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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

sprechend umzubilden bemüht gewesen ist, wird ausführlich dargestellt. Daß ein
Staat, der sich, aus der Barbarei emporstrebend, mit allen europäischen Knltur-
aufgabeu belade, in finanzielle Verlegenheiten geraten mußte, sieht man leicht ein.
Da jedoch die Anleihen größtenteils zu produktiven Zwecken gemacht, in Eisenbahnen
und Bildungsanstalten angelegt worden sind, da das Volk fleißig und der Boden
fruchtbar ist, so bedeuten die Zahlungsschwierigkeiten bei verständiger Leitung des
Staats keine Gefahr. An der verständigen Leitung wird es freilich wohl auch
in Zukunft vielfach schon aus dem Grunde fehlen, weil, wie der Verfasser hervor¬
hebt, das aus Europa eingeschleppte Parteiwesen die Regierung und Verwaltung
erschwert, und die im Lande herumstreifenden hauptstädtischen Rabulisten, die das
Volk nur als Werkzeug für ihre Parteizwecke behandeln, die ehrlichsten Dorfschulzen
zu Spitzbuben machen. Aus dem Budget vou 1899 teilen wir die folgenden
charakteristischen Zahlen mit: die Gesamtausgabe betrug (bei rund 3300000 Ein¬
wohnern) 83887236 Franken; davon kamen auf Landesverteidigung 22465500,
auf die Verzinsung der Staatsschulden 20881146 und auf Schulen 7973736.
Der zuletzt genannte Posten macht dem Staate Ehre.

Das Gesetz der Güterkonzentration in der individualistischen Nechts-
und Wirtschaftsordnung von Dr. Stephan Worms. Erster Halbbcmd (Jena,
Gustav Fischer, 1901) gehört zu den Büchern, bei denen man fragen muß: Lohnt
denn das dürftige Ergebnis diesen ungeheuern Aufwand von Fleiß, Gelehrsamkeit
und mühsamen Berechnungen? Denn daß im freien Verkehr der Reiche dem
Armen als der Stärkere gegenübersteht, und daß der große Goldhaufen die zer¬
streuten kleinen Goldkörnchen anzieht, ist doch eigentlich nicht schwer zu verstehn,
so wenig wie die Forderung, in die des Verfassers Untersuchungen münden: nicht
Sozialismus, sondern Sozialpolitik! Freilich verfolgt er einen besondern Zweck:
er will gegen Marx beweisen, daß sich die Neichtumsanhäufnng nicht in der Pro-
duktivnssphäre, sondern im Tauschverkehr vollziehe, und daß sich die wahre und
echte Volkswirtschaftslehre nur auf der Grundlage der von der österreichischen Schule
angenommnen Grenznutzentheorie aufbauen lasse. Wir halten aber die Wertschätzung
dieser Theorie für sehr übertrieben, und was Marxens Lehre über die Akkumulie¬
rung betrifft, so spielt darin außer dem berüchtigten Mehrwert doch auch der Raub
keine kleine Rolle. Die Güterbewegung ist eben ein so verwickelter Prozeß, daß
sie sich schlechterdings nicht ans eine Formel bringen läßt. -- Ein brauchbares Buch
hat dagegen Dr. Julius Landmann in seinem System der Diskontpolitik
(Kiel und Leipzig, Lipsius und Tischer, 1900) geliefert; es kann solchen, die sich
