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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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Doktor Duttmüller und sein Freund

nicht fehlen. Er ließ Vater Ölmcinn allein nach Hause gehn und den Umzug ausrichten
und trat sogleich in den Dienst. Er erhielt den Posten eines Materialieucmfsehers,
das heißt, er hatte darauf zu sehen, daß die Balken und Eisenteile, die auf dem
Hofe lagen, und was sonst in Schuppen und Magazinen untergebracht war, nicht
Beine kriegte und davonlief. Sogleich richtete er sich in der Schmiede eine Werk¬
statt ein, ließ sich vom Schmied das nötige Eisengerät machen und sing an zu
hämmern, zu feilen und zu töten, und in vierzehn Tagen waren die Instrumente
wieder in Ordnung. Wandrer war darüber sehr erfreut und bewilligte der Kapelle
auch noch ein Stahlinstrument. Und die Herren Musikanten waren wie die Lämmer.
Sie merkten bald, daß Drillhvse ihnen nicht allein an musikalischer Fähigkeit,
sondern auch an Willen und Fäusten überlegen war. Anfänglich machten sie über
die Stimme ihres Dirigenten hinter seinem Rücken Witze, bald aber gab sich das,
und die Kapelle, die täglich ein Paar Stunden übte, konnte nicht allein mit den
erforderlichen Märschen und Tänzen aufwarten, sondern spielte anch Ouvertüren
wie die Felsenmühle und den Kalifen von Bagdad und andre schöne Konzertsachen.
Und als Direktor Wenzel von seiner Reise zurückkam, brachte man ihm nach allen
Regeln der Kunst ein Morgenständchen.

Drillhose war ein gemachter Mann, der nicht allein seineu guten Lohn hatte,
sondern auch mit Tanzmusik in den umliegenden Dörfern einen schönen Groschen
Geld verdiente. Das verdankte er nicht der Ölmannschen dritten Potenz, auch
nicht dem Andenken an die Kirschdüten seiner Fran, sondern dem praktischen Blicke
Wandrers, der wohl erkannt hatte, daß sich ihm in Drillhose eine tüchtige Kraft bot.

Der Herr Oberstleutnant hatte den von ihm ins Leben gerufnen Patrivten-
bund schon wieder aus den Augen verloren, da er sich gerade mit andern Fragen,
nämlich mit der Wetterprognose und mit der Einrichtung eines Systems von Be-
obachtungsstatioueu und der eminenten Wichtigkeit der Benachrichtigung der Land¬
wirtschaft über die vorkommenden Mnxima und Minima beschäftigte.. Da brachte
ihm ein Ereignis die drohende Gefahr wieder in Erinnerung. Niemand hatte
etwas Böses geahnt, die Wähler zur Gemeindevertretnng waren säumig und ver¬
schlafen wie immer gewesen, da waren plötzlich die Schächter in Masse angekommen
und hatten bei der Wahl die ganze dritte Abteilung mit ihren Leuten besetzt. Und
unter diesen waren nicht allein die berüchtigtsten Krakeeler und zielbewußtesten Sozial¬
demokraten, sondern auch der Husarenweidling. Und das schickte sich jetzt an, die Zügel
des Regiments an sich zu reißen. Der Herr Oberstleutnant sah eine Reihe von Ver¬
sammlungen vor Augen, die noch unerfreulicher waren als die bisherigen, und
erwog, ob er nicht aus der Gemeindevertretung ausscheiden sollte. Daun aber
schämte er sich dieses Gedankens und beschloß, wie es sich für einen alten Militär
schickte, auf seinem Posten zu bleiben und den Kampf aufzunehmen. Da aber der
Angriff die beste Verteidigung ist, so nahm er den Gedanken des Patriotenbundes
wieder auf und versammelte ein Komitee, das die Thätigkeit dieses Bundes be¬
sprechen und protokollarisch festlegen sollte. In diesem Komitee wurde die Not¬
wendigkeit der Gegenwirkung gegen die destruktiven Tendenzen einer sozialistisch
durchseuchten Arbeiterschaft "klargelegt." Es wurde als die erste Aufgabe bezeichnet,
einen Sammelpunkt zu schaffen, ans dem die wohlgesinnte Einwohnerschaft zusammen¬
gefaßt werden sollte, um von hier aus die staatserhaltenden Kräfte nach allen
Seiten wirken zu lassen. Und zwar seien dazu dieselben Mittel anzuwenden, mit
denen die Sozialdemokratie so großes erreicht habe. Also in erster Linie die
Agitation. Es müsse agitiert werden für Gott, König und Vaterland. Wenn es
den verdammten Demokraten gelinge, mit ihrer Agitation die Leute verrückt zu
machen, so müßte es doch mit Krrrücken und Krrräutern zugehn, wenn man sie
nicht durch Agitation zu Pflicht und Ordnung wollte bringen können. Es müßten
Vorträge gehalten, Schriften verteilt, Vertrauensmänner ernannt, Kommissions¬
sitzungen gehalten werden, alles so, wie es in der vortrefflichen Broschüre von
Pastor Papenhagen über die soziale Frage zu lesen war. Fritze Poplitz fügte noch


