Bedeutung der aus schulpolitischeu Gründen erfolgten Anordnung ab¬
schwächen wollen, indem er sie auf bloße schultechnische Zweckmäßigkeitsgründe
zurückzuführen versuchte. Das Nichtige an der Sache ist, daß sich schul¬
politische und Zweckmäßigkeitsgründe begegneten und mit gleichem Nachdruck
die Maßregel forderten, die die Negierung in Posen ausgeführt hat, und die
Regierung hat nicht den geringsten Grund, ihre Anordnung nach der einen
oder der andern Seite zu beschönigen. Sie hat mir gethan, was ihre
Pflicht war.

Noch in andrer Hinsicht wird der Posener Verfügung in der Tagespresse
eine Bedeutung beigemessen, die ihr nicht zukommt. Die Zentrnmsblättcr be¬
zeichnen es als unerhört, daß eine so wichtige Maßregel erlassen worden ist
ohne die Zustimmung des Erzbischofs. War in den ersten Erörterungen nur
dem Befremden Ausdruck gegeben worden, daß die Regierung deu Erzbischof


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/22>, abgerufen am 16.06.2024.