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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr.

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nur zur Vollstreckern! des tschechische" Programms, des Umsturzes der Ver¬
fassung machen würde. Im stillen können sie sich freilich nicht der Erwägung
verschließen, daß der vou ihnen nur als Übergang zum Föderalismus gedachte
Absolutismus ihnen doch wahrscheinlich ein durchaus andres Gesicht zeigen
würde, als sie es sich wünschen.

Am betroffensten waren von der Entschlossenheit Dr. Körbers, das poli¬
tische Jntriguenspiel der Parteien sich und dem Staatswohl nicht über den
Hals wachsen zu lassen, die Feudalen. Denn sie mochten die sicherste Kunde
haben, daß das entschiedne Austreten des Ministerpräsidenten von der Krone
veranlaßt worden war, der nicht verborgen sein konnte, daß sich die verdeckte
Obstruktion des Tschechentums zur Unterbindung der parlamentarischen Thätig¬
keit der geheimen wohlwollenden Unterstützung der ebenfalls für das böhmische
Staatsrecht schwärmenden Feudalen erfreue. Die Aufhebung der Verfassung
würde aber nicht dem immer mächtigen Einfluß dieser kleinen Partei, sondern
der Bureaukratie und dem Militarismus zu gute kommen.

Seit der Rede vom 9. Dezember kommt nun der zuerst vom. Tschechen
Nntaj ausgesprochne Staatsstreichgedanke nicht zur Ruhe. Denn wenn die
nach Neujahr vorbereiteten und nach der Erledigung des Jahresvoranschlags
formell zu eröffnenden Verhandlungen zwischen Deutschen und Tschechen, deren
Aussichten durch die kurze Tagung des böhmischen Landtags um die Jahres-
weude keineswegs verbessert worden sind, zu keinem Ergebnis führen, so
werden die mit unheimlicher Schnelligkeit näher kommenden Termine der
wirtschaftlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Neichshälften das öster¬
reichische Kabinett im Laufe dieses Jahres zu unvermeidlichen Entschließungen
drängen, für die der Notparagraph 14 nicht ausreicht. Daran wird auch
die Meinung der deutschen Fortschrittspartei, daß man sich mit den beschwich¬
tigenden Erläuterungen der Körberschen Rede nicht begnügen dürfe, sondern
gegen jede Idee eines Staatsstreichs auf das feierlichste protestieren müsse,
nichts zu ändern vermögen. Gewiß wird der jetzige oder ein künftiger
Ministerpräsident zum Absolutismus nicht zum Vergnügen, sondern nur unter
dem zwingendsten Drange der Umstände greifen.

Die Tschechen verdächtigen allerdings Dr. Körber dahin, daß er das
Parlament überhaupt satt habe und es auf jeden Fall werde los werden
wollen, auch wenn keine Spur eines Obstrnktionsfunkens vorhanden wäre,
weil er den Steuerträgern ein sehr fühlbares Opfer werde zumuten müssen,
das er von gar keiner Partei erhalten zu können glaubt. Die Rettung des
Reichs dürfe aber nicht in dein stumpfen militärisch-bureaukratischen, germa¬
nisierenden und volkstötenden Absolutismus, sondern einzig und allein dnrch
die Verbesserung der Verfassung im Geiste der Gerechtigkeit gegen alle Völker
gesucht werden, sodaß sie die Angelegenheiten ihrer Länder ohne die Vormund¬
schaft der Deutschen besorgen konnten. Das ist eben das alte Lied von der
Auslieferung der Deutschen in den Ländern der böhmischen Krone an die
rücksichtslose tschechische Majorität, die nichts nach der Vernichtung der gegen¬
wärtigen Verfassung fragt, weil sie sie jn immer nur als ein Provisorium be¬
trachtet hat. Ein klerikales Organ erläutert den Staatsstreich als eine Ver-


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nur zur Vollstreckern! des tschechische» Programms, des Umsturzes der Ver¬
fassung machen würde. Im stillen können sie sich freilich nicht der Erwägung
verschließen, daß der vou ihnen nur als Übergang zum Föderalismus gedachte
Absolutismus ihnen doch wahrscheinlich ein durchaus andres Gesicht zeigen
würde, als sie es sich wünschen.

Am betroffensten waren von der Entschlossenheit Dr. Körbers, das poli¬
tische Jntriguenspiel der Parteien sich und dem Staatswohl nicht über den
Hals wachsen zu lassen, die Feudalen. Denn sie mochten die sicherste Kunde
haben, daß das entschiedne Austreten des Ministerpräsidenten von der Krone
veranlaßt worden war, der nicht verborgen sein konnte, daß sich die verdeckte
Obstruktion des Tschechentums zur Unterbindung der parlamentarischen Thätig¬
keit der geheimen wohlwollenden Unterstützung der ebenfalls für das böhmische
Staatsrecht schwärmenden Feudalen erfreue. Die Aufhebung der Verfassung
würde aber nicht dem immer mächtigen Einfluß dieser kleinen Partei, sondern
der Bureaukratie und dem Militarismus zu gute kommen.

