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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Aus Reichsrat und Delegationeu

"ach Deutschland erschwert, und die Einfuhr deutscher Judustrieerzeuguisse nach
Österreich unterstützt, könnte nur über eine Brücke geschlagen werden, zu deren
Aufrichtung Graf Goluchowski keinen österreichischen Ingenieur bereit finden
würde." Die Österreicher sollen sich nicht weiterhin damit begnügen, im
Schatten des Deutschen Reichs zu kämpfen. Nur die Pflege der Volkswirt¬
schaft und der Gerechtigkeit im Innern, die der tschechischen Nation die ihr
vermöge ihrer Intelligenz und ihrer wirtschaftlichen Kraft gebührende Stelle
in der Monarchie einräumt, werde Österreich wieder auf die einstige achtung¬
gebietende Höhe bringen, von der es aus Liebe, aus Furcht oder aus Rücksicht
auf das mächtige Deutsche Reich herabgestiegen ist. Übrigens wäre es nach
tschechischer Anschauung im Interesse aller Dreibundstaatcn, wenn das politische
Bündnis nicht erneuert, sondern die Einigung auf Grund der gegenseitigen
politischen Sympathien angestrebt würde.

Mit Recht durfte dagegen Wolff sagen, daß die Altdeutschen, die nicht
mit verdeckter Gehässigkeit gegen den Dreibund vorgingen, die Interessen
Österreichs besser im Auge hätten und nicht einer nationalen Überschwenglich¬
keit geziehen werden dürften, wenn sie den Dreibund nach wie vor als uner¬
schütterliche Grundlage der auswärtigen Politik betrachtet wissen wollten, ohne
dafür belohnt werden zu "vollen und ohne mit ihrem Patriotismus zu prahlen.
Das war zugleich eine deutsche Antwort auf die Ausführungen des ungarischen
Delegierten Berzeviezy, der zwar auch warm für den Dreibund, der den magya¬
rischen Politikern nur eine Umschreibung des Bündnisses mit Deutschland be¬
deutet, eintrat, aber die Stammesgemeinschaft nicht als entscheidendes Motiv
gelten lassen wollte. Um die Loyalität des Magyarentums in das hellste Licht
zu setzen, beschuldigte er die Altdeutschen zentrifugaler Bestrebungen, wider¬
sprach aber der Behauptung Ugrvns, daß sie durch die maßgebenden Stellen
des Deutschen Reichs Nahrung erhielten. Freilich wurde als Hauptanstifter
der deutschen Bewegung in Österreich und in Ungarn der Allgemeine deutsche
Schulvereiu hingestellt und nur, wenigstens für Ungarn, Trost in der That¬
sache gefunden, daß vor fünfzehn Jahren Protestversammlungen die Einmischung
des Schulvereins angeblich im Namen der ungarländischen Deutschen zurück¬
gewiesen haben. Daß dies lediglich das Werk von gesinnungslosen Strebern
oder chauvinistischen Renegaten war, wird selbstverständlich nicht zugegeben.

Mag man also auch im Deutschen Reiche und wegen der verdeckten Aus¬
fülle der ultramontanen Volkspartei auch in Italien das zweifellose Vorhanden¬
sein feindseliger Unterströmungen im Gegensatze zu der bundestreuen Haltung
des Ministeriums des Äußern unliebsam vermerken, so kann vom Standpunkt
der innern Verhältnisse der Monarchie doch der Verlauf der Delegationen im
großen und ganzen als ebenso befriedigend angesehen werden, wie die in der
letzten Tagung entwickelte Thätigkeit des Reichsrath. Wie sehr aber diese
Wendung zum bessern, die Anbahnung einer schließlichen Verständigung zwischen
Tschechen und Deutschen, die auch auf die Beziehungen zum Deutschen Reiche
nnr auf das vorteilhafteste einwirken müßte, dem Feudaladel ein Dorn im


Aus Reichsrat und Delegationeu

»ach Deutschland erschwert, und die Einfuhr deutscher Judustrieerzeuguisse nach
Österreich unterstützt, könnte nur über eine Brücke geschlagen werden, zu deren
Aufrichtung Graf Goluchowski keinen österreichischen Ingenieur bereit finden
würde." Die Österreicher sollen sich nicht weiterhin damit begnügen, im
Schatten des Deutschen Reichs zu kämpfen. Nur die Pflege der Volkswirt¬
schaft und der Gerechtigkeit im Innern, die der tschechischen Nation die ihr
vermöge ihrer Intelligenz und ihrer wirtschaftlichen Kraft gebührende Stelle
in der Monarchie einräumt, werde Österreich wieder auf die einstige achtung¬
gebietende Höhe bringen, von der es aus Liebe, aus Furcht oder aus Rücksicht
auf das mächtige Deutsche Reich herabgestiegen ist. Übrigens wäre es nach
tschechischer Anschauung im Interesse aller Dreibundstaatcn, wenn das politische
Bündnis nicht erneuert, sondern die Einigung auf Grund der gegenseitigen
politischen Sympathien angestrebt würde.