über das Bankwesen unterrichten wollen, als Hilfsmittel empfohlen werden. Die
Diskontpolitik der Deutschen Reichsbank wird als bewährt gelobt, die Notensteuer
als eine verkehrte Maßregel verurteilt. Die Beherrschung und Regelung des Geld¬
markts werde der Reichsbank durch die vielen kleinen, besonders die süddeutschen
Notenbanken erschwert, deren Politik nicht eben vorzugsweise den allgemeinen Nutzen
als Ziel verfolge. Für Krisen wird die Regel empfohlen: beizeiten warnen durch
Erhöhung des Diskonts, nicht aber diesen erhöhen, wenn das Publikum schon ängstlich
ist, weil dadurch leicht eine Panik hervorgerufen wird, und nach ausgebrochner Krise
trotz hohen Diskonts kulant diskontieren, um so den Kredit der gute" Häuser auf¬
recht zu erhalten. Die erste Regel habe die Bank von Frankreich beim Nahen der
Bontouxkrisis gröblich vernachlässigt, durch niedrigen Diskont und unmäßige An¬
häufung vou Wechseln in ihrem Portefeuille habe sie die Spekulation geradezu auf¬
gemuntert. Aus der Darstellung der französischen Bankpolitik werden die Bimetal-
listen Honig saugen: die Bank von Frankreich brauche,, um den Goldabflnß zu
verhindern, nicht so oft zu dem Mittel der Diskonterhöhung zu greifen, weil sie
das Gold durch Prämienzahlung anlocke, und dieses Mittel, das zunächst das Gold
aus dem inländischen Verkehr ziehe, dürfe sie wagen, weil im Lande vier Milliarden
in Silbermünzen kursieren (im Deutschen Reich nur 400 Millionen Mark). Aller¬
dings unterläßt er es nicht, die Nachteile dieser Praxis klar zu machen. -- Dr. Ludwig


Maßgebliches und Unmaßgebliches

sprechend umzubilden bemüht gewesen ist, wird ausführlich dargestellt. Daß ein
Staat, der sich, aus der Barbarei emporstrebend, mit allen europäischen Knltur-
aufgabeu belade, in finanzielle Verlegenheiten geraten mußte, sieht man leicht ein.
Da jedoch die Anleihen größtenteils zu produktiven Zwecken gemacht, in Eisenbahnen
und Bildungsanstalten angelegt worden sind, da das Volk fleißig und der Boden
fruchtbar ist, so bedeuten die Zahlungsschwierigkeiten bei verständiger Leitung des
Staats keine Gefahr. An der verständigen Leitung wird es freilich wohl auch
in Zukunft vielfach schon aus dem Grunde fehlen, weil, wie der Verfasser hervor¬
hebt, das aus Europa eingeschleppte Parteiwesen die Regierung und Verwaltung
erschwert, und die im Lande herumstreifenden hauptstädtischen Rabulisten, die das
Volk nur als Werkzeug für ihre Parteizwecke behandeln, die ehrlichsten Dorfschulzen
zu Spitzbuben machen. Aus dem Budget vou 1899 teilen wir die folgenden
charakteristischen Zahlen mit: die Gesamtausgabe betrug (bei rund 3300000 Ein¬
wohnern) 83887236 Franken; davon kamen auf Landesverteidigung 22465500,
auf die Verzinsung der Staatsschulden 20881146 und auf Schulen 7973736.
Der zuletzt genannte Posten macht dem Staate Ehre.

