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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Philipp Jakob Spener

Jmhof in seinem Oxsrs (ZÄlIioo guten Raths erholet." Zunächst etwas Neben¬
sächlicheres! Der Appendix über das Haus Chastillon ist, ebenso wie einige
andre Appendices, scheinbar gar nicht von Spener, sondern von dem Heraus-
geber Franckenstein. Und gerade das ist die Bosheit in der Hühnerfeder
Kritik: was Spener gemacht hat, taugt nichts, das Gute ist von Francken¬
stein. Nun aber das Grotesk-Komische an der Äußerung Hübners. Das Werk
des berühmten Genealogen Jmhof, das Hübner bei seinem Vergleiche im Auge
hat, heißt (?c!Nög1c>a'las exosllgntiunr in (Zslli-i lÄinilmrmri und ist zu Nürnberg
im Jahre 1687, also zwei Jahre vor den Spenerschen Kinkens stirxss er¬
schienen. Es sind darin die Genealogien von 95 berühmten französischen Ge¬
schlechtern behandelt. Als nun Franckenstein das Spenersche Werk heraus-
gab, hat er, wie die Vorrede ergiebt, sein besondres Augenmerk darauf gerichtet,
die Familien aus dem Spenerschen Manuskript auszuscheiden, die Jmhof schon
behandelt hatte. Ich habe mir die Mühe genommen, ans beiden Werken, dem
von Jmhof und dem von Spener, ein genaues Verzeichnis der behandelten
Familien auszuziehn und beide miteinander zu vergleichen. Spener hat
85 Familien behandelt. Beiden Werken gemeinsam sind überhaupt nur fünf
Familien: Chabot, Gorrevod, Grauge, Sanecrre und Saint-Gelais, und bei
diesen fttnfen handelt es sich, soweit ich sehen kann, vorwiegend um die Be¬
rücksichtigung verschiedner Linien. Es ist also ganz anders, als Hübner glauben
machen will. Jmhof hat nicht, was man bei Spener findet, und umgekehrt,
und wer ein französisches Geschlecht bei Jmhof nicht findet, thut Wohl, es bei
Spener zu suchen.

Den Jmhof hat der jüngere Hübner gekannt, das ergiebt sich daraus,
daß er ein Verzeichnis der darin enthaltnen Familien aufführt. Die (is-lliav
Ztirxos voll Spener kannte er offenbar nur von Hörensagen. Nicht einmal
die Franckensteiusche Vorrede zu Spener hat er gelesen, sonst Hütte ihm das
thatsächliche Verhältnis nicht entgehn und er nicht eine so thörichte Kritik
schreiben können. Daraus ist zu entnehmen, daß die Kritiker es vor zwei¬
hundert Jahren schon geradeso machten wie heilte. Sie kritisierten Werke nach
Gunst oder Ungunst ganz munter, ohne sie gelesen, geschweige denn studiert
zu haben. Ein flüchtiger Blick, und das Urteil ist fertig.

Sucht man nun zu einem Wohl abgewognen Urteil über die Spenersche
Genealogie berühmter französischer Geschlechter zu gelangen, so muß man offen
zugeben, daß es an das l'nvatruin nodilit^dis ünropvs,6 nicht heranreicht. Es
beruht auf den Werken der großen französischen Genealogen Charles Rene
und Peter d'Hozier, beide leibliche Brüder, Peter gestorben 1660, Andre du
Chesne, f 1640, Guichcnon, f 1664. des Pere Anselme, 1694, und vieler
andrer, kurz der gauzeu großartigen genealogischen Litteratur des siebzehnten
Jahrhunderts in Frankreich. Daraus wollte Spener ein handliches Nach¬
schlagebuch zusammenstellen, und das hat er auch erreicht. Die Quellen sind
überall angegeben. Etwas andres ist auch Jmhoff Ägllia nicht, und beide
Werke ergänzen sich in der glücklichsten Weise. Erstaunlich ist auch hier wieder