Mit Recht durfte dagegen Wolff sagen, daß die Altdeutschen, die nicht
mit verdeckter Gehässigkeit gegen den Dreibund vorgingen, die Interessen
Österreichs besser im Auge hätten und nicht einer nationalen Überschwenglich¬
keit geziehen werden dürften, wenn sie den Dreibund nach wie vor als uner¬
schütterliche Grundlage der auswärtigen Politik betrachtet wissen wollten, ohne
dafür belohnt werden zu »vollen und ohne mit ihrem Patriotismus zu prahlen.
Das war zugleich eine deutsche Antwort auf die Ausführungen des ungarischen
Delegierten Berzeviezy, der zwar auch warm für den Dreibund, der den magya¬
rischen Politikern nur eine Umschreibung des Bündnisses mit Deutschland be¬
deutet, eintrat, aber die Stammesgemeinschaft nicht als entscheidendes Motiv
gelten lassen wollte. Um die Loyalität des Magyarentums in das hellste Licht
zu setzen, beschuldigte er die Altdeutschen zentrifugaler Bestrebungen, wider¬
sprach aber der Behauptung Ugrvns, daß sie durch die maßgebenden Stellen
des Deutschen Reichs Nahrung erhielten. Freilich wurde als Hauptanstifter
der deutschen Bewegung in Österreich und in Ungarn der Allgemeine deutsche
Schulvereiu hingestellt und nur, wenigstens für Ungarn, Trost in der That¬
sache gefunden, daß vor fünfzehn Jahren Protestversammlungen die Einmischung
des Schulvereins angeblich im Namen der ungarländischen Deutschen zurück¬
gewiesen haben. Daß dies lediglich das Werk von gesinnungslosen Strebern
oder chauvinistischen Renegaten war, wird selbstverständlich nicht zugegeben.

Mag man also auch im Deutschen Reiche und wegen der verdeckten Aus¬
fülle der ultramontanen Volkspartei auch in Italien das zweifellose Vorhanden¬
sein feindseliger Unterströmungen im Gegensatze zu der bundestreuen Haltung
des Ministeriums des Äußern unliebsam vermerken, so kann vom Standpunkt
der innern Verhältnisse der Monarchie doch der Verlauf der Delegationen im
großen und ganzen als ebenso befriedigend angesehen werden, wie die in der
letzten Tagung entwickelte Thätigkeit des Reichsrath. Wie sehr aber diese
Wendung zum bessern, die Anbahnung einer schließlichen Verständigung zwischen
Tschechen und Deutschen, die auch auf die Beziehungen zum Deutschen Reiche
nnr auf das vorteilhafteste einwirken müßte, dem Feudaladel ein Dorn im


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[0024] Aus Reichsrat und Delegationeu »ach Deutschland erschwert, und die Einfuhr deutscher Judustrieerzeuguisse nach Österreich unterstützt, könnte nur über eine Brücke geschlagen werden, zu deren Aufrichtung Graf Goluchowski keinen österreichischen Ingenieur bereit finden würde." Die Österreicher sollen sich nicht weiterhin damit begnügen, im Schatten des Deutschen Reichs zu kämpfen. Nur die Pflege der Volkswirt¬ schaft und der Gerechtigkeit im Innern, die der tschechischen Nation die ihr vermöge ihrer Intelligenz und ihrer wirtschaftlichen Kraft gebührende Stelle in der Monarchie einräumt, werde Österreich wieder auf die einstige achtung¬ gebietende Höhe bringen, von der es aus Liebe, aus Furcht oder aus Rücksicht auf das mächtige Deutsche Reich herabgestiegen ist. Übrigens wäre es nach tschechischer Anschauung im Interesse aller Dreibundstaatcn, wenn das politische Bündnis nicht erneuert, sondern die Einigung auf Grund der gegenseitigen politischen Sympathien angestrebt würde. Mit Recht durfte dagegen Wolff sagen, daß die Altdeutschen, die nicht mit verdeckter Gehässigkeit gegen den Dreibund vorgingen, die Interessen Österreichs besser im Auge hätten und nicht einer nationalen Überschwenglich¬ keit geziehen werden dürften, wenn sie den Dreibund nach wie vor als uner¬ schütterliche Grundlage der auswärtigen Politik betrachtet wissen wollten, ohne dafür belohnt werden zu »vollen und ohne mit ihrem Patriotismus zu prahlen. Das war zugleich eine deutsche Antwort auf die Ausführungen des ungarischen Delegierten Berzeviezy, der zwar auch warm für den Dreibund, der den magya¬ rischen Politikern nur eine Umschreibung des Bündnisses mit Deutschland be¬ deutet, eintrat, aber die Stammesgemeinschaft nicht als entscheidendes Motiv gelten lassen wollte. Um die Loyalität des Magyarentums in das hellste Licht zu setzen, beschuldigte er die Altdeutschen zentrifugaler Bestrebungen, wider¬ sprach aber der Behauptung Ugrvns, daß sie durch die maßgebenden Stellen des Deutschen Reichs Nahrung erhielten. Freilich wurde als Hauptanstifter der deutschen Bewegung in Österreich und in Ungarn der Allgemeine deutsche Schulvereiu hingestellt und nur, wenigstens für Ungarn, Trost in der That¬ sache gefunden, daß vor fünfzehn Jahren Protestversammlungen die Einmischung des Schulvereins angeblich im Namen der ungarländischen Deutschen zurück¬ gewiesen haben. Daß dies lediglich das Werk von gesinnungslosen Strebern oder chauvinistischen Renegaten war, wird selbstverständlich nicht zugegeben. Mag man also auch im Deutschen Reiche und wegen der verdeckten Aus¬ fülle der ultramontanen Volkspartei auch in Italien das zweifellose Vorhanden¬ sein feindseliger Unterströmungen im Gegensatze zu der bundestreuen Haltung des Ministeriums des Äußern unliebsam vermerken, so kann vom Standpunkt der innern Verhältnisse der Monarchie doch der Verlauf der Delegationen im großen und ganzen als ebenso befriedigend angesehen werden, wie die in der letzten Tagung entwickelte Thätigkeit des Reichsrath. Wie sehr aber diese Wendung zum bessern, die Anbahnung einer schließlichen Verständigung zwischen Tschechen und Deutschen, die auch auf die Beziehungen zum Deutschen Reiche nnr auf das vorteilhafteste einwirken müßte, dem Feudaladel ein Dorn im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/24>, abgerufen am 13.05.2024.