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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Italien und die albanesische Frage

chischcn Schulen, die unter der Leitung des athenischen "Syllogos" stehn und
auch in rein albanesischen Orten das Griechische als die Sprache der höhern
Kultur und des Handels lehren, endlich durch die Konsuln, die zahlreicher
sind als die jeder andern Macht, So hoffen die Griechen, nicht nur Epirus
zu gewinne", sondern auch den Süden des eigentlichen Albaniens bis zum
Sememi nördlich von Vallona, während sie bereit sein würden, den Norden,
an Montenegro zu überlassen. Doch den weitaus stärksten Einfluß in Albanien
übt heute Osterreich aus. Es hat herkömmlich das Protektorat über die römisch¬
katholische Kirche des Landes; die dortige" Bischöfe, die seit 1886 dem neuen
Erzbistum Skutari untergeordnet sind, kommen entweder ans Österreich oder
sind doch österreichisch gesinnt und erfüllen ihren Klerus mit derselben Ge¬
sinnung, sodaß fast in keinem Pfarrhause das Bild Kaiser Franz Josephs
fehlt; es sucht im Süden die mohammedanischen Behs zu gewinnen, aus die
es sich bekanntlich anch in Bosnien stützt, es zieht junge Leute aus solchen
Familien in österreichische Unterrichtsanstalten; in Skutari besteht ein vortrefflich
eingerichtetes österreichisches Hospital, Schalen österreichischer Ordensleute giebt
es in Skutari, Vallona, Durazzo, Prisrend und anderwärts; die einzigen
Postämter des Landes in Jannina und in S. Giovanni ti Medua bei Skutari
sind österreichisch, österreichisch die Dampferlinien und die Küstenschiffahrt,
"Kurz, der Albanese kann sich fast nicht bewegen, ohne auf Schritt und Tritt
dem österreichischen Wappen zu begegnen. Die Briefe, die er erhält, die Dampfer,
mit denen er reist, die Kirchen, wo er betet, das Hospital, wo er sich, falls
er Skutariner ist, kurieren läßt, alles das sagt ihm, daß es jenseits der Re¬
gierung des Sultans noch eine andre Regierung giebt, die nicht lebt, um ihn
mit Gewaltthätigkeiten und Abgaben zu erdrücken, sondern um ihn mit jeder
Kulturarbeit zu unterstützen und emporzuheben," Guicciardini schreibt darum der
Politik Österreichs den Gedanken zu, seine "Vorherrschaft" ^zrvZominio) in
Albanien wenn uicht bis zum Golfe von Ambrakia, so doch bis zum Knlamas,
der 1878 ursprünglich bestimmten neuen Nordgrenze Griechenlands, zu be¬
gründen, und er will darin eine Nachgiebigkeit gegen "die slawischen Strö¬
mungen" sehen, die Österreich beherrschen. Jedenfalls traut er dem Reiche der
Habsburger sehr viel mehr Haltbarkeit und Kraft zu, als unsre guten "Alt¬
deutschen" diesseits und jenseits der schwarzgelben Grenzpfähle, die seinen
baldigen Zerfall prophezeien oder anch wünschen, mir weil es kein National¬
staat ist und auch niemals mehr einer werden kann, und die kein Auge dafür
haben, was für eine Macht die römisch-katholische Kirche für Österreich wie im
Innern so auch in seiner auswärtigen Politik noch heute ist. Der Italiener
ist unbefangner, vielleicht weil der Argwohn meist scharf sieht, und er bedauert
innerlich wahrscheinlich, daß diese Macht seinein Baterlande feindselig gegen¬
übersteht, auch in Albanien, wo der römisch-katholische Erzbischof von Skutari
1898 die italienischen Schulen sogar "mit dem Interdikt belegte."

