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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Philipp Jakob Spende

Getier, mit Pflanzlichem und Nichtpflcmzlichem, mit Farben und Linien, sie
haben ihre Geschichte, sie sind ein Stück Geschichte. Die vielen Felder des
heutigen preußischen Wappens reden eine beredte Sprache, sie erzählen dem
Kundigen von dem Flug des Adlers von Schwaben zur Großmacht, vom Fels
zum Meer. Die Mühleisen und die Eisenhütleiu die Figuren, nach deren
Bedeutung man so oft gefragt wird -- im Wappen des Fürstcntnms Lippe
erzählen noch heute von der Ehe eines Grafen zur Lippe mit der Erbin der
niederländischen souveränen Herrschaft Vlamen und Ameydeu, einer Erbin, die
diesen Anspruch sogar uur von ihrer Mutter, einer Gräfin von Brederode,
hatte und, nebenbei bemerkt, eine Preußin, eine Burggräfin zu Dohna war.
Dieses Wesen der Sache erkannt zu haben, ist ein unvergängliches Verdienst
Speners, das ihm nicht genommen werden soll. Die erste Frucht dieser Er¬
kenntnis war der Kommentar zum sächsischen Wappen.

Nach zwanzig Jahren erst, im Jahre 1680, gab dann Spener den
einen Teil seines großen heraldischen Monumentalwerkes heraus, dessen weit¬
schweifigen Titel ich hier nicht anführen will- der Listorlg, iusiKuiuill xars
speoialis. Erschienen in Frankfurt am Main. Genau dasselbe, was Spener
für das sächsische Wappen in seiner Einzelschrift gethan hatte, that er hier,
man kann wohl sagen, für den ganzen großen Adel Europas. Man kann
dem Urteil des Bibliographen der Heraldik Verndt nur zustimmen, wenn er es
dahin zusammenfaßt (Schriftenknndc der Wappenwissenschaft, I.Teil, S. 309):
"Ein für die Wissenschaft wichtiges Werk, welches alle vorhergehenden an
Umfang, Gründlichkeit und Gelehrsamkeit weit übertrifft, auch bis jetzt im all¬
gemeinen das beste ist und in einem einzigen Ganzen alles Hauptsächliche und
mehr enthält, als was andre in mehr als zehn einzelnen Schriften abgehandelt
haben." Freilich bezieht sich dieses Urteil Berndts auf das ganze Werk! die
Historig, IllsiAniuiü vsrs speci^Ils, und den von mir noch nicht erwähnten
andern Teil: die Mövria insi^niam, zusammen, aber es paßt ebensogut auf
die Nistoria insiAviurn allein.

Dieser andre Teil, die eigentliche Krönung des heraldischen Lebenswerkes
Speners, erschien noch zehn Jahre später, 1690: Insigninnr tllsorig, sou oxsris
nsraläioi xars NMöralis, dessen übrigen, gleicherweise weitschweifigen Titel ich
ebenfalls unerwähnt lassen kann. Es ist die Darlegung der ans Grund um¬
fangreicher, Jahrzehnte währender Arbeit zur vollen Klarheit gebrachten Theorie.
Es ist schwer, Nichtsachgenossen die Bedeutung dieses Werkes klar zu machen.
Ich kann nur versuchen, das damit zu thun, daß ich sage: Es ist eine voll¬
ständige theoretische Übersicht über die Wappenwissenschaft und Wappenkunst.
Um einen Begriff zu geben von dem Umfange dieser Werke, sei nur noch be¬
merkt, daß die Listmia insiZmuin 778 Seiten, die InsiAninin tneoria
368 Seiten in Maximalquart stark ist, dazu umfangreiche Register und zahl¬
lose Bildertafeln.

