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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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Philipp Jakob Sxener

nieder darunter, wohl aber zwei Kolosse: das l^Sö-drum novilitatis IZuroxöa"
und die Historia und l'hoorn insiZnium. Und, streng genommen, muß man
die beideu Teile der letzten als zwei besondre Werke ansehen und darum sagen:
Er hat drei gigantische Werke geschrieben, von denen jedes einzelne genügen
würde, den Verfasser zum berühmten Manne zu macheu, Werke, die noch heute
in keiner Fnchbiblivthek fehlen dürfen, nicht nnr aus historischem Interesse,
sondern weil man sie immer wieder mit Nutzen zu Rate zieht.

Diese Seite der Thätigkeit Speners wird in den neuern Lebensbeschrei¬
bungen des großen Mannes entweder nur flüchtig gestreift, oder sie bleibt ganz
unerwähnt. Ihnen ist er ausschließlich der große Theologe, um es allgemein
auszudrücken, während die alten Nachschlagewerke von seiner Bedeutung auf dem
andern Gebiete wissen. So sind in Jöchers "Allgemeinen Gelehrtenlexikon"
(Band IV, Leipzig, 1751, S. 724) wenigstens Speners große genealogisch¬
heraldische Schriften aufgeführt; die biographische Monographie Cansteins aber
(K. H. von Cansteiu, Halle, 1740) führt 123 Schriften Speners auf, 15 latei¬
nische und 108 deutsche, unter denen allerdings hier die Geschichte des
sächsischen Wappens nicht erwähnt ist, dagegen die sonst meist unerwähnte
Schrift: FMossv gsnsiiloAiczo-liistorieÄ. Dasselbe Verzeichnis hat Zedler in
sein "Großes Universallexikon" aufgenommen (38. Band, Leipzig und Halle,
1743, S. 1489), sodaß auch Zedler der heraldisch-genealogischen Seite der
Thätigkeit Speners gerecht wird.

In den in der neuern Zeit entstandnen Biographien ist das anders. Seit
der Aufklärungsperiode gehört es ja zum wissenschaftlichen guten Ton, die
Genealogie und die Heraldik zu mißachten. Je weniger der Historiker davon
weiß, für desto wissenschaftlicher gilt er. Das kommt anch in den neuern
Biographien Speners zum Ausdruck. Die Allgemeine deutsche Biographie
(35. Band, Leipzig, 1893, Artikel "Spener," S. 114) enthält über die
heraldisch-genealogische Seite seiner wissenschaftlichen Thätigkeit lediglich die
eine Bemerkung, daß er "selbst neben der Theologie aus allgemeinwissenschaft-
lichem Interesse Philologie, Geschichte, Genealogie und .Heraldik trieb und in
der letztgenannten Wissenschaft sogar als Schriftsteller erfolgreich thätig war."
Die von Tholuck verfaßte Biographie Speuers in der Realencyklopädie für
protestantische Theologie und Kirche (Band 14, Leipzig, 1884, S. 500 ff.)
!"ge, so umfangreich sie ist, über die genealogisch-heraldische Wirksamkeit kein
Wort. Ebensowenig das Kirchenlexikon von Wetzer und Weite (Band 11, Frei¬
burg i. Br., 1899, S. 583 ff.). Es ist fast, als schäme man sich, diese
..Schwäche" des berühmten protestantischen Theologen für derartige "Neben¬
dinge" hervorzuheben, und als schweige man das absichtlich tot. Muß man
sich aber nicht sagen, daß, wenn der Mann sich mit diesen Disziplinen so
eingehend beschäftigt hat, ihnen eine andre, eine größere und höhere Be¬
deutung zukomme, als die zünftige Wissenschaft, die der Genealogie und der
Heraldik -- in Deutschland wenigstens -- die Räume der Universitäten ver¬
schließt, zugeben will.


Philipp Jakob Sxener

nieder darunter, wohl aber zwei Kolosse: das l^Sö-drum novilitatis IZuroxöa«
und die Historia und l'hoorn insiZnium. Und, streng genommen, muß man
die beideu Teile der letzten als zwei besondre Werke ansehen und darum sagen:
Er hat drei gigantische Werke geschrieben, von denen jedes einzelne genügen
würde, den Verfasser zum berühmten Manne zu macheu, Werke, die noch heute
in keiner Fnchbiblivthek fehlen dürfen, nicht nnr aus historischem Interesse,
sondern weil man sie immer wieder mit Nutzen zu Rate zieht.

Diese Seite der Thätigkeit Speners wird in den neuern Lebensbeschrei¬
bungen des großen Mannes entweder nur flüchtig gestreift, oder sie bleibt ganz
unerwähnt. Ihnen ist er ausschließlich der große Theologe, um es allgemein
auszudrücken, während die alten Nachschlagewerke von seiner Bedeutung auf dem
andern Gebiete wissen. So sind in Jöchers „Allgemeinen Gelehrtenlexikon"
(Band IV, Leipzig, 1751, S. 724) wenigstens Speners große genealogisch¬
heraldische Schriften aufgeführt; die biographische Monographie Cansteins aber
(K. H. von Cansteiu, Halle, 1740) führt 123 Schriften Speners auf, 15 latei¬
nische und 108 deutsche, unter denen allerdings hier die Geschichte des
sächsischen Wappens nicht erwähnt ist, dagegen die sonst meist unerwähnte
Schrift: FMossv gsnsiiloAiczo-liistorieÄ. Dasselbe Verzeichnis hat Zedler in
sein „Großes Universallexikon" aufgenommen (38. Band, Leipzig und Halle,
1743, S. 1489), sodaß auch Zedler der heraldisch-genealogischen Seite der
Thätigkeit Speners gerecht wird.