Philipp Jakob Spener

Jmhof in seinem Oxsrs (ZÄlIioo guten Raths erholet." Zunächst etwas Neben¬
sächlicheres! Der Appendix über das Haus Chastillon ist, ebenso wie einige
andre Appendices, scheinbar gar nicht von Spener, sondern von dem Heraus-
geber Franckenstein. Und gerade das ist die Bosheit in der Hühnerfeder
Kritik: was Spener gemacht hat, taugt nichts, das Gute ist von Francken¬
stein. Nun aber das Grotesk-Komische an der Äußerung Hübners. Das Werk
des berühmten Genealogen Jmhof, das Hübner bei seinem Vergleiche im Auge
hat, heißt (?c!Nög1c>a'las exosllgntiunr in (Zslli-i lÄinilmrmri und ist zu Nürnberg
im Jahre 1687, also zwei Jahre vor den Spenerschen Kinkens stirxss er¬
schienen. Es sind darin die Genealogien von 95 berühmten französischen Ge¬
schlechtern behandelt. Als nun Franckenstein das Spenersche Werk heraus-
gab, hat er, wie die Vorrede ergiebt, sein besondres Augenmerk darauf gerichtet,
die Familien aus dem Spenerschen Manuskript auszuscheiden, die Jmhof schon
behandelt hatte. Ich habe mir die Mühe genommen, ans beiden Werken, dem
von Jmhof und dem von Spener, ein genaues Verzeichnis der behandelten
Familien auszuziehn und beide miteinander zu vergleichen. Spener hat
85 Familien behandelt. Beiden Werken gemeinsam sind überhaupt nur fünf
Familien: Chabot, Gorrevod, Grauge, Sanecrre und Saint-Gelais, und bei
diesen fttnfen handelt es sich, soweit ich sehen kann, vorwiegend um die Be¬
rücksichtigung verschiedner Linien. Es ist also ganz anders, als Hübner glauben
machen will. Jmhof hat nicht, was man bei Spener findet, und umgekehrt,
und wer ein französisches Geschlecht bei Jmhof nicht findet, thut Wohl, es bei
Spener zu suchen.

Den Jmhof hat der jüngere Hübner gekannt, das ergiebt sich daraus,
daß er ein Verzeichnis der darin enthaltnen Familien aufführt. Die (is-lliav
Ztirxos voll Spener kannte er offenbar nur von Hörensagen. Nicht einmal
die Franckensteiusche Vorrede zu Spener hat er gelesen, sonst Hütte ihm das
thatsächliche Verhältnis nicht entgehn und er nicht eine so thörichte Kritik
schreiben können. Daraus ist zu entnehmen, daß die Kritiker es vor zwei¬
hundert Jahren schon geradeso machten wie heilte. Sie kritisierten Werke nach
Gunst oder Ungunst ganz munter, ohne sie gelesen, geschweige denn studiert
zu haben. Ein flüchtiger Blick, und das Urteil ist fertig.

Sucht man nun zu einem Wohl abgewognen Urteil über die Spenersche
Genealogie berühmter französischer Geschlechter zu gelangen, so muß man offen
zugeben, daß es an das l'nvatruin nodilit^dis ünropvs,6 nicht heranreicht. Es
beruht auf den Werken der großen französischen Genealogen Charles Rene
und Peter d'Hozier, beide leibliche Brüder, Peter gestorben 1660, Andre du
Chesne, f 1640, Guichcnon, f 1664. des Pere Anselme, 1694, und vieler
andrer, kurz der gauzeu großartigen genealogischen Litteratur des siebzehnten
Jahrhunderts in Frankreich. Daraus wollte Spener ein handliches Nach¬
schlagebuch zusammenstellen, und das hat er auch erreicht. Die Quellen sind
überall angegeben. Etwas andres ist auch Jmhoff Ägllia nicht, und beide
Werke ergänzen sich in der glücklichsten Weise. Erstaunlich ist auch hier wieder


