Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Im Lande der tausend Seen Hafen umschließenden Marktplatz angrenzt, zieht ein seltsames Bauwerk den Die größte Sehenswürdigkeit in der Umgebung der Stadt ist unstreitig Grenzboten III 1304
Im Lande der tausend Seen Hafen umschließenden Marktplatz angrenzt, zieht ein seltsames Bauwerk den Die größte Sehenswürdigkeit in der Umgebung der Stadt ist unstreitig Grenzboten III 1304
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294526"/> <fw type="header" place="top"> Im Lande der tausend Seen</fw><lb/> <p xml:id="ID_388" prev="#ID_387"> Hafen umschließenden Marktplatz angrenzt, zieht ein seltsames Bauwerk den<lb/> Blick des Fremden auf sich: der aus dem Mittelalter stammende liuuäa<lb/> doinst, ein plumper, niedriger, runder Bau, ursprünglich wohl Pulverturm, an<lb/> den sich ehemals die jetzt zum größten Teil zerstörte Stadtmauer anschloß.<lb/> Jetzt dient er zur Aufbewahrung von Getreide, und in den ringsumlaufenden<lb/> niedern Hallen verkaufen finnische Weiber verschiedne Sorten des einheimischen<lb/> Brots, vom steinharten Knöckbröd in allen seinen Abstufungen bis hinauf zum<lb/> feinporigen „Wiborger Kränzel," das in großen Mengen nach Petersburg ge¬<lb/> bracht wird. Ju der Nähe des Markes am Ausgang der Esplanade liegt<lb/> die alte lutherische Kirche, in der abwechselnd schwedisch und deutsch gepredigt<lb/> wird. An dem sich hinter der Esplanade ausdehnenden Paradeplatz erhebt<lb/> sich die von alten Bäumen beschattete russische Kirche, in dem hochgelegnen<lb/> neuen Stadtteil der von einem schlanken gotischen Turm überragte imposante<lb/> rote Ziegelbau der neuen finnischen Kirche. Die Hauptverkehrsader der Stadt,<lb/> die Katharinenstraße, wird von einer Menge Querstraßen durchkreuzt, die alle<lb/> steil bergan klettern. Jenseits der hochgelegnen, nur kleine niedrige Häuser<lb/> aufweisenden obern Stadt fällt das felsige Ufer aus schwindelnder Höhe un¬<lb/> mittelbar schroff zum Meere ab, wo sich eine weite Fernsicht auf die von<lb/> Petersburger Sommerfrischlern bewohnten bewaldeten Inseln und Halbinseln<lb/> auftut, unter denen sich Hortana durch üppige Vegetation und die uralten im<lb/> Norden sonst seltnen Eichenwälder auszeichnet. Jenseits Hortcmas zeigen sich<lb/> die befestigten Mauern des auf einer Felseninsel liegenden Forts Trcmgsund,<lb/> das die Einfahrt in den Wiborger Hafen beherrscht. All diese Ortschaften<lb/> haben täglich mehrmals Dampferverbindung mit Wiborg. Noch reger ist der<lb/> Verkehr mit den zahlreichen am Wiborger Binnensee liegenden kleinen Vor¬<lb/> orten. Aller halben Stunden laufen vom Jnncnhafen am Marktplatz die kleinen<lb/> Dampfer aus, die wie flinke Seeschwalben zwischen den riesigen Holzbarken<lb/> und Segelbooten hin und her kreuzen, den dem berühmten Park von Monrepos<lb/> vorgelagerten Villenort Pikkirunki anlaufen, an der „Nükternhctsinsel" Hus-<lb/> niemi Station machen und in dem am rechten Seeufer liegenden Papula ihre<lb/> Endstation erreichen. Schöne Promenadcnwege führen hier an dem bewal¬<lb/> deten steilen Ufer empor bis zu dem auf dem höchsten Punkte stehenden Wasser¬<lb/> kuren, von dessen Plattform aus man den herrlichsten Gesmntanblick der Stadt<lb/> genießt. Die schönen steinernen Landhäuser am Ufer des Sees sind meist<lb/> im Besitz reicher Privatleute; über die grünen Wipfel der sie umgebenden<lb/> hohen Waldbäume blitzen im Sonnenlicht die goldnen Kuppeln des griechisch¬<lb/> orthodoxen Mönchsklosters, das jenseits Papulas im Grün des Ufers ver¬<lb/> steckt liegt.</p><lb/> <p xml:id="ID_389" next="#ID_390"> Die größte Sehenswürdigkeit in der Umgebung der Stadt ist unstreitig<lb/> der Park von Monrepos, dessen eigentümliche Schönheit einen bestrickenden Reiz<lb/> auf jeden ausübt, der ihn zum erstenmal besucht. Zu Ende des achtzehnten Jahr¬<lb/> hunderts schenkte Kaiser Paul dieses Besitztum dem Baron Nicolaj als Fidei-<lb/> kommiß mit Zusicherung einer jährlichen bedeutenden Subvention aus der<lb/> kaiserlichen Privatschatulle zur Instandhaltung des Parks. Dieser ist mit ge¬<lb/> nialer Benutzung des von der Natur so verschwenderisch aebvtnen Materials</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III 1304</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0109]
Im Lande der tausend Seen
Hafen umschließenden Marktplatz angrenzt, zieht ein seltsames Bauwerk den
Blick des Fremden auf sich: der aus dem Mittelalter stammende liuuäa
doinst, ein plumper, niedriger, runder Bau, ursprünglich wohl Pulverturm, an
den sich ehemals die jetzt zum größten Teil zerstörte Stadtmauer anschloß.
