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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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sich mit dieser -- Büttelei nicht einlassen. Jetzt haben wir den Salat. Die
Industrie ist gut für die Aktienbesitzer, aber für die andern Menschenkinder, be¬
sonders für die Landwirtschaft, taugt sie den Henker nichts. Die Industrie frißt
das Land ratzekahl auf. Jawohl, billiges Vrvt, aber wo der Bauer bleibt, und
wo die bleiben, die von den Pachter leben, danach fragt keine Seele. Die In¬
dustrie nimmt uns die Arbeiter weg, die Industrie verdirbt Feld und Wald. Da
sehen Sie mal das Nottethal an, die grünen Wiesen, wo jetzt Heinrichshall steht,
was war das früher für ein Anstand auf Rehböcke. Und jetzt, nicht einmal ein
Karnickel kommt mehr heraus.

Die ländlichen Zuhörer nickten Beifall, und August Hoppe erinnerte sich in
Parenthese des kapitalen Achterbocks, den Fritze Poplitzens Vater vor langen Jahren
dort geschossen hatte. Es war der letzte Achter im ganzen Böhuhardt gewesen.
Der Herr Oberstleutnant fuhr fort: Meine Herren, wir haben die Freude, Herrn
Wandrer unter uns zu sehen, den gegenwärtigen Direktor des Werkes, den ich
überaus hoch schätze. Es sei ferne von uns, ihm oder dem Werke, das sich gerade bei
uns ansässig gemacht hat, Vorwürfe zu machen. Meine Herren, das sind so--zi--ale
Probleme, die so alt sind wie das gan--ze hei--lige rö--mische Reich. Ja, meine
Herren, ich weiß das, ich habe das eben jetzt studiert -- da liegen noch die Bücher --
und kann Ihnen sagen, schon vor der Geburt Christi hat es Sozialdemokraten ge¬
geben, Plebejer, Sklaven, Volkstribunen und katilinarische Existenzen. Und das
müssen Sie doch selber sagen, Herr Wandrer, Ihre Bergleute find eine ganz ver¬
fluchte Rasselbande, lind die Frage ist die, wie machen wir es, daß wir uns diese
Rasselbande nicht über den Kopf wachsen lassen. Und das müssen Sie doch sagen,
daran hat das Werk ebenso großes Interesse wie wir. Denn wenn sie erst den
Bauern ihre Scheunen anstecken, dann lassen sie auch vou des Direktors Villa
keinen Stein ans dem andern.

Nein, das thun sie nicht, sagte August Hoppe; keinen Stein lassen sie auf
dem andern. -- Und den Fördcrtnrm sprengen sie mit Dimnid in die Luft, fügte
Herr Wilhelm Langbein hinzu. -- Ja, das thun sie, das thun sie, meinte der
alte Esch, der nicht genau verstanden hatte, von welchen Schandthaten die Rede sei.

Zu diesem Zeitpunkte erschien Doktor Dnttmüller, seine junge Iran feierlich
am Arme führend, er mit Cylinder, Handschuhen und tadelloser Bügelfalte in den
Beinkleidern, sie in Hellem Sommerkleide. Alice sah froh aus. Ihre Mienen, die
sonst etwas verschleiertes, undurchsichtiges gehabt hatten, waren aufgehellt, ihre
Augen sahen groß und freudig in die Welt, und ihr Mund hatte den Zug der
Resignation verloren. Es war, als wenn sie größer geworden wäre; voller war
sie jedenfalls geworden, und ihre Haltung hatte an würdevoller Anmut gewonnen. --
Wie eine Prinzessin, sagte Ellen, die für ihre Alice schwärmte.

Alice löste sich vom Arme ihres Gemahls und eilte, dem Vater im Vorüber¬
gehn einen Gruß zuwinkend, ihrer Mutter entgegen, die eben ans dem Hause trat.
Auch Ellen erhob sich, begrüßte Alice und ging mit ihr und der Mutter durch
den Park. Aber es dauerte nicht lange, so machte sie einen tiefen Knicks, empfahl
sich und kehrte zu ihrem Platze zurück. Um dem Doktor Platz zu machen, rückte
Wandrer seinen Stuhl zurück und kam so neben Ellen zu sitzen.

Sie kommen ja recht bald zurück, gnädiges Fräulein, sagte Wandrer; geschieht
das aus Pflichtgefühl?

Nein, denken Sie nnr, kaum ist Alice eingetreten, so simpelt sie mit Mama
schon Fach. Was soll ich dabei? Tante Lilli sagte mirs gleich ans der Hochzeit:
Gieb nnr Alice auf! Wenn Frauen erst verheiratet sind, dann sind sie für die
übrige Welt verloren. Ich hätte es nicht gedacht, aber Tante Lilli hatte Recht.

Meinen Sie nicht, erwiderte Wandrer, daß man die Pflicht hat, dem Glücke
derer, die man liebt, ein Opfer zu bringen?