Überschaut man das Gesamtresultat der heraldisch-genealogischen Wirksam¬
keit Speners, so ergiebt sich, daß es lauter vortreffliche Werke sind, keine


Philipp Jakob Spende

Getier, mit Pflanzlichem und Nichtpflcmzlichem, mit Farben und Linien, sie
haben ihre Geschichte, sie sind ein Stück Geschichte. Die vielen Felder des
heutigen preußischen Wappens reden eine beredte Sprache, sie erzählen dem
Kundigen von dem Flug des Adlers von Schwaben zur Großmacht, vom Fels
zum Meer. Die Mühleisen und die Eisenhütleiu die Figuren, nach deren
Bedeutung man so oft gefragt wird — im Wappen des Fürstcntnms Lippe
erzählen noch heute von der Ehe eines Grafen zur Lippe mit der Erbin der
niederländischen souveränen Herrschaft Vlamen und Ameydeu, einer Erbin, die
diesen Anspruch sogar uur von ihrer Mutter, einer Gräfin von Brederode,
hatte und, nebenbei bemerkt, eine Preußin, eine Burggräfin zu Dohna war.
Dieses Wesen der Sache erkannt zu haben, ist ein unvergängliches Verdienst
Speners, das ihm nicht genommen werden soll. Die erste Frucht dieser Er¬
kenntnis war der Kommentar zum sächsischen Wappen.

Nach zwanzig Jahren erst, im Jahre 1680, gab dann Spener den
einen Teil seines großen heraldischen Monumentalwerkes heraus, dessen weit¬
schweifigen Titel ich hier nicht anführen will- der Listorlg, iusiKuiuill xars
speoialis. Erschienen in Frankfurt am Main. Genau dasselbe, was Spener
für das sächsische Wappen in seiner Einzelschrift gethan hatte, that er hier,
man kann wohl sagen, für den ganzen großen Adel Europas. Man kann
dem Urteil des Bibliographen der Heraldik Verndt nur zustimmen, wenn er es
dahin zusammenfaßt (Schriftenknndc der Wappenwissenschaft, I.Teil, S. 309):
„Ein für die Wissenschaft wichtiges Werk, welches alle vorhergehenden an
Umfang, Gründlichkeit und Gelehrsamkeit weit übertrifft, auch bis jetzt im all¬
gemeinen das beste ist und in einem einzigen Ganzen alles Hauptsächliche und
mehr enthält, als was andre in mehr als zehn einzelnen Schriften abgehandelt
haben." Freilich bezieht sich dieses Urteil Berndts auf das ganze Werk! die
Historig, IllsiAniuiü vsrs speci^Ils, und den von mir noch nicht erwähnten
andern Teil: die Mövria insi^niam, zusammen, aber es paßt ebensogut auf
die Nistoria insiAviurn allein.

Dieser andre Teil, die eigentliche Krönung des heraldischen Lebenswerkes
Speners, erschien noch zehn Jahre später, 1690: Insigninnr tllsorig, sou oxsris
nsraläioi xars NMöralis, dessen übrigen, gleicherweise weitschweifigen Titel ich
ebenfalls unerwähnt lassen kann. Es ist die Darlegung der ans Grund um¬
fangreicher, Jahrzehnte währender Arbeit zur vollen Klarheit gebrachten Theorie.
Es ist schwer, Nichtsachgenossen die Bedeutung dieses Werkes klar zu machen.
Ich kann nur versuchen, das damit zu thun, daß ich sage: Es ist eine voll¬
ständige theoretische Übersicht über die Wappenwissenschaft und Wappenkunst.
Um einen Begriff zu geben von dem Umfange dieser Werke, sei nur noch be¬
merkt, daß die Listmia insiZmuin 778 Seiten, die InsiAninin tneoria
368 Seiten in Maximalquart stark ist, dazu umfangreiche Register und zahl¬
lose Bildertafeln.

Überschaut man das Gesamtresultat der heraldisch-genealogischen Wirksam¬
keit Speners, so ergiebt sich, daß es lauter vortreffliche Werke sind, keine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/626>, abgerufen am 15.06.2024.