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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Der Admiral de Ruyter und die holländischen Großraufleute

Als bezeichnend für das Wesen dieses Mannes möge hier nur folgendes
in Erinnerung gebracht werden. Im Jahre 1641, als Holland mit Portugal
im Kriege lag, wurde er vom Statthalter Friedrich Heinrich von der Kauffahrtei
weg als Koutreadmiral auf der Kriegsflotte angestellt. Für jeden andern
wäre dies die Gelegenheit gewesen, seine Karriere im Staatsdienste festzulegen,
aber de Ruyter kehrte nach der Beendigung des Feldzugs dahin zurück, woher
er genommen worden war. Noch eins. Der Admiral Witte Corueliussvhu
de Wit war ein überaus herrischer Mensch und wegen ungerechtfertigter Strenge
und Härte bei deu Offizieren nicht minder verhaßt als bei den Mannschaften.
Dagegen, stand die Ruhe, Gelassenheit und Sanftmut de Richters allgemein in
höchster Achtung, aber nirgends herrschte bessere Disziplin als ans seinen Schiffen.
Als nnn im Jahre 1652 die gegen die Engländer operierenden Flotten nnter
dem Oberbefehl de Wies vereinigt werden sollten, da setzten die Generalstaaten
diese Maßregel mit der ausdrücklich an diesen Admiral gesandten Weisung ins
Werk, daß er sich durchaus mit de Ruyter in gutem Einvernehmen halte" müsse.

Da de Rüster ans AncieunetütSgründen das Oberkommaudo nicht führe"
konnte, so war es kam" möglich, ihm ein schöneres Zeichen des allgemeinen
Vertrauens zu geben als dieses. Trotzdem ist ihm, wenn man die Summe
zieht, keineswegs ausreichend das zu teil geworden, "vorauf die Ehrlichkeit
seines Charakters Anspruch machen durfte. Wen" die holländischen Kaufherren,
denen die Navigationsakte Eromwells so große Not verursachte, deu ganze"
Wert dieses Mannes hätte" erkennen können, so hätte es mit der Durchführung
ihres Grundsatzes, daß das Meer frei und allen gemein sei, so gilt gestanden,
wie es überhaupt möglich war. Die Kraft des Landes wurde von Zwietracht
gelähmt, die ihren Boden in der Furcht vor der vramsche" Herrschsucht hatte.
Aber wenn schon nach dieser Seite hin das Mißtrauen erklärlich war, so er-
scheint es einem de Rüster gegenüber nicht bloß als unverständlich, sondern
sogar als verwerflich. In keines Menschen Händen lagen die Mittel des Landes
sicherer als in denen dieses Flottenführers, das wußte mau überall und am
besten am Sitze der Regierung.

Jedoch nicht das war es, was die Not und die Sorge um die jeweilige
Instandsetzung und die Erhaltung der Kriegsflotte chronisch machte, sonder"
die im Drange der Zeit so übel angebrachte Sparsamkeit. I" Jahre 1653
erreichte diese Engherzigkeit ihren Gipfel. Die Schlachten bei Nieuport und
bei Dünkirchen gingen deshalb für die Holländer verloren, weil die Ausrüstung
im einzelnen und im ganzen durchaus unzulänglich war. Beim Beginn der
Operationen dieses Jahres war Tromp, der Obersttvmmnndierende, wegen des
ungenügenden Zustandes des ihm unterstellten Schiffsmaterials mit der größten
Unlust in See gestochen. Der Bericht, den er nach diesen Niederlagen an die
Generalstaaten absendet, wirft ein grelles Licht anf die Lage der Dinge. Wenn
die regierenden Herren das ihrige nicht thäten, werde das Land mir Elend
und Schmach zu erwarten haben. Den vom Haag aus gesandten Bevoll¬
mächtigten erklärten die versammelten Admiräle ähnliches; hervorstechend ist
darin die Darlegung, daß, ganz abgesehen von der allgemeinen Seeuntüchtig-


