Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Nie private Feuervorsichernttg haben sich die öffentlichen Versicherungsanstalten zum Teil bis auf unsre Tage Die private Feuerversicherung ist aus England nach Deutschland gekommen. Den privaten Feuerversicherungsuuternehmnngen ist von Anfang an das Nie private Feuervorsichernttg haben sich die öffentlichen Versicherungsanstalten zum Teil bis auf unsre Tage Die private Feuerversicherung ist aus England nach Deutschland gekommen. Den privaten Feuerversicherungsuuternehmnngen ist von Anfang an das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0572" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294989"/> <fw type="header" place="top"> Nie private Feuervorsichernttg</fw><lb/> <p xml:id="ID_2589" prev="#ID_2588"> haben sich die öffentlichen Versicherungsanstalten zum Teil bis auf unsre Tage<lb/> in wenig veränderter Gestalt behaupten können; teils haben sie sich aber auch,<lb/> veranlaßt durch den Wettbewerb der Privatunternehmungen, den modernen An¬<lb/> forderungen mehr und mehr angepaßt, ihre Bestimmungen und ihren Betrieb<lb/> modernisiert und zum Teil auch die Mobiliarversichernug, die lange ausschlie߬<lb/> lich deu Privatunternehmungen überlassen blieb, aufgenommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2590"> Die private Feuerversicherung ist aus England nach Deutschland gekommen.<lb/> Schon seit 1786 hatte die Londoner Phönix-Assekuranz-Kompagnie eine Zweig¬<lb/> niederlassung in Hamburg errichtet, die im ganzen deutscheu Bundesgebiet Ver¬<lb/> sicherungen vermittelte. Eine Ergänzung der öffentlichen Versicherungsanstalten<lb/> war notwendig, da sie nur für Immobilien Versicherungsschutz gewährten, und<lb/> auch dieser lauge Zeit mehr einer Beihilfe zum Wiederaufbau als einer wirk¬<lb/> lichen Entschädigung glich. Der Kaufmann wollte jedoch auch seine Waren<lb/> und Vorräte, der wohlhabende Bürger seine Möbel und Kunstwerke, der Land¬<lb/> mann sein Vieh und seine Ernte vor Verlusten infolge Brandschadens schützen,<lb/> konnte das aber nur bei privaten Unternehmungen tun. Diese waren also eine<lb/> Notwendigkeit geworden und hatten eine bedeutende wirtschaftliche Aufgabe zu<lb/> erfüllen. Angeregt durch das erfolgreiche Beispiel der englischen Gesellschaften<lb/> und begünstigt von dem allmählichen Aufschwung, den das wirtschaftliche Leben<lb/> der Nation nach den Freiheitskriegen nahm, wurden 1812 in Berlin und 1819<lb/> in Leipzig die ersten deutschen Privatfeuerversicherungsgesellschaften und zwar in<lb/> der Form von Aktiengesellschaften gegründet, denen bald andre, so 1823 die<lb/> „Vaterländische" in Elberfeld und 1825 die „Aachener" nachfolgten. Ungefähr<lb/> zu derselben Zeit, 1821, wurde die erste große Feuerversicherungsgesellschast auf<lb/> Gegenseitigkeit, die Gothaer, gegründet, deren außerordentlich günstige Entwicklung<lb/> ihr zu einem großen und im ganzen wohlberechtigten und segensreichen Einfluß<lb/> auf das deutsche Versicherungswesen verholfen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_2591" next="#ID_2592"> Den privaten Feuerversicherungsuuternehmnngen ist von Anfang an das<lb/> Leben nicht leicht gemacht worden, obwohl sie, wie gezeigt worden ist, ein<lb/> dringendes volkswirtschaftliches Bedürfnis zu erfüllen hatten. Die Sozietäten<lb/> und die andern öffentlichen Versicherungsanstalten sahen in den Privatunter¬<lb/> nehmungen nur gar zu gern ihre Konkurrenten und fanden den Staat meist<lb/> geneigt, nicht nur zu ihrem Schutze jede Konkurrenzmöglichkeit durch die Ver¬<lb/> teilung von Monopolen an die öffentlichen Versicherungsanstalten zu beseitigen,<lb/> sondern auch sonst allerlei einschränkende Maßregeln anzuordnen. Die Ein¬<lb/> bildung, daß die öffentlichen Anstalten Musterbetriebe seien, beherrschte die Gesetz¬<lb/> geber und bewirkte, daß die Einrichtungen der öffentlichen Brandkassen im<lb/> wesentlichen auch den Vorschriften über den Betrieb der Privatunternehmungen<lb/> als Muster dienten. Dazu kam die leider gerechtfertigte Besorgnis, daß das<lb/> Versprechen einer Brandentschndiguug die Neigung zu absichtlicher Brandstiftung<lb/> in der Hoffnung auf unredlichen Gewinn wecken könne, und endlich trat auch<lb/> das Bestreben hervor, die reichen Mittel der Privatunternehmungen recht gründlich<lb/> für die Besteuerung ausnutzen zu können. So entwickelte sich im Laufe des<lb/> vorige» Jahrhunderts eine ganz unglaubliche Menge von einzelnen, unter sich<lb/> völlig zusammenhanglosen und aufeinander keine Rücksicht nehmenden Gesetzen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0572]
Nie private Feuervorsichernttg
haben sich die öffentlichen Versicherungsanstalten zum Teil bis auf unsre Tage
in wenig veränderter Gestalt behaupten können; teils haben sie sich aber auch,
veranlaßt durch den Wettbewerb der Privatunternehmungen, den modernen An¬
forderungen mehr und mehr angepaßt, ihre Bestimmungen und ihren Betrieb
modernisiert und zum Teil auch die Mobiliarversichernug, die lange ausschlie߬
lich deu Privatunternehmungen überlassen blieb, aufgenommen.