Das Gesetz der Güterkonzentration in der individualistischen Nechts-
und Wirtschaftsordnung von Dr. Stephan Worms. Erster Halbbcmd (Jena,
Gustav Fischer, 1901) gehört zu den Büchern, bei denen man fragen muß: Lohnt
denn das dürftige Ergebnis diesen ungeheuern Aufwand von Fleiß, Gelehrsamkeit
und mühsamen Berechnungen? Denn daß im freien Verkehr der Reiche dem
Armen als der Stärkere gegenübersteht, und daß der große Goldhaufen die zer¬
streuten kleinen Goldkörnchen anzieht, ist doch eigentlich nicht schwer zu verstehn,
so wenig wie die Forderung, in die des Verfassers Untersuchungen münden: nicht
Sozialismus, sondern Sozialpolitik! Freilich verfolgt er einen besondern Zweck:
er will gegen Marx beweisen, daß sich die Neichtumsanhäufnng nicht in der Pro-
duktivnssphäre, sondern im Tauschverkehr vollziehe, und daß sich die wahre und
echte Volkswirtschaftslehre nur auf der Grundlage der von der österreichischen Schule
angenommnen Grenznutzentheorie aufbauen lasse. Wir halten aber die Wertschätzung
dieser Theorie für sehr übertrieben, und was Marxens Lehre über die Akkumulie¬
rung betrifft, so spielt darin außer dem berüchtigten Mehrwert doch auch der Raub
keine kleine Rolle. Die Güterbewegung ist eben ein so verwickelter Prozeß, daß
sie sich schlechterdings nicht ans eine Formel bringen läßt. — Ein brauchbares Buch
hat dagegen Dr. Julius Landmann in seinem System der Diskontpolitik
(Kiel und Leipzig, Lipsius und Tischer, 1900) geliefert; es kann solchen, die sich
über das Bankwesen unterrichten wollen, als Hilfsmittel empfohlen werden. Die
Diskontpolitik der Deutschen Reichsbank wird als bewährt gelobt, die Notensteuer
als eine verkehrte Maßregel verurteilt. Die Beherrschung und Regelung des Geld¬
markts werde der Reichsbank durch die vielen kleinen, besonders die süddeutschen
Notenbanken erschwert, deren Politik nicht eben vorzugsweise den allgemeinen Nutzen
als Ziel verfolge. Für Krisen wird die Regel empfohlen: beizeiten warnen durch
Erhöhung des Diskonts, nicht aber diesen erhöhen, wenn das Publikum schon ängstlich
ist, weil dadurch leicht eine Panik hervorgerufen wird, und nach ausgebrochner Krise
trotz hohen Diskonts kulant diskontieren, um so den Kredit der gute» Häuser auf¬
recht zu erhalten. Die erste Regel habe die Bank von Frankreich beim Nahen der
Bontouxkrisis gröblich vernachlässigt, durch niedrigen Diskont und unmäßige An¬
häufung vou Wechseln in ihrem Portefeuille habe sie die Spekulation geradezu auf¬
gemuntert. Aus der Darstellung der französischen Bankpolitik werden die Bimetal-
listen Honig saugen: die Bank von Frankreich brauche,, um den Goldabflnß zu
verhindern, nicht so oft zu dem Mittel der Diskonterhöhung zu greifen, weil sie
das Gold durch Prämienzahlung anlocke, und dieses Mittel, das zunächst das Gold
aus dem inländischen Verkehr ziehe, dürfe sie wagen, weil im Lande vier Milliarden
in Silbermünzen kursieren (im Deutschen Reich nur 400 Millionen Mark). Aller¬
dings unterläßt er es nicht, die Nachteile dieser Praxis klar zu machen. — Dr. Ludwig


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[0524] Maßgebliches und Unmaßgebliches sprechend umzubilden bemüht gewesen ist, wird ausführlich dargestellt. Daß ein Staat, der sich, aus der Barbarei emporstrebend, mit allen europäischen Knltur- aufgabeu belade, in finanzielle Verlegenheiten geraten mußte, sieht man leicht ein. Da jedoch die Anleihen größtenteils zu produktiven Zwecken gemacht, in Eisenbahnen und Bildungsanstalten angelegt worden sind, da das Volk fleißig und der Boden fruchtbar ist, so bedeuten die Zahlungsschwierigkeiten bei verständiger Leitung des Staats keine Gefahr. An der verständigen Leitung wird es freilich wohl auch in Zukunft vielfach schon aus dem Grunde