Doktor Duttmüller und sein Freund

nicht fehlen. Er ließ Vater Ölmcinn allein nach Hause gehn und den Umzug ausrichten
und trat sogleich in den Dienst. Er erhielt den Posten eines Materialieucmfsehers,
das heißt, er hatte darauf zu sehen, daß die Balken und Eisenteile, die auf dem
Hofe lagen, und was sonst in Schuppen und Magazinen untergebracht war, nicht
Beine kriegte und davonlief. Sogleich richtete er sich in der Schmiede eine Werk¬
statt ein, ließ sich vom Schmied das nötige Eisengerät machen und sing an zu
hämmern, zu feilen und zu töten, und in vierzehn Tagen waren die Instrumente
wieder in Ordnung. Wandrer war darüber sehr erfreut und bewilligte der Kapelle
auch noch ein Stahlinstrument. Und die Herren Musikanten waren wie die Lämmer.
Sie merkten bald, daß Drillhvse ihnen nicht allein an musikalischer Fähigkeit,
sondern auch an Willen und Fäusten überlegen war. Anfänglich machten sie über
die Stimme ihres Dirigenten hinter seinem Rücken Witze, bald aber gab sich das,
und die Kapelle, die täglich ein Paar Stunden übte, konnte nicht allein mit den
erforderlichen Märschen und Tänzen aufwarten, sondern spielte anch Ouvertüren
wie die Felsenmühle und den Kalifen von Bagdad und andre schöne Konzertsachen.
Und als Direktor Wenzel von seiner Reise zurückkam, brachte man ihm nach allen
Regeln der Kunst ein Morgenständchen.

Drillhose war ein gemachter Mann, der nicht allein seineu guten Lohn hatte,
sondern auch mit Tanzmusik in den umliegenden Dörfern einen schönen Groschen
Geld verdiente. Das verdankte er nicht der Ölmannschen dritten Potenz, auch
nicht dem Andenken an die Kirschdüten seiner Fran, sondern dem praktischen Blicke
Wandrers, der wohl erkannt hatte, daß sich ihm in Drillhose eine tüchtige Kraft bot.

Der Herr Oberstleutnant hatte den von ihm ins Leben gerufnen Patrivten-
bund schon wieder aus den Augen verloren, da er sich gerade mit andern Fragen,
nämlich mit der Wetterprognose und mit der Einrichtung eines Systems von Be-
obachtungsstatioueu und der eminenten Wichtigkeit der Benachrichtigung der Land¬
wirtschaft über die vorkommenden Mnxima und Minima beschäftigte.. Da brachte
ihm ein Ereignis die drohende Gefahr wieder in Erinnerung. Niemand hatte
etwas Böses geahnt, die Wähler zur Gemeindevertretnng waren säumig und ver¬
schlafen wie immer gewesen, da waren plötzlich die Schächter in Masse angekommen
und hatten bei der Wahl die ganze dritte Abteilung mit ihren Leuten besetzt. Und
unter diesen waren nicht allein die berüchtigtsten Krakeeler und zielbewußtesten Sozial¬
demokraten, sondern auch der Husarenweidling. Und das schickte sich jetzt an, die Zügel
des Regiments an sich zu reißen. Der Herr Oberstleutnant sah eine Reihe von Ver¬
sammlungen vor Augen, die noch unerfreulicher waren als die bisherigen, und
erwog, ob er nicht aus der Gemeindevertretung ausscheiden sollte. Daun aber
schämte er sich dieses Gedankens und beschloß, wie es sich für einen alten Militär
schickte, auf seinem Posten zu bleiben und den Kampf aufzunehmen. Da aber der
Angriff die beste Verteidigung ist, so nahm er den Gedanken des Patriotenbundes
wieder auf und versammelte ein Komitee, das die Thätigkeit dieses Bundes be¬
sprechen und protokollarisch festlegen sollte. In diesem Komitee wurde die Not¬
wendigkeit der Gegenwirkung gegen die destruktiven Tendenzen einer sozialistisch
durchseuchten Arbeiterschaft „klargelegt." Es wurde als die erste Aufgabe bezeichnet,
einen Sammelpunkt zu schaffen, ans dem die wohlgesinnte Einwohnerschaft zusammen¬
gefaßt werden sollte, um von hier aus die staatserhaltenden Kräfte nach allen
Seiten wirken zu lassen. Und zwar seien dazu dieselben Mittel anzuwenden, mit
denen die Sozialdemokratie so großes erreicht habe. Also in erster Linie die
Agitation. Es müsse agitiert werden für Gott, König und Vaterland. Wenn es
den verdammten Demokraten gelinge, mit ihrer Agitation die Leute verrückt zu
machen, so müßte es doch mit Krrrücken und Krrräutern zugehn, wenn man sie
nicht durch Agitation zu Pflicht und Ordnung wollte bringen können. Es müßten
Vorträge gehalten, Schriften verteilt, Vertrauensmänner ernannt, Kommissions¬
sitzungen gehalten werden, alles so, wie es in der vortrefflichen Broschüre von
Pastor Papenhagen über die soziale Frage zu lesen war. Fritze Poplitz fügte noch