Das thue ich ja auch, rief Ellen, nur sehe ich nicht ein, warum ich dabei
stehn soll, wenn Mainn und Alice ein Duett über die heilige Wirtschaft singen.


sich mit dieser — Büttelei nicht einlassen. Jetzt haben wir den Salat. Die
Industrie ist gut für die Aktienbesitzer, aber für die andern Menschenkinder, be¬
sonders für die Landwirtschaft, taugt sie den Henker nichts. Die Industrie frißt
das Land ratzekahl auf. Jawohl, billiges Vrvt, aber wo der Bauer bleibt, und
wo die bleiben, die von den Pachter leben, danach fragt keine Seele. Die In¬
dustrie nimmt uns die Arbeiter weg, die Industrie verdirbt Feld und Wald. Da
sehen Sie mal das Nottethal an, die grünen Wiesen, wo jetzt Heinrichshall steht,
was war das früher für ein Anstand auf Rehböcke. Und jetzt, nicht einmal ein
Karnickel kommt mehr heraus.

Die ländlichen Zuhörer nickten Beifall, und August Hoppe erinnerte sich in
Parenthese des kapitalen Achterbocks, den Fritze Poplitzens Vater vor langen Jahren
dort geschossen hatte. Es war der letzte Achter im ganzen Böhuhardt gewesen.
Der Herr Oberstleutnant fuhr fort: Meine Herren, wir haben die Freude, Herrn
Wandrer unter uns zu sehen, den gegenwärtigen Direktor des Werkes, den ich
überaus hoch schätze. Es sei ferne von uns, ihm oder dem Werke, das sich gerade bei
uns ansässig gemacht hat, Vorwürfe zu machen. Meine Herren, das sind so—zi—ale
Probleme, die so alt sind wie das gan—ze hei—lige rö—mische Reich. Ja, meine
Herren, ich weiß das, ich habe das eben jetzt studiert — da liegen noch die Bücher —
und kann Ihnen sagen, schon vor der Geburt Christi hat es Sozialdemokraten ge¬
geben, Plebejer, Sklaven, Volkstribunen und katilinarische Existenzen. Und das
müssen Sie doch selber sagen, Herr Wandrer, Ihre Bergleute find eine ganz ver¬
fluchte Rasselbande, lind die Frage ist die, wie machen wir es, daß wir uns diese
Rasselbande nicht über den Kopf wachsen lassen. Und das müssen Sie doch sagen,
daran hat das Werk ebenso großes Interesse wie wir. Denn wenn sie erst den
Bauern ihre Scheunen anstecken, dann lassen sie auch vou des Direktors Villa
keinen Stein ans dem andern.

Nein, das thun sie nicht, sagte August Hoppe; keinen Stein lassen sie auf
dem andern. — Und den Fördcrtnrm sprengen sie mit Dimnid in die Luft, fügte
Herr Wilhelm Langbein hinzu. — Ja, das thun sie, das thun sie, meinte der
alte Esch, der nicht genau verstanden hatte, von welchen Schandthaten die Rede sei.

Zu diesem Zeitpunkte erschien Doktor Dnttmüller, seine junge Iran feierlich
am Arme führend, er mit Cylinder, Handschuhen und tadelloser Bügelfalte in den
Beinkleidern, sie in Hellem Sommerkleide. Alice sah froh aus. Ihre Mienen, die
sonst etwas verschleiertes, undurchsichtiges gehabt hatten, waren aufgehellt, ihre
Augen sahen groß und freudig in die Welt, und ihr Mund hatte den Zug der
Resignation verloren. Es war, als wenn sie größer geworden wäre; voller war
sie jedenfalls geworden, und ihre Haltung hatte an würdevoller Anmut gewonnen. —
Wie eine Prinzessin, sagte Ellen, die für ihre Alice schwärmte.

Alice löste sich vom Arme ihres Gemahls und eilte, dem Vater im Vorüber¬
gehn einen Gruß zuwinkend, ihrer Mutter entgegen, die eben ans dem Hause trat.
Auch Ellen erhob sich, begrüßte Alice und ging mit ihr und der Mutter durch
den Park. Aber es dauerte nicht lange, so machte sie einen tiefen Knicks, empfahl
sich und kehrte zu ihrem Platze zurück. Um dem Doktor Platz zu machen, rückte
Wandrer seinen Stuhl zurück und kam so neben Ellen zu sitzen.

Sie kommen ja recht bald zurück, gnädiges Fräulein, sagte Wandrer; geschieht
das aus Pflichtgefühl?

Nein, denken Sie nnr, kaum ist Alice eingetreten, so simpelt sie mit Mama
schon Fach. Was soll ich dabei? Tante Lilli sagte mirs gleich ans der Hochzeit:
Gieb nnr Alice auf! Wenn Frauen erst verheiratet sind, dann sind sie für die
übrige Welt verloren. Ich hätte es nicht gedacht, aber Tante Lilli hatte Recht.

Meinen Sie nicht, erwiderte Wandrer, daß man die Pflicht hat, dem Glücke
derer, die man liebt, ein Opfer zu bringen?

Das thue ich ja auch, rief Ellen, nur sehe ich nicht ein, warum ich dabei
stehn soll, wenn Mainn und Alice ein Duett über die heilige Wirtschaft singen.


