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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Philipp Jakob Spener

Speners Belesenheit, seine Kenntnis der ausländischen genealogischen Litteratur,
obwohl mau zugeben muß, daß sie ihm durch seine Reise in Frankreich und
die Freundschaft mit Menestrier offenbar leichter zugänglich war, als vielleicht
jedem andern.

Will man ein Gesamturteil über Spener als Genealogen geben, so kaun
man sagen: als Ahnenforscher war er epochemachend, auch sonst hat er als
Genealoge Tüchtiges geleistet.

Unter seinen heraldischen Schriften ist chronologisch zuerst zu nennen die
Einzelschrift über das sächsische Wappen, erschienen zuerst 1660 (nicht 1668,
wie fast überall zu lesen ist), also von einem Fünfundzwanzigjührigen geschrieben,
zu Frankfurt am Main unter dem Titel: lusiznia sörsuissimÄv k^allen,!
8iZ,xoniag, verbis tvvialiuin MnueiatÄ, se eomiuöutÄrio Instorioo illustrat-j.
Dieses Werk war unstreitig für die Heraldik epochemachend, es eröffnet im
vollste" Sinne eine neue Zeit der heraldischen Wissenschaft, Ani das zu
begründen, muß ich mit wenigen Worten auf das Wappenwesen eingehn. Die
Heraldik ist zugleich Wissenschaft und Kunst. Die heraldische Kunst hat es
mit der den Regeln entsprechenden schönen und geschmackvollen Darstellung
der Wappen zu thun. Heraldischer Künstler ist Spener, soweit ich sehen kann,
nicht gewesen. Heraldischer Gelehrter in desto höherm Grade, Gegenstand
der Heraldischeu Wissenschaft ist es, Wappen richtig festzustellen, sie so klar
und unzweideutig wie möglich, also unter Anwendung einer sachgemäßen
Kunstsprache zu beschreiben, die Regeln der Heraldik zu kennen, worauf hier
nicht näher eingegangen werden kann, die Geschichte des Wappenwesens im
allgemeinen, sodann die Geschichte der einzelnen Wappen zu ergründen und
darzustellen, endlich das Wappenrecht.

Die Hernldiker vor Spener beschäftigten sich im wesentlichen mit der Fest¬
stellung und der Beschreibung der Wappen und schwelgten in deren phantastisch-
nllegorisch-symbolisch-mystischen Auslegung. Es ist schwer, dem, der diese Litte-
ratur der Heraldischeu Auslegerei nicht kennt, einen Begriff von diesem Unsinn
zu gebe". Ein Beispiel aus dem "Heroldsspiel" (Hamburg, 1695) mag zur
Erläuterung dienen. Hier wird gemeldet, die Wecken im Wappen der Herzöge
von Bayern (die jedermann bekannte Figur anch noch des heutigen bahrischeu
Wappens) kämen daher, daß "einstens ein Herr von diesem Hause in einer
Theuerung durch ein Städtgen gezogen, und weil seine Leute vor Geld nicht
viel bekommen mögen, seh er selbst zum Becker gegangen und habe 21 wecken
Kcholet und ihnen gegeben" (Schier, Geschichte der Heraldik, S. 581). Diesem
heraldischen Symbolismus und Mystizismus gab Spener den Todesstoß. "Die
Art und Weise, wie Spener seinen Gegenstand behandelte, war etwas bis
dahin Unerhörtes. Mit der Wappenauslegerei bricht er unbedingt und end
giltig. Er betrachtet die Wappen nach ihren Substraten und Bestandteilen,
bestimmt jedes Feld uach seiner Zugehörigkeit und erläutert es aus der Ge¬
schichte." So wörtlich Seyler, der Historiker der Heraldik. Wappen sind
nicht "ur hübsche bunte Bildchen mit allerlei fabelhaftem und nicht fabelhaftem


Greiizboten I 1901 7L
Philipp Jakob Spener

Speners Belesenheit, seine Kenntnis der ausländischen genealogischen Litteratur,
obwohl mau zugeben muß, daß sie ihm durch seine Reise in Frankreich und
die Freundschaft mit Menestrier offenbar leichter zugänglich war, als vielleicht
jedem andern.

Will man ein Gesamturteil über Spener als Genealogen geben, so kaun
man sagen: als Ahnenforscher war er epochemachend, auch sonst hat er als
Genealoge Tüchtiges geleistet.

Unter seinen heraldischen Schriften ist chronologisch zuerst zu nennen die
Einzelschrift über das sächsische Wappen, erschienen zuerst 1660 (nicht 1668,
wie fast überall zu lesen ist), also von einem Fünfundzwanzigjührigen geschrieben,
zu Frankfurt am Main unter dem Titel: lusiznia sörsuissimÄv k^allen,!
8iZ,xoniag, verbis tvvialiuin MnueiatÄ, se eomiuöutÄrio Instorioo illustrat-j.
Dieses Werk war unstreitig für die Heraldik epochemachend, es eröffnet im
vollste» Sinne eine neue Zeit der heraldischen Wissenschaft, Ani das zu
begründen, muß ich mit wenigen Worten auf das Wappenwesen eingehn. Die
Heraldik ist zugleich Wissenschaft und Kunst. Die heraldische Kunst hat es
mit der den Regeln entsprechenden schönen und geschmackvollen Darstellung
der Wappen zu thun. Heraldischer Künstler ist Spener, soweit ich sehen kann,
nicht gewesen. Heraldischer Gelehrter in desto höherm Grade, Gegenstand
der Heraldischeu Wissenschaft ist es, Wappen richtig festzustellen, sie so klar
und unzweideutig wie möglich, also unter Anwendung einer sachgemäßen
Kunstsprache zu beschreiben, die Regeln der Heraldik zu kennen, worauf hier
nicht näher eingegangen werden kann, die Geschichte des Wappenwesens im
allgemeinen, sodann die Geschichte der einzelnen Wappen zu ergründen und
darzustellen, endlich das Wappenrecht.