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[0158] Doktor Duttmüller und sein Freund nicht fehlen. Er ließ Vater Ölmcinn allein nach Hause gehn und den Umzug ausrichten und trat sogleich in den Dienst. Er erhielt den Posten eines Materialieucmfsehers, das heißt, er hatte darauf zu sehen, daß die Balken und Eisenteile, die auf dem Hofe lagen, und was sonst in Schuppen und Magazinen untergebracht war, nicht Beine kriegte und davonlief. Sogleich richtete er sich in der Schmiede eine Werk¬ statt ein, ließ sich vom Schmied das nötige Eisengerät machen und sing an zu hämmern, zu feilen und zu töten, und in vierzehn Tagen waren die Instrumente wieder in Ordnung. Wandrer war darüber sehr erfreut und bewilligte der Kapelle auch noch ein Stahlinstrument. Und die Herren Musikanten waren wie die Lämmer. Sie merkten bald, daß Drillhvse ihnen nicht allein an musikalischer Fähigkeit, sondern auch an Willen und Fäusten überlegen war. Anfänglich machten sie über die Stimme ihres Dirigenten hinter seinem Rücken Witze, bald aber gab sich das, und die Kapelle, die täglich ein Paar Stunden übte, konnte nicht allein mit den erforderlichen Märschen und Tänzen aufwarten, sondern spielte anch Ouvertüren wie die Felsenmühle und den Kalifen von Bagdad und andre schöne Konzertsachen. Und als Direktor Wenzel von seiner Reise zurückkam, brachte man ihm nach allen Regeln der Kunst ein Morgenständchen. Drillhose war ein gemachter Mann, der nicht allein seineu guten Lohn hatte, sondern auch mit Tanzmusik in den umliegenden Dörfern einen schönen Groschen Geld verdiente. Das verdankte er nicht der Ölmannschen dritten Potenz, auch nicht dem Andenken an die Kirschdüten seiner Fran, sondern dem praktischen Blicke Wandrers, der wohl erkannt hatte, daß sich ihm in Drillhose eine tüchtige Kraft bot. Der Herr Oberstleutnant hatte den von ihm ins Leben gerufnen Patrivten- bund schon wieder aus den Augen verloren, da er sich gerade mit andern Fragen, nämlich mit der Wetterprognose und mit der Einrichtung eines Systems von Be- obachtungsstatioueu und der eminenten Wichtigkeit der Benachrichtigung der Land¬ wirtschaft über die vorkommenden Mnxima und Minima beschäftigte.. Da brachte ihm ein Ereignis die drohende Gefahr wieder in Erinnerung. Niemand hatte etwas Böses geahnt, die Wähler zur Gemeindevertretnng waren säumig und ver¬ schlafen wie immer gewesen, da waren plötzlich die Schächter in Masse angekommen und hatten bei der Wahl die ganze dritte Abteilung mit ihren Leuten besetzt. Und unter diesen waren nicht allein die berüchtigtsten Krakeeler und zielbewußtesten Sozial¬ demokraten, sondern auch der Husarenweidling. Und das schickte sich jetzt an, die Zügel des Regiments an sich zu reißen. Der Herr Oberstleutnant sah eine Reihe von Ver¬ sammlungen vor Augen, die noch unerfreulicher waren als die bisherigen, und erwog, ob er nicht aus der Gemeindevertretung ausscheiden sollte. Daun aber schämte er sich dieses Gedankens und beschloß, wie es sich für einen alten Militär schickte, auf seinem Posten zu bleiben und den Kampf aufzunehmen. Da aber der Angriff die beste Verteidigung ist, so nahm er den Gedanken des Patriotenbundes wieder auf und versammelte ein Komitee, das die Thätigkeit dieses Bundes be¬ sprechen und protokollarisch festlegen sollte. In diesem Komitee wurde die Not¬ wendigkeit der Gegenwirkung gegen die destruktiven Tendenzen einer sozialistisch durchseuchten Arbeiterschaft „klargelegt." Es wurde als die erste Aufgabe bezeichnet, einen Sammelpunkt zu schaffen, ans dem die wohlgesinnte Einwohnerschaft zusammen¬ gefaßt werden sollte, um von hier aus die staatserhaltenden Kräfte nach allen Seiten wirken zu lassen. Und zwar seien dazu dieselben Mittel anzuwenden, mit denen die Sozialdemokratie so großes erreicht habe. Also in erster Linie die Agitation. Es müsse agitiert werden für Gott, König und Vaterland. Wenn es den verdammten Demokraten gelinge, mit ihrer Agitation die Leute verrückt zu machen, so müßte es doch mit Krrrücken und Krrräutern zugehn, wenn man sie nicht durch Agitation zu Pflicht und Ordnung wollte bringen können. Es müßten Vorträge gehalten, Schriften verteilt, Vertrauensmänner ernannt, Kommissions¬ sitzungen gehalten werden, alles so, wie es in der vortrefflichen Broschüre von Pastor Papenhagen über die soziale Frage zu lesen war. Fritze Poplitz fügte noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/158>, abgerufen am 17.06.2024.