Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.Der Religionsunterricht an höhern Schulen fruchtbar werden sollen, das Herz ergreifen. Die Anforderungen an den Reli- Aber die gründliche Kenntnis der christlichen Religion ist nnr der nächste Der Religionsunterricht an höhern Schulen fruchtbar werden sollen, das Herz ergreifen. Die Anforderungen an den Reli- Aber die gründliche Kenntnis der christlichen Religion ist nnr der nächste <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0411" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/235583"/> <fw type="header" place="top"> Der Religionsunterricht an höhern Schulen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1811" prev="#ID_1810"> fruchtbar werden sollen, das Herz ergreifen. Die Anforderungen an den Reli-<lb/> gionslehrer werden dadurch keineswegs übertrieben, es wird nnr die Bedingung<lb/> festgestellt, von der die innere Berechtigung zur Erteilung des Religionsunter¬<lb/> richts abhängig ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_1812" next="#ID_1813"> Aber die gründliche Kenntnis der christlichen Religion ist nnr der nächste<lb/> Zweck des Religionsunterrichts, Metz nennt selbst noch höhere Ziele, Daß<lb/> freilich der Religionsunterricht in höherm Grade als alle übrigen Unterrichts¬<lb/> fächer ethische Ziele verfolge, weist er als eine unberechtigte Anmaßung zurück.<lb/> Mit Unrecht. Gewiß beanspruchen wir Religionslehrer keinen Vorrang, keine<lb/> „höhere Weihe der Persönlichkeit," Wenn wir mehr als andre ethische Ziele<lb/> in unserm Unterricht verfolgen, so liegt das nicht an uns, sondern an der<lb/> Sache, die wir zu vertreten haben. Sicher kann jeder Lehrer, welches Fach<lb/> er auch hat, lediglich durch das Vorbild seiner Persönlichkeit, dnrch seine<lb/> Pflichttreue, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit einen sittlichen Einfluß ausüben, und<lb/> der Religionslehrer könnte mit Engelzuugen reden, er würde schwerlich viel<lb/> erreichen, wenn bei ihn? dieses Vorbild fehlte. Aber sittlicher Einfluß geht<lb/> doch nicht bloß von der Persönlichkeit des Lehrers aus, sondern auch von der<lb/> Gedankenwelt, in die er die Schüler einzuführen hat. Während nun bei der<lb/> Mathematik, bei grammatischen Übungen der Wissensstoff in sittlicher Be¬<lb/> ziehung vollständig gleichgiltig ist, so ist doch die Einführung in die Welt¬<lb/> geschichte, in die altklassische Litteratur, in die deutsche Poesie von hoher Be¬<lb/> deutung für die Entwicklung des sittlichen Gefühls und des sittlichen Urteils,<lb/> Sollte nicht auch der sittliche Gehalt des Christentums einen höhern sittlichen<lb/> Einfluß ausüben mis die Lehrsätze der Mathematik oder die Regeln der Gram¬<lb/> matik? Dagegen hält es Metz für wünschenswert, daß der Religionsunterricht<lb/> einen Halt biete gegen spätere Verführung zum Atheismus. Ich gebe ohne<lb/> weiteres zu, daß hierbei die Überzeugung, „daß die Religion die Klarheit des<lb/> Gedankens nicht scheut, sondern sucht," von Wichtigkeit ist. Aber ich glaube<lb/> nicht, daß schon dadurch ein fester Halt gegen spätere Verführung geboten<lb/> wird. Metz meint, daß es zuviel verlangt sei, wenn der Religionslehrer mit<lb/> Begeisterung lehren solle. Hier aber verlangt er etwas, was schwerlich vom<lb/> Religionslehrer gefordert werden kann, was ich mir jedenfalls nicht zutraue,<lb/> daß nämlich meine Gedanken über Religion mächtiger seien, als die gesamte<lb/> Geistesmacht des modernen Unglaubens, wie er in wissenschaftlicher oder künst¬<lb/> lerischer Form ans den Schüler früher oder später einwirkt. Diese Kraft<lb/> traue ich meinen Gedanken nicht zu, sondern nur dem Worte Gottes, aber<lb/> auch „Ur dann, wenn dieses den Schülern ins Herz gedrungen ist und neues<lb/> Leben geweckt hat. Als die Hauptaufgabe des Ghmnasiums betrachtet Metz<lb/> »die Erziehung des modernen Kulturmenschen." Der Religionsunterricht ist<lb/> notwendig zum Verständnis der Kulturentwicklung. Wenn dies der Haupt¬<lb/> zweck des Religionsunterrichts ist, so leuchtet ohne weiteres ein, daß die aus¬<lb/> schließlich geschichtliche Form des Religionsunterrichts gewiesen ist, er bildet<lb/> fa dann nur die Ergänzung zum Unterricht in der Weltgeschichte. Fast mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0411]
Der Religionsunterricht an höhern Schulen
fruchtbar werden sollen, das Herz ergreifen. Die Anforderungen an den Reli-
gionslehrer werden dadurch keineswegs übertrieben, es wird nnr die Bedingung
festgestellt, von der die innere Berechtigung zur Erteilung des Religionsunter¬
richts abhängig ist.
