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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Wie entstehn Pfandbriefverbäilde?

das Pfandbriefinstitut ins Leben rief, bei der westfälischen Landschaft ist man
wahrscheinlich deshalb wieder auf sie zurückgekommen, weil diese durch die
privaten Bauernvereine gegründet wurde, und private Vereinigungen nicht das
Vertrauen beanspruchen können wie ein Magistrat. Aber sowohl in Westfalen
wie in Berlin, deren Satzungen sich sehr nahe stehn, hat man bei der Grün¬
dung von einer besondern weiter" Garantie abgesehen.

Die Stadt Berlin sowohl wie die Bnnernvereine in Westfalen haben nur
die Betriebskosten des ersten Jahres mit 20000 bis 30000 Mark vorgeschossen
und bald genug mit Zinsen zurückerhalte". Ein weiteres hat man von ihnen
nicht beansprucht.

Neuerdings sind jedoch, als von den Hnusbesitzervereinen in Ostpreußen,
Schlesien und Brandenburg der Versuch gemacht wurde, landschaftliche Kredit-
Verbünde für die bebauten Grundstücke, also für die Häuser dieser Provinzen
ins Leben zu rufen, viel weiter gehende Anforderungen gestellt worden.

Man verlangt neuerdings namentlich eine weitergehende Solidarhaft als
bis zu 5 Prozent. Es fragt sich aber, ob eine weitergehende praktischen Wert
hat. Die Erfahrungen, die man bei.den Genossenschaften mit der Solidar¬
haft gemacht hat, sind wenig erfreulich, ja geradezu betrübend und haben
dazu geführt, daß durch Gesetz anch Genossenschaften mit beschränkter Haft¬
pflicht zugelassen worden sind. Wird auf die Solidarhaft zurückgegriffen, so
ist damit noch nicht das nötige Geld da. Keiner zahlt das Außergewöhn¬
liche gern oder bereitwillig, im Gegenteil haben die Beträge meistens müssen
eingeklagt werden und konnten wohl nur selten ganz beigetrieben werden.
Der mit Hypotheken verschuldete Grundbesitzer wird auch nicht immer reich
sein und gleich größere Geldbeträge flüssig machen können, auch wenn er es
wollte.

Wenn man auch eine beschränkte Solidarhaft schon im Interesse einer
soliden Verwaltung fordern mag, großen praktischen Wert wird sie nicht be¬
weisen, am allerwenigsten bei Notständen, denn je größer die Not, um so
weniger wird sie bringen. Den vorsichtigen und wohlhabenden Grundbesitzer
wird sie jedoch zurückschrecken, seine Hypothek bei einem solchen Verbände auf-
zunehmen. Jedenfalls ist dadurch das Neuschaffeu solcher Kreditverbände sehr
erschwert und mindestens verzögert worden, wenn es überhaupt uoch gelingt,
nnter den neu gestellten Bedingungen solche mit Erfolg ins Leben zu rufen.

Eine weitere Frage, die mit der Solidarhaft eng verbunden ist, ist die,
wie die Sichcrheitsmasse (der Reservefonds) bei neuen Pfandbriefverbänden ge¬
schaffen werden soll.

Man kann darauf nur antworten: "möglichst schnell"; und zwar scheint
es richtiger, mit der Tilgung der Hypothek nicht eher zu beginnen, als bis
die Sicherheitsinasse die genügende Höhe, die wohl 5 Prozent sein dürfte,
erreicht hat. Die Satzungen der Landschaft von Westfalen haben darum diese
Frage am zutreffendsten gelöst. Denn beginnt man eher mit der Tilgung
oder Amortisation, so bleibt zu lange zum Nachteil des Pfandbriefinhabcrs


Wie entstehn Pfandbriefverbäilde?

das Pfandbriefinstitut ins Leben rief, bei der westfälischen Landschaft ist man
wahrscheinlich deshalb wieder auf sie zurückgekommen, weil diese durch die
privaten Bauernvereine gegründet wurde, und private Vereinigungen nicht das
Vertrauen beanspruchen können wie ein Magistrat. Aber sowohl in Westfalen
wie in Berlin, deren Satzungen sich sehr nahe stehn, hat man bei der Grün¬
dung von einer besondern weiter» Garantie abgesehen.

Die Stadt Berlin sowohl wie die Bnnernvereine in Westfalen haben nur
die Betriebskosten des ersten Jahres mit 20000 bis 30000 Mark vorgeschossen
und bald genug mit Zinsen zurückerhalte». Ein weiteres hat man von ihnen
nicht beansprucht.

Neuerdings sind jedoch, als von den Hnusbesitzervereinen in Ostpreußen,
Schlesien und Brandenburg der Versuch gemacht wurde, landschaftliche Kredit-
Verbünde für die bebauten Grundstücke, also für die Häuser dieser Provinzen
ins Leben zu rufen, viel weiter gehende Anforderungen gestellt worden.

Man verlangt neuerdings namentlich eine weitergehende Solidarhaft als
bis zu 5 Prozent. Es fragt sich aber, ob eine weitergehende praktischen Wert
hat. Die Erfahrungen, die man bei.den Genossenschaften mit der Solidar¬
haft gemacht hat, sind wenig erfreulich, ja geradezu betrübend und haben
dazu geführt, daß durch Gesetz anch Genossenschaften mit beschränkter Haft¬
pflicht zugelassen worden sind. Wird auf die Solidarhaft zurückgegriffen, so
ist damit noch nicht das nötige Geld da. Keiner zahlt das Außergewöhn¬
liche gern oder bereitwillig, im Gegenteil haben die Beträge meistens müssen
eingeklagt werden und konnten wohl nur selten ganz beigetrieben werden.
Der mit Hypotheken verschuldete Grundbesitzer wird auch nicht immer reich
sein und gleich größere Geldbeträge flüssig machen können, auch wenn er es
wollte.