Der Admiral de Ruyter und die holländischen Großraufleute

Als bezeichnend für das Wesen dieses Mannes möge hier nur folgendes
in Erinnerung gebracht werden. Im Jahre 1641, als Holland mit Portugal
im Kriege lag, wurde er vom Statthalter Friedrich Heinrich von der Kauffahrtei
weg als Koutreadmiral auf der Kriegsflotte angestellt. Für jeden andern
wäre dies die Gelegenheit gewesen, seine Karriere im Staatsdienste festzulegen,
aber de Ruyter kehrte nach der Beendigung des Feldzugs dahin zurück, woher
er genommen worden war. Noch eins. Der Admiral Witte Corueliussvhu
de Wit war ein überaus herrischer Mensch und wegen ungerechtfertigter Strenge
und Härte bei deu Offizieren nicht minder verhaßt als bei den Mannschaften.
Dagegen, stand die Ruhe, Gelassenheit und Sanftmut de Richters allgemein in
höchster Achtung, aber nirgends herrschte bessere Disziplin als ans seinen Schiffen.
Als nnn im Jahre 1652 die gegen die Engländer operierenden Flotten nnter
dem Oberbefehl de Wies vereinigt werden sollten, da setzten die Generalstaaten
diese Maßregel mit der ausdrücklich an diesen Admiral gesandten Weisung ins
Werk, daß er sich durchaus mit de Ruyter in gutem Einvernehmen halte» müsse.

Da de Rüster ans AncieunetütSgründen das Oberkommaudo nicht führe»
konnte, so war es kam» möglich, ihm ein schöneres Zeichen des allgemeinen
Vertrauens zu geben als dieses. Trotzdem ist ihm, wenn man die Summe
zieht, keineswegs ausreichend das zu teil geworden, »vorauf die Ehrlichkeit
seines Charakters Anspruch machen durfte. Wen» die holländischen Kaufherren,
denen die Navigationsakte Eromwells so große Not verursachte, deu ganze»
Wert dieses Mannes hätte» erkennen können, so hätte es mit der Durchführung
ihres Grundsatzes, daß das Meer frei und allen gemein sei, so gilt gestanden,
wie es überhaupt möglich war. Die Kraft des Landes wurde von Zwietracht
gelähmt, die ihren Boden in der Furcht vor der vramsche» Herrschsucht hatte.
Aber wenn schon nach dieser Seite hin das Mißtrauen erklärlich war, so er-
scheint es einem de Rüster gegenüber nicht bloß als unverständlich, sondern
sogar als verwerflich. In keines Menschen Händen lagen die Mittel des Landes
sicherer als in denen dieses Flottenführers, das wußte mau überall und am
besten am Sitze der Regierung.

Jedoch nicht das war es, was die Not und die Sorge um die jeweilige
Instandsetzung und die Erhaltung der Kriegsflotte chronisch machte, sonder»
die im Drange der Zeit so übel angebrachte Sparsamkeit. I» Jahre 1653
erreichte diese Engherzigkeit ihren Gipfel. Die Schlachten bei Nieuport und
bei Dünkirchen gingen deshalb für die Holländer verloren, weil die Ausrüstung
im einzelnen und im ganzen durchaus unzulänglich war. Beim Beginn der
Operationen dieses Jahres war Tromp, der Obersttvmmnndierende, wegen des
ungenügenden Zustandes des ihm unterstellten Schiffsmaterials mit der größten
Unlust in See gestochen. Der Bericht, den er nach diesen Niederlagen an die
Generalstaaten absendet, wirft ein grelles Licht anf die Lage der Dinge. Wenn
die regierenden Herren das ihrige nicht thäten, werde das Land mir Elend
und Schmach zu erwarten haben. Den vom Haag aus gesandten Bevoll¬
mächtigten erklärten die versammelten Admiräle ähnliches; hervorstechend ist
darin die Darlegung, daß, ganz abgesehen von der allgemeinen Seeuntüchtig-


