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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr.

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Das britische Parlament

liehen werden. So lächerlich das Verfahren ist, den Huinbng abzuthun fällt
niemand ein. So tritt ein neues Unterhaus unter langen Geburtswehen ins
Leben, und der britische Staatsbürger hat während einer Zeit von mehr als
zwei Wochen Gelegenheit, seine Freude an Aufregung zu befriedigen. In
andern Ländern ist die Frende "ur kurz, ein Tag entscheidet alles. Aber der
spvrtliebeude Brite kann den Wahlkampf mit Genuß verfolgen, und wie ein
Student eine gute Mensur verfolgt, jeden Tag die Blutigen zählen, du- dein
einen oder dein andern Paukanten angeschrieben werden, bis endlich eme Ab¬
fuhr erklärt wird.

^",Das Oberhaus wird vou den. Hader des Wahlkampfes acht berührt.
Wie die Götter des Olhiups schauen die Lords auf die Erregung der gewöhn¬
lichen Sterblichen hernieder, nur daß ihre Ruhe noch erhabner ist. Tue
Olhmpier ließen sich wohl herab, mit eigner Hand in den Streit der Menschen
einzugreifen. Die Lords enthalte" sich jeder Einmischung in den Wahlkampf.
Eine öffentliche Äußerung zu Gunsten eines Bewerbers würde eine Verletzung
der Rechte des Unterhauses sein. Eine wirkliche Gleichgiltigkeit darf von ihnen
nicht erwartet werden, und eine stille, aber recht wirksame Beeinflussung ist
von ihnen zu allen Zeiten ausgeübt worden. Äußerlich aber stehn sie der
ganzen Wahlbeweguug gleichgiltig gegenüber. Erst wenn die Schlacht ent¬
schieden ist, treten sie wieder hervor und wissen dann ihren Anteil an der
Beute zu sichern. Eine liberale Regierung kann der Lords so wenig entbehren
wie eine konservative.

Ein Werk aus einem Gusse ist das Oberhaus nicht. Dieselbe geschichtlich
begründete Buntheit, die sich in der Entstehung des Unterhauses zeigt, tritt
auch bei ihm zu Tage. Die Lords haben vor den Gemeinen voraus, daß sie
wmer da sind, aber die Zusammensetzung des Oberhauses braucht deshalb
nicht immer dieselbe zu sein. Der Grundsatz, auf dem das Oberhaus ruht,
ist Erblichkeit, doch nicht durchans. sondern mit Besthränknng Es kann em
Peer einige zwanzig Vorgänger in seiner Würde haben und doch em Lord
des Parlaments sein, und es giebt Lords des Parlaments, die keine edle
Familie vertreten, ^u den letzte., gehören vor allein die geistlichen Lord..
Sie sind schal eine'Abweichung von dem Grundsätze der Erblichkeit, ^hre
Mitgliedschaft des Oberhauses währt nur solange, als sie ihr kirchliches Amt
versehen, und ihre Würde als Peers hat keinen Einfluß auf die gesellschaft¬
liche Stellung ihrer Familie. Die Rangordnung weiß nichts von der Frau
"ut den Kindern eines Erzbischofs oder Bischofs. An Zahl sind die Prala e"
im Oberhause fast verschwindend, nur sechsundzwanzig. Feste Sitze haben dio'>
^ beiden Erzbi chose von Canterbnrh und York und die Bischöfe von London.
Durham und Winchester. Von den übrigen Bischöfen gehören um die ein¬
undzwanzig amtsälteste., den. Parlament an. Der von Sodor und Man ist
überhaupt ausgeschlossen.

,.^^Die weltlichen Lords zerfallen wieder den, Range nach in Peer, von
England, von Schottland, von Großbritannien, von Irland und von. ^er-


Das britische Parlament

liehen werden. So lächerlich das Verfahren ist, den Huinbng abzuthun fällt
niemand ein. So tritt ein neues Unterhaus unter langen Geburtswehen ins
Leben, und der britische Staatsbürger hat während einer Zeit von mehr als
zwei Wochen Gelegenheit, seine Freude an Aufregung zu befriedigen. In
andern Ländern ist die Frende »ur kurz, ein Tag entscheidet alles. Aber der
spvrtliebeude Brite kann den Wahlkampf mit Genuß verfolgen, und wie ein
Student eine gute Mensur verfolgt, jeden Tag die Blutigen zählen, du- dein
einen oder dein andern Paukanten angeschrieben werden, bis endlich eme Ab¬
fuhr erklärt wird.

^„,Das Oberhaus wird vou den. Hader des Wahlkampfes acht berührt.
Wie die Götter des Olhiups schauen die Lords auf die Erregung der gewöhn¬
lichen Sterblichen hernieder, nur daß ihre Ruhe noch erhabner ist. Tue
Olhmpier ließen sich wohl herab, mit eigner Hand in den Streit der Menschen
einzugreifen. Die Lords enthalte» sich jeder Einmischung in den Wahlkampf.
Eine öffentliche Äußerung zu Gunsten eines Bewerbers würde eine Verletzung
der Rechte des Unterhauses sein. Eine wirkliche Gleichgiltigkeit darf von ihnen
nicht erwartet werden, und eine stille, aber recht wirksame Beeinflussung ist
von ihnen zu allen Zeiten ausgeübt worden. Äußerlich aber stehn sie der
ganzen Wahlbeweguug gleichgiltig gegenüber. Erst wenn die Schlacht ent¬
schieden ist, treten sie wieder hervor und wissen dann ihren Anteil an der
Beute zu sichern. Eine liberale Regierung kann der Lords so wenig entbehren
wie eine konservative.