Aber die gründliche Kenntnis der christlichen Religion ist nnr der nächste
Zweck des Religionsunterrichts, Metz nennt selbst noch höhere Ziele, Daß
freilich der Religionsunterricht in höherm Grade als alle übrigen Unterrichts¬
fächer ethische Ziele verfolge, weist er als eine unberechtigte Anmaßung zurück.
Mit Unrecht. Gewiß beanspruchen wir Religionslehrer keinen Vorrang, keine
„höhere Weihe der Persönlichkeit," Wenn wir mehr als andre ethische Ziele
in unserm Unterricht verfolgen, so liegt das nicht an uns, sondern an der
Sache, die wir zu vertreten haben. Sicher kann jeder Lehrer, welches Fach
er auch hat, lediglich durch das Vorbild seiner Persönlichkeit, dnrch seine
Pflichttreue, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit einen sittlichen Einfluß ausüben, und
der Religionslehrer könnte mit Engelzuugen reden, er würde schwerlich viel
erreichen, wenn bei ihn? dieses Vorbild fehlte. Aber sittlicher Einfluß geht
doch nicht bloß von der Persönlichkeit des Lehrers aus, sondern auch von der
Gedankenwelt, in die er die Schüler einzuführen hat. Während nun bei der
Mathematik, bei grammatischen Übungen der Wissensstoff in sittlicher Be¬
ziehung vollständig gleichgiltig ist, so ist doch die Einführung in die Welt¬
geschichte, in die altklassische Litteratur, in die deutsche Poesie von hoher Be¬
deutung für die Entwicklung des sittlichen Gefühls und des sittlichen Urteils,
Sollte nicht auch der sittliche Gehalt des Christentums einen höhern sittlichen
Einfluß ausüben mis die Lehrsätze der Mathematik oder die Regeln der Gram¬
matik? Dagegen hält es Metz für wünschenswert, daß der Religionsunterricht
einen Halt biete gegen spätere Verführung zum Atheismus. Ich gebe ohne
weiteres zu, daß hierbei die Überzeugung, „daß die Religion die Klarheit des
Gedankens nicht scheut, sondern sucht," von Wichtigkeit ist. Aber ich glaube
nicht, daß schon dadurch ein fester Halt gegen spätere Verführung geboten
wird. Metz meint, daß es zuviel verlangt sei, wenn der Religionslehrer mit
Begeisterung lehren solle. Hier aber verlangt er etwas, was schwerlich vom
Religionslehrer gefordert werden kann, was ich mir jedenfalls nicht zutraue,
daß nämlich meine Gedanken über Religion mächtiger seien, als die gesamte
Geistesmacht des modernen Unglaubens, wie er in wissenschaftlicher oder künst¬
lerischer Form ans den Schüler früher oder später einwirkt. Diese Kraft
traue ich meinen Gedanken nicht zu, sondern nur dem Worte Gottes, aber
auch „Ur dann, wenn dieses den Schülern ins Herz gedrungen ist und neues
Leben geweckt hat. Als die Hauptaufgabe des Ghmnasiums betrachtet Metz
»die Erziehung des modernen Kulturmenschen." Der Religionsunterricht ist
notwendig zum Verständnis der Kulturentwicklung. Wenn dies der Haupt¬
zweck des Religionsunterrichts ist, so leuchtet ohne weiteres ein, daß die aus¬
schließlich geschichtliche Form des Religionsunterrichts gewiesen ist, er bildet
fa dann nur die Ergänzung zum Unterricht in der Weltgeschichte. Fast mit
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