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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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alles Entgegenkommens seinerseits sind unsre Beziehungen, wenigstens was mich
betrifft, niemals eigentlich herzliche gewesen. Es ist bei ihm zu viel Gemachtes,
ein Mangel an Natürlichkeit, was nicht zur Vertraulichkeit einlädt, im Gegenteil
jede Hingebung ausschließt. Es wäre anmaßend von mir, ihn beurteilen zu wollen
und zu behaupten, ich hätte dieses einzige Wesen begriffen. Immerhin will ich
versuchen, den Eindruck zu schildern, den dieser glänzende Geist ans mich gemacht
hat; es vollkommen zu thun, müßte ich seine eigne Beobachtungsgabe und seine
Kühnheit haben. Professor Huber sagt mit Recht, Goethe weiche allem Indivi-
duellen aus, er hat deswegen nie mein Herz gerührt, er schwebt über den Leiden
der Menschheit, gleich dem Bewohner eines andern Planeten. Nie spricht er von
sich selbst, und nie habe ich ihn an den Freuden oder Bekümmernissen andrer teil¬
nehmen sehen. Selten erhält man von ihm ein Zeichen des Beifalls oder des
Tadels. Erzählt man ihm von den Sorgen, Täuschungen ihm bekannter Personen,
so nimmt er diese Berichte wie Alltngsgeschichten und erzählt ähnliche Fälle. Nichts
regt ihn auf. Er lebt im Kreis seiner Ideen und seines Wissens, einem ungeheuern
Kreis, der alle Wissenschaften umspannt, und spielt mit den tiefsten Materien. Eifrig
beschäftigt er sich mit Botanik, Chemie, Mineralogie, Astronomie; alles ist ihm ver¬
trank. Gegenwärtig ist die Farbenlehre sein Steckenpferd; sie nimmt, wie er meinem
Mann bewies, ihren Ausgangspunkt von der Chemie und mündet in die Philosophie.
Anbetung ist er gewöhnt, und keine Huldigung setzt ihn in Erstaunen. Im Lauf
einer Unterredung, in der Goethe sich mit ungewöhnlichem Feuer und Schwung
ausdrückte, sagte ihm Karl, wiewohl er schou öfters mit bedeutenden Männern in
engen Beziehungen gewesen sei, habe er noch bei niemand eine solche Fülle von
Gedanken und eine solche Harmonie und Feinheit der Empfindungen, kurz eine
solche Vollkommenheit angetroffen wie bei ihm. Er gestand ihm, er habe Mühe,
ihm zu folgen, er müsse sich immer wiederholen, was er von ihm gehört habe,
und er sei oft ganz verblüfft von der Richtigkeit und der Kühnheit seiner Ideen.
Dieses Lob schien den Dichter gar nicht zu überraschen, er antwortete nur, man
müsse in der That seine Sprache gewohnt sein, um ihn zu verstehn. Er habe
deshalb auch auf die Konversation verzichtet und lasse sich überhaupt nur auf ein
Gespräch ein, wenn er Männer seines gleichen finde, wie meinen Mann, oder wie
Schiller war. Er sprach dann mit großer Wärme von diesem, ohne jede Spur
von Eifersucht und weit entfernt, irgend einen Vergleich zu ziehen.

Du weißt, liebe Mutter, daß Goethe sich gleich andern bedeutenden Männern
bei den Frauen mit einem ziemlich niedrigen geistigen Niveau begnügt, und daß
ihm ein gewöhnliches natürliches Wesen lieber ist als eine hochentwickelte Intelligenz.
In seinen Verhältnissen läßt er sich vom Augenblick bestimmen, und es fehlt ihm
nicht an Gründen zur Rechtfertigung seiner Launen und ihrer Folgen. Aber die
Heldinnen in seinen Werken, ausgestattet mit so erhabnen Gefühlen, rühren nicht
und gefallen nicht, weil der Dichter sie nur mit solchen Tilgenden ausgerüstet und
sie mit solcher Liebe geschaffen hat, um zu zeigen, daß er es besser gemacht habe
als der Schöpfer/")

Ihn seine Dichtungen lesen zu hören, ist ein wahrer Genuß. Seine Stimme
ist wohlklingend, stark und jeder Modulation fähig. Das Feuer seines Auges, sein
Vortrag, seine Gebärde sind angemessen und eindrucksvoll. Er deklamiert mit Vor-



Man vergleiche damit, was Goethe selber (zu Eckermann, 22. Oktober 1828) über seine
Frauencharaktere gesagt hat: "Meine Idee von den Frauen ist nicht von den Erscheinungen der
Wirklichkeit abstrahiert, sondern sie ist mir angeboren oder in mir entstanden, Gott weiß wie!
Meine dargestellten Frauencharaktere sind daher auch alle gut weggekommen; sie sind alle besser,
als sie in der Wirklichkeit anzutreffen sind."