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[0595] Der Admiral de Ruyter und die holländischen Großraufleute Als bezeichnend für das Wesen dieses Mannes möge hier nur folgendes in Erinnerung gebracht werden. Im Jahre 1641, als Holland mit Portugal im Kriege lag, wurde er vom Statthalter Friedrich Heinrich von der Kauffahrtei weg als Koutreadmiral auf der Kriegsflotte angestellt. Für jeden andern wäre dies die Gelegenheit gewesen, seine Karriere im Staatsdienste festzulegen, aber de Ruyter kehrte nach der Beendigung des Feldzugs dahin zurück, woher er genommen worden war. Noch eins. Der Admiral Witte Corueliussvhu de Wit war ein überaus herrischer Mensch und wegen ungerechtfertigter Strenge und Härte bei deu Offizieren nicht minder verhaßt als bei den Mannschaften. Dagegen, stand die Ruhe, Gelassenheit und Sanftmut de Richters allgemein in höchster Achtung, aber nirgends herrschte bessere Disziplin als ans seinen Schiffen. Als nnn im Jahre 1652 die gegen die Engländer operierenden Flotten nnter dem Oberbefehl de Wies vereinigt werden sollten, da setzten die Generalstaaten diese Maßregel mit der ausdrücklich an diesen Admiral gesandten Weisung ins Werk, daß er sich durchaus mit de Ruyter in gutem Einvernehmen halte» müsse. Da de Rüster ans AncieunetütSgründen das Oberkommaudo nicht führe» konnte, so war es kam» möglich, ihm ein schöneres Zeichen des allgemeinen Vertrauens zu geben als dieses. Trotzdem ist ihm, wenn man die Summe zieht, keineswegs ausreichend das zu teil geworden, »vorauf die Ehrlichkeit seines Charakters Anspruch machen durfte. Wen» die holländischen Kaufherren, denen die Navigationsakte Eromwells so große Not verursachte, deu ganze» Wert dieses Mannes hätte» erkennen können, so hätte es mit der Durchführung ihres Grundsatzes, daß das Meer frei und allen gemein sei, so gilt gestanden, wie es überhaupt möglich war. Die Kraft des Landes wurde von Zwietracht gelähmt, die ihren Boden in der Furcht vor der vramsche» Herrschsucht hatte. Aber wenn schon nach dieser Seite hin das Mißtrauen erklärlich war, so er- scheint es einem de Rüster gegenüber nicht bloß als unverständlich, sondern sogar als verwerflich. In keines Menschen Händen lagen die Mittel des Landes sicherer als in denen dieses Flottenführers, das wußte mau überall und am besten am Sitze der Regierung. Jedoch nicht das war es, was die Not und die Sorge um die jeweilige Instandsetzung und die Erhaltung der Kriegsflotte chronisch machte, sonder» die im Drange der Zeit so übel angebrachte Sparsamkeit. I» Jahre 1653 erreichte diese Engherzigkeit ihren Gipfel. Die Schlachten bei Nieuport und bei Dünkirchen gingen deshalb für die Holländer verloren, weil die Ausrüstung im einzelnen und im ganzen durchaus unzulänglich war. Beim Beginn der Operationen dieses Jahres war Tromp, der Obersttvmmnndierende, wegen des ungenügenden Zustandes des ihm unterstellten Schiffsmaterials mit der größten Unlust in See gestochen. Der Bericht, den er nach diesen Niederlagen an die Generalstaaten absendet, wirft ein grelles Licht anf die Lage der Dinge. Wenn die regierenden Herren das ihrige nicht thäten, werde das Land mir Elend und Schmach zu erwarten haben. Den vom Haag aus gesandten Bevoll¬ mächtigten erklärten die versammelten Admiräle ähnliches; hervorstechend ist darin die Darlegung, daß, ganz abgesehen von der allgemeinen Seeuntüchtig-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/595>, abgerufen am 23.05.2024.