Denn natürlich, er stellt die italienischen Interessen voran. Von den
etwaigen "historischen Rechten" seines Vaterlands auf Albanien spricht er


Italien und die albanesische Frage

chischcn Schulen, die unter der Leitung des athenischen „Syllogos" stehn und
auch in rein albanesischen Orten das Griechische als die Sprache der höhern
Kultur und des Handels lehren, endlich durch die Konsuln, die zahlreicher
sind als die jeder andern Macht, So hoffen die Griechen, nicht nur Epirus
zu gewinne», sondern auch den Süden des eigentlichen Albaniens bis zum
Sememi nördlich von Vallona, während sie bereit sein würden, den Norden,
an Montenegro zu überlassen. Doch den weitaus stärksten Einfluß in Albanien
übt heute Osterreich aus. Es hat herkömmlich das Protektorat über die römisch¬
katholische Kirche des Landes; die dortige» Bischöfe, die seit 1886 dem neuen
Erzbistum Skutari untergeordnet sind, kommen entweder ans Österreich oder
sind doch österreichisch gesinnt und erfüllen ihren Klerus mit derselben Ge¬
sinnung, sodaß fast in keinem Pfarrhause das Bild Kaiser Franz Josephs
fehlt; es sucht im Süden die mohammedanischen Behs zu gewinnen, aus die
es sich bekanntlich anch in Bosnien stützt, es zieht junge Leute aus solchen
Familien in österreichische Unterrichtsanstalten; in Skutari besteht ein vortrefflich
eingerichtetes österreichisches Hospital, Schalen österreichischer Ordensleute giebt
es in Skutari, Vallona, Durazzo, Prisrend und anderwärts; die einzigen
Postämter des Landes in Jannina und in S. Giovanni ti Medua bei Skutari
sind österreichisch, österreichisch die Dampferlinien und die Küstenschiffahrt,
„Kurz, der Albanese kann sich fast nicht bewegen, ohne auf Schritt und Tritt
dem österreichischen Wappen zu begegnen. Die Briefe, die er erhält, die Dampfer,
mit denen er reist, die Kirchen, wo er betet, das Hospital, wo er sich, falls
er Skutariner ist, kurieren läßt, alles das sagt ihm, daß es jenseits der Re¬
gierung des Sultans noch eine andre Regierung giebt, die nicht lebt, um ihn
mit Gewaltthätigkeiten und Abgaben zu erdrücken, sondern um ihn mit jeder
Kulturarbeit zu unterstützen und emporzuheben," Guicciardini schreibt darum der
Politik Österreichs den Gedanken zu, seine „Vorherrschaft" ^zrvZominio) in
Albanien wenn uicht bis zum Golfe von Ambrakia, so doch bis zum Knlamas,
der 1878 ursprünglich bestimmten neuen Nordgrenze Griechenlands, zu be¬
gründen, und er will darin eine Nachgiebigkeit gegen „die slawischen Strö¬
mungen" sehen, die Österreich beherrschen. Jedenfalls traut er dem Reiche der
Habsburger sehr viel mehr Haltbarkeit und Kraft zu, als unsre guten „Alt¬
deutschen" diesseits und jenseits der schwarzgelben Grenzpfähle, die seinen
baldigen Zerfall prophezeien oder anch wünschen, mir weil es kein National¬
staat ist und auch niemals mehr einer werden kann, und die kein Auge dafür
haben, was für eine Macht die römisch-katholische Kirche für Österreich wie im
Innern so auch in seiner auswärtigen Politik noch heute ist. Der Italiener
ist unbefangner, vielleicht weil der Argwohn meist scharf sieht, und er bedauert
innerlich wahrscheinlich, daß diese Macht seinein Baterlande feindselig gegen¬
übersteht, auch in Albanien, wo der römisch-katholische Erzbischof von Skutari
1898 die italienischen Schulen sogar „mit dem Interdikt belegte."

Denn natürlich, er stellt die italienischen Interessen voran. Von den
etwaigen „historischen Rechten" seines Vaterlands auf Albanien spricht er


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/300>, abgerufen am 16.06.2024.