Wenn man auch eine beschränkte Solidarhaft schon im Interesse einer
soliden Verwaltung fordern mag, großen praktischen Wert wird sie nicht be¬
weisen, am allerwenigsten bei Notständen, denn je größer die Not, um so
weniger wird sie bringen. Den vorsichtigen und wohlhabenden Grundbesitzer
wird sie jedoch zurückschrecken, seine Hypothek bei einem solchen Verbände auf-
zunehmen. Jedenfalls ist dadurch das Neuschaffeu solcher Kreditverbände sehr
erschwert und mindestens verzögert worden, wenn es überhaupt uoch gelingt,
nnter den neu gestellten Bedingungen solche mit Erfolg ins Leben zu rufen.

Eine weitere Frage, die mit der Solidarhaft eng verbunden ist, ist die,
wie die Sichcrheitsmasse (der Reservefonds) bei neuen Pfandbriefverbänden ge¬
schaffen werden soll.

Man kann darauf nur antworten: „möglichst schnell"; und zwar scheint
es richtiger, mit der Tilgung der Hypothek nicht eher zu beginnen, als bis
die Sicherheitsinasse die genügende Höhe, die wohl 5 Prozent sein dürfte,
erreicht hat. Die Satzungen der Landschaft von Westfalen haben darum diese
Frage am zutreffendsten gelöst. Denn beginnt man eher mit der Tilgung
oder Amortisation, so bleibt zu lange zum Nachteil des Pfandbriefinhabcrs


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[0604] Wie entstehn Pfandbriefverbäilde? das Pfandbriefinstitut ins Leben rief, bei der westfälischen Landschaft ist man wahrscheinlich deshalb wieder auf sie zurückgekommen, weil diese durch die privaten Bauernvereine gegründet wurde, und private Vereinigungen nicht das Vertrauen beanspruchen können wie ein Magistrat. Aber sowohl in Westfalen wie in Berlin, deren Satzungen sich sehr nahe stehn, hat man bei der Grün¬ dung von einer besondern weiter» Garantie abgesehen. Die Stadt Berlin sowohl wie die Bnnernvereine in Westfalen haben nur die Betriebskosten des ersten Jahres mit 20000 bis 30000 Mark vorgeschossen und bald genug mit Zinsen zurückerhalte». Ein weiteres hat man von ihnen nicht beansprucht. Neuerdings sind jedoch, als von den Hnusbesitzervereinen in Ostpreußen, Schlesien und Brandenburg der Versuch gemacht wurde, landschaftliche Kredit- Verbünde für die bebauten Grundstücke, also für die Häuser dieser Provinzen ins Leben zu rufen, viel weiter gehende Anforderungen gestellt worden. Man verlangt neuerdings namentlich eine weitergehende Solidarhaft als bis zu 5 Prozent. Es fragt sich aber, ob eine weitergehende praktischen Wert hat. Die Erfahrungen, die man bei.den Genossenschaften mit der Solidar¬ haft gemacht hat, sind wenig erfreulich, ja geradezu betrübend und haben dazu geführt, daß durch Gesetz anch Genossenschaften mit beschränkter Haft¬ pflicht zugelassen worden sind. Wird auf die Solidarhaft zurückgegriffen, so ist damit noch nicht das nötige Geld da. Keiner zahlt das Außergewöhn¬ liche gern oder bereitwillig, im Gegenteil haben die Beträge meistens müssen eingeklagt werden und konnten wohl nur selten ganz beigetrieben werden. Der mit Hypotheken verschuldete Grundbesitzer wird auch nicht immer reich sein und gleich größere Geldbeträge flüssig machen können, auch wenn er es wollte. Wenn man auch eine beschränkte Solidarhaft schon im Interesse einer soliden Verwaltung fordern mag, großen praktischen Wert wird sie nicht be¬ weisen, am allerwenigsten bei Notständen, denn je größer die Not, um so weniger wird sie bringen. Den vorsichtigen und wohlhabenden Grundbesitzer wird sie jedoch zurückschrecken, seine Hypothek bei einem solchen Verbände auf- zunehmen. Jedenfalls ist dadurch das Neuschaffeu solcher Kreditverbände sehr erschwert und mindestens verzögert worden, wenn es überhaupt uoch gelingt, nnter den neu gestellten Bedingungen solche mit Erfolg ins Leben zu rufen. Eine weitere Frage, die mit der Solidarhaft eng verbunden ist, ist die, wie die Sichcrheitsmasse (der Reservefonds) bei neuen Pfandbriefverbänden ge¬ schaffen werden soll. Man kann darauf nur antworten: „möglichst schnell"; und zwar scheint es richtiger, mit der Tilgung der Hypothek nicht eher zu beginnen, als bis die Sicherheitsinasse die genügende Höhe, die wohl 5 Prozent sein dürfte, erreicht hat. Die Satzungen der Landschaft von Westfalen haben darum diese Frage am zutreffendsten gelöst. Denn beginnt man eher mit der Tilgung oder Amortisation, so bleibt zu lange zum Nachteil des Pfandbriefinhabcrs

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/604>, abgerufen am 27.05.2024.