In den in der neuern Zeit entstandnen Biographien ist das anders. Seit
der Aufklärungsperiode gehört es ja zum wissenschaftlichen guten Ton, die
Genealogie und die Heraldik zu mißachten. Je weniger der Historiker davon
weiß, für desto wissenschaftlicher gilt er. Das kommt anch in den neuern
Biographien Speners zum Ausdruck. Die Allgemeine deutsche Biographie
(35. Band, Leipzig, 1893, Artikel „Spener," S. 114) enthält über die
heraldisch-genealogische Seite seiner wissenschaftlichen Thätigkeit lediglich die
eine Bemerkung, daß er „selbst neben der Theologie aus allgemeinwissenschaft-
lichem Interesse Philologie, Geschichte, Genealogie und .Heraldik trieb und in
der letztgenannten Wissenschaft sogar als Schriftsteller erfolgreich thätig war."
Die von Tholuck verfaßte Biographie Speuers in der Realencyklopädie für
protestantische Theologie und Kirche (Band 14, Leipzig, 1884, S. 500 ff.)
!"ge, so umfangreich sie ist, über die genealogisch-heraldische Wirksamkeit kein
Wort. Ebensowenig das Kirchenlexikon von Wetzer und Weite (Band 11, Frei¬
burg i. Br., 1899, S. 583 ff.). Es ist fast, als schäme man sich, diese
..Schwäche" des berühmten protestantischen Theologen für derartige „Neben¬
dinge" hervorzuheben, und als schweige man das absichtlich tot. Muß man
sich aber nicht sagen, daß, wenn der Mann sich mit diesen Disziplinen so
eingehend beschäftigt hat, ihnen eine andre, eine größere und höhere Be¬
deutung zukomme, als die zünftige Wissenschaft, die der Genealogie und der
Heraldik — in Deutschland wenigstens — die Räume der Universitäten ver¬
schließt, zugeben will.


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[0627] Philipp Jakob Sxener nieder darunter, wohl aber zwei Kolosse: das l^Sö-drum novilitatis IZuroxöa« und die Historia und l'hoorn insiZnium. Und, streng genommen, muß man die beideu Teile der letzten als zwei besondre Werke ansehen und darum sagen: Er hat drei gigantische Werke geschrieben, von denen jedes einzelne genügen würde, den Verfasser zum berühmten Manne zu macheu, Werke, die noch heute in keiner Fnchbiblivthek fehlen dürfen, nicht nnr aus historischem Interesse, sondern weil man sie immer wieder mit Nutzen zu Rate zieht. Diese Seite der Thätigkeit Speners wird in den neuern Lebensbeschrei¬ bungen des großen Mannes entweder nur flüchtig gestreift, oder sie bleibt ganz unerwähnt. Ihnen ist er ausschließlich der große Theologe, um es allgemein auszudrücken, während die alten Nachschlagewerke von seiner Bedeutung auf dem andern Gebiete wissen. So sind in Jöchers „Allgemeinen Gelehrtenlexikon" (Band IV, Leipzig, 1751, S. 724) wenigstens Speners große genealogisch¬ heraldische Schriften aufgeführt; die biographische Monographie Cansteins aber (K. H. von Cansteiu, Halle, 1740) führt 123 Schriften Speners auf, 15 latei¬ nische und 108 deutsche, unter denen allerdings hier die Geschichte des sächsischen Wappens nicht erwähnt ist, dagegen die sonst meist unerwähnte Schrift: FMossv gsnsiiloAiczo-liistorieÄ. Dasselbe Verzeichnis hat Zedler in sein „Großes Universallexikon" aufgenommen (38. Band, Leipzig und Halle, 1743, S. 1489), sodaß auch Zedler der heraldisch-genealogischen Seite der Thätigkeit Speners gerecht wird. In den in der neuern Zeit entstandnen Biographien ist das anders. Seit der Aufklärungsperiode gehört es ja zum wissenschaftlichen guten Ton, die Genealogie und die Heraldik zu mißachten. Je weniger der Historiker davon weiß, für desto wissenschaftlicher gilt er. Das kommt anch in den neuern Biographien Speners zum Ausdruck. Die Allgemeine deutsche Biographie (35. Band, Leipzig, 1893, Artikel „Spener," S. 114) enthält über die heraldisch-genealogische Seite seiner wissenschaftlichen Thätigkeit lediglich die eine Bemerkung, daß er „selbst neben der Theologie aus allgemeinwissenschaft- lichem Interesse Philologie, Geschichte, Genealogie und .Heraldik trieb und in der letztgenannten Wissenschaft sogar als Schriftsteller erfolgreich thätig war." Die von Tholuck verfaßte Biographie Speuers in der Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (Band 14, Leipzig, 1884, S. 500 ff.) !"ge, so umfangreich sie ist, über die genealogisch-heraldische Wirksamkeit kein Wort. Ebensowenig das Kirchenlexikon von Wetzer und Weite (Band 11, Frei¬ burg i. Br., 1899, S. 583 ff.). Es ist fast, als schäme man sich, diese ..Schwäche" des berühmten protestantischen Theologen für derartige „Neben¬ dinge" hervorzuheben, und als schweige man das absichtlich tot. Muß man sich aber nicht sagen, daß, wenn der Mann sich mit diesen Disziplinen so eingehend beschäftigt hat, ihnen eine andre, eine größere und höhere Be¬ deutung zukomme, als die zünftige Wissenschaft, die der Genealogie und der Heraldik — in Deutschland wenigstens — die Räume der Universitäten ver¬ schließt, zugeben will.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/627>, abgerufen am 15.06.2024.