Seit der Rede vom 9. Dezember kommt nun der zuerst vom. Tschechen
Nntaj ausgesprochne Staatsstreichgedanke nicht zur Ruhe. Denn wenn die
nach Neujahr vorbereiteten und nach der Erledigung des Jahresvoranschlags
formell zu eröffnenden Verhandlungen zwischen Deutschen und Tschechen, deren
Aussichten durch die kurze Tagung des böhmischen Landtags um die Jahres-
weude keineswegs verbessert worden sind, zu keinem Ergebnis führen, so
werden die mit unheimlicher Schnelligkeit näher kommenden Termine der
wirtschaftlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Neichshälften das öster¬
reichische Kabinett im Laufe dieses Jahres zu unvermeidlichen Entschließungen
drängen, für die der Notparagraph 14 nicht ausreicht. Daran wird auch
die Meinung der deutschen Fortschrittspartei, daß man sich mit den beschwich¬
tigenden Erläuterungen der Körberschen Rede nicht begnügen dürfe, sondern
gegen jede Idee eines Staatsstreichs auf das feierlichste protestieren müsse,
nichts zu ändern vermögen. Gewiß wird der jetzige oder ein künftiger
Ministerpräsident zum Absolutismus nicht zum Vergnügen, sondern nur unter
dem zwingendsten Drange der Umstände greifen.

Die Tschechen verdächtigen allerdings Dr. Körber dahin, daß er das
Parlament überhaupt satt habe und es auf jeden Fall werde los werden
wollen, auch wenn keine Spur eines Obstrnktionsfunkens vorhanden wäre,
weil er den Steuerträgern ein sehr fühlbares Opfer werde zumuten müssen,
das er von gar keiner Partei erhalten zu können glaubt. Die Rettung des
Reichs dürfe aber nicht in dein stumpfen militärisch-bureaukratischen, germa¬
nisierenden und volkstötenden Absolutismus, sondern einzig und allein dnrch
die Verbesserung der Verfassung im Geiste der Gerechtigkeit gegen alle Völker
gesucht werden, sodaß sie die Angelegenheiten ihrer Länder ohne die Vormund¬
schaft der Deutschen besorgen konnten. Das ist eben das alte Lied von der
Auslieferung der Deutschen in den Ländern der böhmischen Krone an die
rücksichtslose tschechische Majorität, die nichts nach der Vernichtung der gegen¬
wärtigen Verfassung fragt, weil sie sie jn immer nur als ein Provisorium be¬
trachtet hat. Ein klerikales Organ erläutert den Staatsstreich als eine Ver-


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[0190] österreichisches nur zur Vollstreckern! des tschechische» Programms, des Umsturzes der Ver¬ fassung machen würde. Im stillen können sie sich freilich nicht der Erwägung verschließen, daß der vou ihnen nur als Übergang zum Föderalismus gedachte Absolutismus ihnen doch wahrscheinlich ein durchaus andres Gesicht zeigen würde, als sie es sich wünschen. Am betroffensten waren von der Entschlossenheit Dr. Körbers, das poli¬ tische Jntriguenspiel der Parteien sich und dem Staatswohl nicht über den Hals wachsen zu lassen, die Feudalen. Denn sie mochten die sicherste Kunde haben, daß das entschiedne Austreten des Ministerpräsidenten von der Krone veranlaßt worden war, der nicht verborgen sein konnte, daß sich die verdeckte Obstruktion des Tschechentums zur Unterbindung der parlamentarischen Thätig¬ keit der geheimen wohlwollenden Unterstützung der ebenfalls für das böhmische Staatsrecht schwärmenden Feudalen erfreue. Die Aufhebung der Verfassung würde aber nicht dem immer mächtigen Einfluß dieser kleinen Partei, sondern der Bureaukratie und dem Militarismus zu gute kommen. Seit der Rede vom 9. Dezember kommt nun der zuerst vom. Tschechen Nntaj ausgesprochne Staatsstreichgedanke nicht zur Ruhe. Denn wenn die nach Neujahr vorbereiteten und nach der Erledigung des Jahresvoranschlags formell zu eröffnenden Verhandlungen zwischen Deutschen und Tschechen, deren Aussichten durch die kurze Tagung des böhmischen Landtags um die Jahres- weude keineswegs verbessert worden sind, zu keinem Ergebnis führen, so werden die mit unheimlicher Schnelligkeit näher kommenden Termine der wirtschaftlichen Auseinandersetzung zwischen den beiden Neichshälften das öster¬ reichische Kabinett im Laufe dieses Jahres zu unvermeidlichen Entschließungen drängen, für die der Notparagraph 14 nicht ausreicht. Daran wird auch die Meinung der deutschen Fortschrittspartei, daß man sich mit den beschwich¬ tigenden Erläuterungen der Körberschen Rede nicht begnügen dürfe, sondern gegen jede Idee eines Staatsstreichs auf das feierlichste protestieren müsse, nichts zu ändern vermögen. Gewiß wird der jetzige oder ein künftiger Ministerpräsident zum Absolutismus nicht zum Vergnügen, sondern nur unter dem zwingendsten Drange der Umstände greifen. Die Tschechen verdächtigen allerdings Dr. Körber dahin, daß er das Parlament überhaupt satt habe und es auf jeden Fall werde los werden wollen, auch wenn keine Spur eines Obstrnktionsfunkens vorhanden wäre, weil er den Steuerträgern ein sehr fühlbares Opfer werde zumuten müssen, das er von gar keiner Partei erhalten zu können glaubt. Die Rettung des Reichs dürfe aber nicht in dein stumpfen militärisch-bureaukratischen, germa¬ nisierenden und volkstötenden Absolutismus, sondern einzig und allein dnrch die Verbesserung der Verfassung im Geiste der Gerechtigkeit gegen alle Völker gesucht werden, sodaß sie die Angelegenheiten ihrer Länder ohne die Vormund¬ schaft der Deutschen besorgen konnten. Das ist eben das alte Lied von der Auslieferung der Deutschen in den Ländern der böhmischen Krone an die rücksichtslose tschechische Majorität, die nichts nach der Vernichtung der gegen¬ wärtigen Verfassung fragt, weil sie sie jn immer nur als ein Provisorium be¬ trachtet hat. Ein klerikales Organ erläutert den Staatsstreich als eine Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_237285/190>, abgerufen am 17.06.2024.