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[0624] Philipp Jakob Spener Jmhof in seinem Oxsrs (ZÄlIioo guten Raths erholet." Zunächst etwas Neben¬ sächlicheres! Der Appendix über das Haus Chastillon ist, ebenso wie einige andre Appendices, scheinbar gar nicht von Spener, sondern von dem Heraus- geber Franckenstein. Und gerade das ist die Bosheit in der Hühnerfeder Kritik: was Spener gemacht hat, taugt nichts, das Gute ist von Francken¬ stein. Nun aber das Grotesk-Komische an der Äußerung Hübners. Das Werk des berühmten Genealogen Jmhof, das Hübner bei seinem Vergleiche im Auge hat, heißt (?c!Nög1c>a'las exosllgntiunr in (Zslli-i lÄinilmrmri und ist zu Nürnberg im Jahre 1687, also zwei Jahre vor den Spenerschen Kinkens stirxss er¬ schienen. Es sind darin die Genealogien von 95 berühmten französischen Ge¬ schlechtern behandelt. Als nun Franckenstein das Spenersche Werk heraus- gab, hat er, wie die Vorrede ergiebt, sein besondres Augenmerk darauf gerichtet, die Familien aus dem Spenerschen Manuskript auszuscheiden, die Jmhof schon behandelt hatte. Ich habe mir die Mühe genommen, ans beiden Werken, dem von Jmhof und dem von Spener, ein genaues Verzeichnis der behandelten Familien auszuziehn und beide miteinander zu vergleichen. Spener hat 85 Familien behandelt. Beiden Werken gemeinsam sind überhaupt nur fünf Familien: Chabot, Gorrevod, Grauge, Sanecrre und Saint-Gelais, und bei diesen fttnfen handelt es sich, soweit ich sehen kann, vorwiegend um die Be¬ rücksichtigung verschiedner Linien. Es ist also ganz anders, als Hübner glauben machen will. Jmhof hat nicht, was man bei Spener findet, und umgekehrt, und wer ein französisches Geschlecht bei Jmhof nicht findet, thut Wohl, es bei Spener zu suchen. Den Jmhof hat der jüngere Hübner gekannt, das ergiebt sich daraus, daß er ein Verzeichnis der darin enthaltnen Familien aufführt. Die (is-lliav Ztirxos voll Spener kannte er offenbar nur von Hörensagen. Nicht einmal die Franckensteiusche Vorrede zu Spener hat er gelesen, sonst Hütte ihm das thatsächliche Verhältnis nicht entgehn und er nicht eine so thörichte Kritik schreiben können. Daraus ist zu entnehmen, daß die Kritiker es vor zwei¬ hundert Jahren schon geradeso machten wie heilte. Sie kritisierten Werke nach Gunst oder Ungunst ganz munter, ohne sie gelesen, geschweige denn studiert zu haben. Ein flüchtiger Blick, und das Urteil ist fertig. Sucht man nun zu einem Wohl abgewognen Urteil über die Spenersche Genealogie berühmter französischer Geschlechter zu gelangen, so muß man offen zugeben, daß es an das l'nvatruin nodilit^dis ünropvs,6 nicht heranreicht. Es beruht auf den Werken der großen französischen Genealogen Charles Rene und Peter d'Hozier, beide leibliche Brüder, Peter gestorben 1660, Andre du Chesne, f 1640, Guichcnon, f 1664. des Pere Anselme, 1694, und vieler andrer, kurz der gauzeu großartigen genealogischen Litteratur des siebzehnten Jahrhunderts in Frankreich. Daraus wollte Spener ein handliches Nach¬ schlagebuch zusammenstellen, und das hat er auch erreicht. Die Quellen sind überall angegeben. Etwas andres ist auch Jmhoff Ägllia nicht, und beide Werke ergänzen sich in der glücklichsten Weise. Erstaunlich ist auch hier wieder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/624>, abgerufen am 15.06.2024.