fehlen, weil, wie der Verfasser hervor¬ hebt, das aus Europa eingeschleppte Parteiwesen die Regierung und Verwaltung erschwert, und die im Lande herumstreifenden hauptstädtischen Rabulisten, die das Volk nur als Werkzeug für ihre Parteizwecke behandeln, die ehrlichsten Dorfschulzen zu Spitzbuben machen. Aus dem Budget vou 1899 teilen wir die folgenden charakteristischen Zahlen mit: die Gesamtausgabe betrug (bei rund 3300000 Ein¬ wohnern) 83887236 Franken; davon kamen auf Landesverteidigung 22465500, auf die Verzinsung der Staatsschulden 20881146 und auf Schulen 7973736. Der zuletzt genannte Posten macht dem Staate Ehre. Das Gesetz der Güterkonzentration in der individualistischen Nechts- und Wirtschaftsordnung von Dr. Stephan Worms. Erster Halbbcmd (Jena, Gustav Fischer, 1901) gehört zu den Büchern, bei denen man fragen muß: Lohnt denn das dürftige Ergebnis diesen ungeheuern Aufwand von Fleiß, Gelehrsamkeit und mühsamen Berechnungen? Denn daß im freien Verkehr der Reiche dem Armen als der Stärkere gegenübersteht, und daß der große Goldhaufen die zer¬ streuten kleinen Goldkörnchen anzieht, ist doch eigentlich nicht schwer zu verstehn, so wenig wie die Forderung, in die des Verfassers Untersuchungen münden: nicht Sozialismus, sondern Sozialpolitik! Freilich verfolgt er einen besondern Zweck: er will gegen Marx beweisen, daß sich die Neichtumsanhäufnng nicht in der Pro- duktivnssphäre, sondern im Tauschverkehr vollziehe, und daß sich die wahre und echte Volkswirtschaftslehre nur auf der Grundlage der von der österreichischen Schule angenommnen Grenznutzentheorie aufbauen lasse. Wir halten aber die Wertschätzung dieser Theorie für sehr übertrieben, und was Marxens Lehre über die Akkumulie¬ rung betrifft, so spielt darin außer dem berüchtigten Mehrwert doch auch der Raub keine kleine Rolle. Die Güterbewegung ist eben ein so verwickelter Prozeß, daß sie sich schlechterdings nicht ans eine Formel bringen läßt. — Ein brauchbares Buch hat dagegen Dr. Julius Landmann in seinem System der Diskontpolitik (Kiel und Leipzig, Lipsius und Tischer, 1900) geliefert; es kann solchen, die sich über das Bankwesen unterrichten wollen, als Hilfsmittel empfohlen werden. Die Diskontpolitik der Deutschen Reichsbank wird als bewährt gelobt, die Notensteuer als eine verkehrte Maßregel verurteilt. Die Beherrschung und Regelung des Geld¬ markts werde der Reichsbank durch die vielen kleinen, besonders die süddeutschen Notenbanken erschwert, deren Politik nicht eben vorzugsweise den allgemeinen Nutzen als Ziel verfolge. Für Krisen wird die Regel empfohlen: beizeiten warnen durch Erhöhung des Diskonts, nicht aber diesen erhöhen, wenn das Publikum schon ängstlich ist, weil dadurch leicht eine Panik hervorgerufen wird, und nach ausgebrochner Krise trotz hohen Diskonts kulant diskontieren, um so den Kredit der gute» Häuser auf¬ recht zu erhalten. Die erste Regel habe die Bank von Frankreich beim Nahen der Bontouxkrisis gröblich vernachlässigt, durch niedrigen Diskont und unmäßige An¬ häufung vou Wechseln in ihrem Portefeuille habe sie die Spekulation geradezu auf¬ gemuntert. Aus der Darstellung der französischen Bankpolitik werden die Bimetal- listen Honig saugen: die Bank von Frankreich brauche,, um den Goldabflnß zu verhindern, nicht so oft zu dem Mittel der Diskonterhöhung zu greifen, weil sie das Gold durch Prämienzahlung anlocke, und dieses Mittel, das zunächst das Gold aus dem inländischen Verkehr ziehe, dürfe sie wagen, weil im Lande vier Milliarden in Silbermünzen kursieren (im Deutschen Reich nur 400 Millionen Mark). Aller¬ dings unterläßt er es nicht, die Nachteile dieser Praxis klar zu machen. — Dr. Ludwig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_236523/524>, abgerufen am 29.05.2024.