Jetzt dient er zur Aufbewahrung von Getreide, und in den ringsumlaufenden
niedern Hallen verkaufen finnische Weiber verschiedne Sorten des einheimischen
Brots, vom steinharten Knöckbröd in allen seinen Abstufungen bis hinauf zum
feinporigen „Wiborger Kränzel," das in großen Mengen nach Petersburg ge¬
bracht wird. Ju der Nähe des Markes am Ausgang der Esplanade liegt
die alte lutherische Kirche, in der abwechselnd schwedisch und deutsch gepredigt
wird. An dem sich hinter der Esplanade ausdehnenden Paradeplatz erhebt
sich die von alten Bäumen beschattete russische Kirche, in dem hochgelegnen
neuen Stadtteil der von einem schlanken gotischen Turm überragte imposante
rote Ziegelbau der neuen finnischen Kirche. Die Hauptverkehrsader der Stadt,
die Katharinenstraße, wird von einer Menge Querstraßen durchkreuzt, die alle
steil bergan klettern. Jenseits der hochgelegnen, nur kleine niedrige Häuser
aufweisenden obern Stadt fällt das felsige Ufer aus schwindelnder Höhe un¬
mittelbar schroff zum Meere ab, wo sich eine weite Fernsicht auf die von
Petersburger Sommerfrischlern bewohnten bewaldeten Inseln und Halbinseln
auftut, unter denen sich Hortana durch üppige Vegetation und die uralten im
Norden sonst seltnen Eichenwälder auszeichnet. Jenseits Hortcmas zeigen sich
die befestigten Mauern des auf einer Felseninsel liegenden Forts Trcmgsund,
das die Einfahrt in den Wiborger Hafen beherrscht. All diese Ortschaften
haben täglich mehrmals Dampferverbindung mit Wiborg. Noch reger ist der
Verkehr mit den zahlreichen am Wiborger Binnensee liegenden kleinen Vor¬
orten. Aller halben Stunden laufen vom Jnncnhafen am Marktplatz die kleinen
Dampfer aus, die wie flinke Seeschwalben zwischen den riesigen Holzbarken
und Segelbooten hin und her kreuzen, den dem berühmten Park von Monrepos
vorgelagerten Villenort Pikkirunki anlaufen, an der „Nükternhctsinsel" Hus-
niemi Station machen und in dem am rechten Seeufer liegenden Papula ihre
Endstation erreichen. Schöne Promenadcnwege führen hier an dem bewal¬
deten steilen Ufer empor bis zu dem auf dem höchsten Punkte stehenden Wasser¬
kuren, von dessen Plattform aus man den herrlichsten Gesmntanblick der Stadt
genießt. Die schönen steinernen Landhäuser am Ufer des Sees sind meist
im Besitz reicher Privatleute; über die grünen Wipfel der sie umgebenden
hohen Waldbäume blitzen im Sonnenlicht die goldnen Kuppeln des griechisch¬
orthodoxen Mönchsklosters, das jenseits Papulas im Grün des Ufers ver¬
steckt liegt.
Die größte Sehenswürdigkeit in der Umgebung der Stadt ist unstreitig
der Park von Monrepos, dessen eigentümliche Schönheit einen bestrickenden Reiz
auf jeden ausübt, der ihn zum erstenmal besucht. Zu Ende des achtzehnten Jahr¬
hunderts schenkte Kaiser Paul dieses Besitztum dem Baron Nicolaj als Fidei-
kommiß mit Zusicherung einer jährlichen bedeutenden Subvention aus der
kaiserlichen Privatschatulle zur Instandhaltung des Parks. Dieser ist mit ge¬
nialer Benutzung des von der Natur so verschwenderisch aebvtnen Materials
Grenzboten III 1304
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