alles Entgegenkommens seinerseits sind unsre Beziehungen, wenigstens was mich
betrifft, niemals eigentlich herzliche gewesen. Es ist bei ihm zu viel Gemachtes,
ein Mangel an Natürlichkeit, was nicht zur Vertraulichkeit einlädt, im Gegenteil
jede Hingebung ausschließt. Es wäre anmaßend von mir, ihn beurteilen zu wollen
und zu behaupten, ich hätte dieses einzige Wesen begriffen. Immerhin will ich
versuchen, den Eindruck zu schildern, den dieser glänzende Geist ans mich gemacht
hat; es vollkommen zu thun, müßte ich seine eigne Beobachtungsgabe und seine
Kühnheit haben. Professor Huber sagt mit Recht, Goethe weiche allem Indivi-
duellen aus, er hat deswegen nie mein Herz gerührt, er schwebt über den Leiden
der Menschheit, gleich dem Bewohner eines andern Planeten. Nie spricht er von
sich selbst, und nie habe ich ihn an den Freuden oder Bekümmernissen andrer teil¬
nehmen sehen. Selten erhält man von ihm ein Zeichen des Beifalls oder des
Tadels. Erzählt man ihm von den Sorgen, Täuschungen ihm bekannter Personen,
so nimmt er diese Berichte wie Alltngsgeschichten und erzählt ähnliche Fälle. Nichts
regt ihn auf. Er lebt im Kreis seiner Ideen und seines Wissens, einem ungeheuern
Kreis, der alle Wissenschaften umspannt, und spielt mit den tiefsten Materien. Eifrig
beschäftigt er sich mit Botanik, Chemie, Mineralogie, Astronomie; alles ist ihm ver¬
trank. Gegenwärtig ist die Farbenlehre sein Steckenpferd; sie nimmt, wie er meinem
Mann bewies, ihren Ausgangspunkt von der Chemie und mündet in die Philosophie.
Anbetung ist er gewöhnt, und keine Huldigung setzt ihn in Erstaunen. Im Lauf
einer Unterredung, in der Goethe sich mit ungewöhnlichem Feuer und Schwung
ausdrückte, sagte ihm Karl, wiewohl er schou öfters mit bedeutenden Männern in
engen Beziehungen gewesen sei, habe er noch bei niemand eine solche Fülle von
Gedanken und eine solche Harmonie und Feinheit der Empfindungen, kurz eine
solche Vollkommenheit angetroffen wie bei ihm. Er gestand ihm, er habe Mühe,
ihm zu folgen, er müsse sich immer wiederholen, was er von ihm gehört habe,
und er sei oft ganz verblüfft von der Richtigkeit und der Kühnheit seiner Ideen.
Dieses Lob schien den Dichter gar nicht zu überraschen, er antwortete nur, man
müsse in der That seine Sprache gewohnt sein, um ihn zu verstehn. Er habe
deshalb auch auf die Konversation verzichtet und lasse sich überhaupt nur auf ein
Gespräch ein, wenn er Männer seines gleichen finde, wie meinen Mann, oder wie
Schiller war. Er sprach dann mit großer Wärme von diesem, ohne jede Spur
von Eifersucht und weit entfernt, irgend einen Vergleich zu ziehen.

Du weißt, liebe Mutter, daß Goethe sich gleich andern bedeutenden Männern
bei den Frauen mit einem ziemlich niedrigen geistigen Niveau begnügt, und daß
ihm ein gewöhnliches natürliches Wesen lieber ist als eine hochentwickelte Intelligenz.
In seinen Verhältnissen läßt er sich vom Augenblick bestimmen, und es fehlt ihm
nicht an Gründen zur Rechtfertigung seiner Launen und ihrer Folgen. Aber die
Heldinnen in seinen Werken, ausgestattet mit so erhabnen Gefühlen, rühren nicht
und gefallen nicht, weil der Dichter sie nur mit solchen Tilgenden ausgerüstet und
sie mit solcher Liebe geschaffen hat, um zu zeigen, daß er es besser gemacht habe
als der Schöpfer/")

Ihn seine Dichtungen lesen zu hören, ist ein wahrer Genuß. Seine Stimme
ist wohlklingend, stark und jeder Modulation fähig. Das Feuer seines Auges, sein
Vortrag, seine Gebärde sind angemessen und eindrucksvoll. Er deklamiert mit Vor-



Man vergleiche damit, was Goethe selber (zu Eckermann, 22. Oktober 1828) über seine
Frauencharaktere gesagt hat: „Meine Idee von den Frauen ist nicht von den Erscheinungen der
Wirklichkeit abstrahiert, sondern sie ist mir angeboren oder in mir entstanden, Gott weiß wie!
Meine dargestellten Frauencharaktere sind daher auch alle gut weggekommen; sie sind alle besser,
als sie in der Wirklichkeit anzutreffen sind."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/422>, abgerufen am 17.06.2024.