Die Hernldiker vor Spener beschäftigten sich im wesentlichen mit der Fest¬
stellung und der Beschreibung der Wappen und schwelgten in deren phantastisch-
nllegorisch-symbolisch-mystischen Auslegung. Es ist schwer, dem, der diese Litte-
ratur der Heraldischeu Auslegerei nicht kennt, einen Begriff von diesem Unsinn
zu gebe». Ein Beispiel aus dem „Heroldsspiel" (Hamburg, 1695) mag zur
Erläuterung dienen. Hier wird gemeldet, die Wecken im Wappen der Herzöge
von Bayern (die jedermann bekannte Figur anch noch des heutigen bahrischeu
Wappens) kämen daher, daß „einstens ein Herr von diesem Hause in einer
Theuerung durch ein Städtgen gezogen, und weil seine Leute vor Geld nicht
viel bekommen mögen, seh er selbst zum Becker gegangen und habe 21 wecken
Kcholet und ihnen gegeben" (Schier, Geschichte der Heraldik, S. 581). Diesem
heraldischen Symbolismus und Mystizismus gab Spener den Todesstoß. „Die
Art und Weise, wie Spener seinen Gegenstand behandelte, war etwas bis
dahin Unerhörtes. Mit der Wappenauslegerei bricht er unbedingt und end
giltig. Er betrachtet die Wappen nach ihren Substraten und Bestandteilen,
bestimmt jedes Feld uach seiner Zugehörigkeit und erläutert es aus der Ge¬
schichte." So wörtlich Seyler, der Historiker der Heraldik. Wappen sind
nicht »ur hübsche bunte Bildchen mit allerlei fabelhaftem und nicht fabelhaftem


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[0625] Philipp Jakob Spener Speners Belesenheit, seine Kenntnis der ausländischen genealogischen Litteratur, obwohl mau zugeben muß, daß sie ihm durch seine Reise in Frankreich und die Freundschaft mit Menestrier offenbar leichter zugänglich war, als vielleicht jedem andern. Will man ein Gesamturteil über Spener als Genealogen geben, so kaun man sagen: als Ahnenforscher war er epochemachend, auch sonst hat er als Genealoge Tüchtiges geleistet. Unter seinen heraldischen Schriften ist chronologisch zuerst zu nennen die Einzelschrift über das sächsische Wappen, erschienen zuerst 1660 (nicht 1668, wie fast überall zu lesen ist), also von einem Fünfundzwanzigjührigen geschrieben, zu Frankfurt am Main unter dem Titel: lusiznia sörsuissimÄv k^allen,! 8iZ,xoniag, verbis tvvialiuin MnueiatÄ, se eomiuöutÄrio Instorioo illustrat-j. Dieses Werk war unstreitig für die Heraldik epochemachend, es eröffnet im vollste» Sinne eine neue Zeit der heraldischen Wissenschaft, Ani das zu begründen, muß ich mit wenigen Worten auf das Wappenwesen eingehn. Die Heraldik ist zugleich Wissenschaft und Kunst. Die heraldische Kunst hat es mit der den Regeln entsprechenden schönen und geschmackvollen Darstellung der Wappen zu thun. Heraldischer Künstler ist Spener, soweit ich sehen kann, nicht gewesen. Heraldischer Gelehrter in desto höherm Grade, Gegenstand der Heraldischeu Wissenschaft ist es, Wappen richtig festzustellen, sie so klar und unzweideutig wie möglich, also unter Anwendung einer sachgemäßen Kunstsprache zu beschreiben, die Regeln der Heraldik zu kennen, worauf hier nicht näher eingegangen werden kann, die Geschichte des Wappenwesens im allgemeinen, sodann die Geschichte der einzelnen Wappen zu ergründen und darzustellen, endlich das Wappenrecht. Die Hernldiker vor Spener beschäftigten sich im wesentlichen mit der Fest¬ stellung und der Beschreibung der Wappen und schwelgten in deren phantastisch- nllegorisch-symbolisch-mystischen Auslegung. Es ist schwer, dem, der diese Litte- ratur der Heraldischeu Auslegerei nicht kennt, einen Begriff von diesem Unsinn zu gebe». Ein Beispiel aus dem „Heroldsspiel" (Hamburg, 1695) mag zur Erläuterung dienen. Hier wird gemeldet, die Wecken im Wappen der Herzöge von Bayern (die jedermann bekannte Figur anch noch des heutigen bahrischeu Wappens) kämen daher, daß „einstens ein Herr von diesem Hause in einer Theuerung durch ein Städtgen gezogen, und weil seine Leute vor Geld nicht viel bekommen mögen, seh er selbst zum Becker gegangen und habe 21 wecken Kcholet und ihnen gegeben" (Schier, Geschichte der Heraldik, S. 581). Diesem heraldischen Symbolismus und Mystizismus gab Spener den Todesstoß. „Die Art und Weise, wie Spener seinen Gegenstand behandelte, war etwas bis dahin Unerhörtes. Mit der Wappenauslegerei bricht er unbedingt und end giltig. Er betrachtet die Wappen nach ihren Substraten und Bestandteilen, bestimmt jedes Feld uach seiner Zugehörigkeit und erläutert es aus der Ge¬ schichte." So wörtlich Seyler, der Historiker der Heraldik. Wappen sind nicht »ur hübsche bunte Bildchen mit allerlei fabelhaftem und nicht fabelhaftem Greiizboten I 1901 7L

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/625>, abgerufen am 15.06.2024.