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[0115] sich mit dieser — Büttelei nicht einlassen. Jetzt haben wir den Salat. Die Industrie ist gut für die Aktienbesitzer, aber für die andern Menschenkinder, be¬ sonders für die Landwirtschaft, taugt sie den Henker nichts. Die Industrie frißt das Land ratzekahl auf. Jawohl, billiges Vrvt, aber wo der Bauer bleibt, und wo die bleiben, die von den Pachter leben, danach fragt keine Seele. Die In¬ dustrie nimmt uns die Arbeiter weg, die Industrie verdirbt Feld und Wald. Da sehen Sie mal das Nottethal an, die grünen Wiesen, wo jetzt Heinrichshall steht, was war das früher für ein Anstand auf Rehböcke. Und jetzt, nicht einmal ein Karnickel kommt mehr heraus. Die ländlichen Zuhörer nickten Beifall, und August Hoppe erinnerte sich in Parenthese des kapitalen Achterbocks, den Fritze Poplitzens Vater vor langen Jahren dort geschossen hatte. Es war der letzte Achter im ganzen Böhuhardt gewesen. Der Herr Oberstleutnant fuhr fort: Meine Herren, wir haben die Freude, Herrn Wandrer unter uns zu sehen, den gegenwärtigen Direktor des Werkes, den ich überaus hoch schätze. Es sei ferne von uns, ihm oder dem Werke, das sich gerade bei uns ansässig gemacht hat, Vorwürfe zu machen. Meine Herren, das sind so—zi—ale Probleme, die so alt sind wie das gan—ze hei—lige rö—mische Reich. Ja, meine Herren, ich weiß das, ich habe das eben jetzt studiert — da liegen noch die Bücher — und kann Ihnen sagen, schon vor der Geburt Christi hat es Sozialdemokraten ge¬ geben, Plebejer, Sklaven, Volkstribunen und katilinarische Existenzen. Und das müssen Sie doch selber sagen, Herr Wandrer, Ihre Bergleute find eine ganz ver¬ fluchte Rasselbande, lind die Frage ist die, wie machen wir es, daß wir uns diese Rasselbande nicht über den Kopf wachsen lassen. Und das müssen Sie doch sagen, daran hat das Werk ebenso großes Interesse wie wir. Denn wenn sie erst den Bauern ihre Scheunen anstecken, dann lassen sie auch vou des Direktors Villa keinen Stein ans dem andern. Nein, das thun sie nicht, sagte August Hoppe; keinen Stein lassen sie auf dem andern. — Und den Fördcrtnrm sprengen sie mit Dimnid in die Luft, fügte Herr Wilhelm Langbein hinzu. — Ja, das thun sie, das thun sie, meinte der alte Esch, der nicht genau verstanden hatte, von welchen Schandthaten die Rede sei. Zu diesem Zeitpunkte erschien Doktor Dnttmüller, seine junge Iran feierlich am Arme führend, er mit Cylinder, Handschuhen und tadelloser Bügelfalte in den Beinkleidern, sie in Hellem Sommerkleide. Alice sah froh aus. Ihre Mienen, die sonst etwas verschleiertes, undurchsichtiges gehabt hatten, waren aufgehellt, ihre Augen sahen groß und freudig in die Welt, und ihr Mund hatte den Zug der Resignation verloren. Es war, als wenn sie größer geworden wäre; voller war sie jedenfalls geworden, und ihre Haltung hatte an würdevoller Anmut gewonnen. — Wie eine Prinzessin, sagte Ellen, die für ihre Alice schwärmte. Alice löste sich vom Arme ihres Gemahls und eilte, dem Vater im Vorüber¬ gehn einen Gruß zuwinkend, ihrer Mutter entgegen, die eben ans dem Hause trat. Auch Ellen erhob sich, begrüßte Alice und ging mit ihr und der Mutter durch den Park. Aber es dauerte nicht lange, so machte sie einen tiefen Knicks, empfahl sich und kehrte zu ihrem Platze zurück. Um dem Doktor Platz zu machen, rückte Wandrer seinen Stuhl zurück und kam so neben Ellen zu sitzen. Sie kommen ja recht bald zurück, gnädiges Fräulein, sagte Wandrer; geschieht das aus Pflichtgefühl? Nein, denken Sie nnr, kaum ist Alice eingetreten, so simpelt sie mit Mama schon Fach. Was soll ich dabei? Tante Lilli sagte mirs gleich ans der Hochzeit: Gieb nnr Alice auf! Wenn Frauen erst verheiratet sind, dann sind sie für die übrige Welt verloren. Ich hätte es nicht gedacht, aber Tante Lilli hatte Recht. Meinen Sie nicht, erwiderte Wandrer, daß man die Pflicht hat, dem Glücke derer, die man liebt, ein Opfer zu bringen? Das thue ich ja auch, rief Ellen, nur sehe ich nicht ein, warum ich dabei stehn soll, wenn Mainn und Alice ein Duett über die heilige Wirtschaft singen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/115>, abgerufen am 04.06.2024.