Ein Werk aus einem Gusse ist das Oberhaus nicht. Dieselbe geschichtlich
begründete Buntheit, die sich in der Entstehung des Unterhauses zeigt, tritt
auch bei ihm zu Tage. Die Lords haben vor den Gemeinen voraus, daß sie
wmer da sind, aber die Zusammensetzung des Oberhauses braucht deshalb
nicht immer dieselbe zu sein. Der Grundsatz, auf dem das Oberhaus ruht,
ist Erblichkeit, doch nicht durchans. sondern mit Besthränknng Es kann em
Peer einige zwanzig Vorgänger in seiner Würde haben und doch em Lord
des Parlaments sein, und es giebt Lords des Parlaments, die keine edle
Familie vertreten, ^u den letzte., gehören vor allein die geistlichen Lord..
Sie sind schal eine'Abweichung von dem Grundsätze der Erblichkeit, ^hre
Mitgliedschaft des Oberhauses währt nur solange, als sie ihr kirchliches Amt
versehen, und ihre Würde als Peers hat keinen Einfluß auf die gesellschaft¬
liche Stellung ihrer Familie. Die Rangordnung weiß nichts von der Frau
"ut den Kindern eines Erzbischofs oder Bischofs. An Zahl sind die Prala e„
im Oberhause fast verschwindend, nur sechsundzwanzig. Feste Sitze haben dio'>
^ beiden Erzbi chose von Canterbnrh und York und die Bischöfe von London.
Durham und Winchester. Von den übrigen Bischöfen gehören um die ein¬
undzwanzig amtsälteste., den. Parlament an. Der von Sodor und Man ist
überhaupt ausgeschlossen.

,.^^Die weltlichen Lords zerfallen wieder den, Range nach in Peer, von
England, von Schottland, von Großbritannien, von Irland und von. ^er-


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[0071] Das britische Parlament liehen werden. So lächerlich das Verfahren ist, den Huinbng abzuthun fällt niemand ein. So tritt ein neues Unterhaus unter langen Geburtswehen ins Leben, und der britische Staatsbürger hat während einer Zeit von mehr als zwei Wochen Gelegenheit, seine Freude an Aufregung zu befriedigen. In andern Ländern ist die Frende »ur kurz, ein Tag entscheidet alles. Aber der spvrtliebeude Brite kann den Wahlkampf mit Genuß verfolgen, und wie ein Student eine gute Mensur verfolgt, jeden Tag die Blutigen zählen, du- dein einen oder dein andern Paukanten angeschrieben werden, bis endlich eme Ab¬ fuhr erklärt wird. ^„,Das Oberhaus wird vou den. Hader des Wahlkampfes acht berührt. Wie die Götter des Olhiups schauen die Lords auf die Erregung der gewöhn¬ lichen Sterblichen hernieder, nur daß ihre Ruhe noch erhabner ist. Tue Olhmpier ließen sich wohl herab, mit eigner Hand in den Streit der Menschen einzugreifen. Die Lords enthalte» sich jeder Einmischung in den Wahlkampf. Eine öffentliche Äußerung zu Gunsten eines Bewerbers würde eine Verletzung der Rechte des Unterhauses sein. Eine wirkliche Gleichgiltigkeit darf von ihnen nicht erwartet werden, und eine stille, aber recht wirksame Beeinflussung ist von ihnen zu allen Zeiten ausgeübt worden. Äußerlich aber stehn sie der ganzen Wahlbeweguug gleichgiltig gegenüber. Erst wenn die Schlacht ent¬ schieden ist, treten sie wieder hervor und wissen dann ihren Anteil an der Beute zu sichern. Eine liberale Regierung kann der Lords so wenig entbehren wie eine konservative. Ein Werk aus einem Gusse ist das Oberhaus nicht. Dieselbe geschichtlich begründete Buntheit, die sich in der Entstehung des Unterhauses zeigt, tritt auch bei ihm zu Tage. Die Lords haben vor den Gemeinen voraus, daß sie wmer da sind, aber die Zusammensetzung des Oberhauses braucht deshalb nicht immer dieselbe zu sein. Der Grundsatz, auf dem das Oberhaus ruht, ist Erblichkeit, doch nicht durchans. sondern mit Besthränknng Es kann em Peer einige zwanzig Vorgänger in seiner Würde haben und doch em Lord des Parlaments sein, und es giebt Lords des Parlaments, die keine edle Familie vertreten, ^u den letzte., gehören vor allein die geistlichen Lord.. Sie sind schal eine'Abweichung von dem Grundsätze der Erblichkeit, ^hre Mitgliedschaft des Oberhauses währt nur solange, als sie ihr kirchliches Amt versehen, und ihre Würde als Peers hat keinen Einfluß auf die gesellschaft¬ liche Stellung ihrer Familie. Die Rangordnung weiß nichts von der Frau "ut den Kindern eines Erzbischofs oder Bischofs. An Zahl sind die Prala e„ im Oberhause fast verschwindend, nur sechsundzwanzig. Feste Sitze haben dio'> ^ beiden Erzbi chose von Canterbnrh und York und die Bischöfe von London. Durham und Winchester. Von den übrigen Bischöfen gehören um die ein¬ undzwanzig amtsälteste., den. Parlament an. Der von Sodor und Man ist überhaupt ausgeschlossen. ,.^^Die weltlichen Lords zerfallen wieder den, Range nach in Peer, von England, von Schottland, von Großbritannien, von Irland und von. ^er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235171/71>, abgerufen am 06.06.2024.