Die private Feuerversicherung ist aus England nach Deutschland gekommen.
Schon seit 1786 hatte die Londoner Phönix-Assekuranz-Kompagnie eine Zweig¬
niederlassung in Hamburg errichtet, die im ganzen deutscheu Bundesgebiet Ver¬
sicherungen vermittelte. Eine Ergänzung der öffentlichen Versicherungsanstalten
war notwendig, da sie nur für Immobilien Versicherungsschutz gewährten, und
auch dieser lauge Zeit mehr einer Beihilfe zum Wiederaufbau als einer wirk¬
lichen Entschädigung glich. Der Kaufmann wollte jedoch auch seine Waren
und Vorräte, der wohlhabende Bürger seine Möbel und Kunstwerke, der Land¬
mann sein Vieh und seine Ernte vor Verlusten infolge Brandschadens schützen,
konnte das aber nur bei privaten Unternehmungen tun. Diese waren also eine
Notwendigkeit geworden und hatten eine bedeutende wirtschaftliche Aufgabe zu
erfüllen. Angeregt durch das erfolgreiche Beispiel der englischen Gesellschaften
und begünstigt von dem allmählichen Aufschwung, den das wirtschaftliche Leben
der Nation nach den Freiheitskriegen nahm, wurden 1812 in Berlin und 1819
in Leipzig die ersten deutschen Privatfeuerversicherungsgesellschaften und zwar in
der Form von Aktiengesellschaften gegründet, denen bald andre, so 1823 die
„Vaterländische" in Elberfeld und 1825 die „Aachener" nachfolgten. Ungefähr
zu derselben Zeit, 1821, wurde die erste große Feuerversicherungsgesellschast auf
Gegenseitigkeit, die Gothaer, gegründet, deren außerordentlich günstige Entwicklung
ihr zu einem großen und im ganzen wohlberechtigten und segensreichen Einfluß
auf das deutsche Versicherungswesen verholfen hat.
Den privaten Feuerversicherungsuuternehmnngen ist von Anfang an das
Leben nicht leicht gemacht worden, obwohl sie, wie gezeigt worden ist, ein
dringendes volkswirtschaftliches Bedürfnis zu erfüllen hatten. Die Sozietäten
und die andern öffentlichen Versicherungsanstalten sahen in den Privatunter¬
nehmungen nur gar zu gern ihre Konkurrenten und fanden den Staat meist
geneigt, nicht nur zu ihrem Schutze jede Konkurrenzmöglichkeit durch die Ver¬
teilung von Monopolen an die öffentlichen Versicherungsanstalten zu beseitigen,
sondern auch sonst allerlei einschränkende Maßregeln anzuordnen. Die Ein¬
bildung, daß die öffentlichen Anstalten Musterbetriebe seien, beherrschte die Gesetz¬
geber und bewirkte, daß die Einrichtungen der öffentlichen Brandkassen im
wesentlichen auch den Vorschriften über den Betrieb der Privatunternehmungen
als Muster dienten. Dazu kam die leider gerechtfertigte Besorgnis, daß das
Versprechen einer Brandentschndiguug die Neigung zu absichtlicher Brandstiftung
in der Hoffnung auf unredlichen Gewinn wecken könne, und endlich trat auch
das Bestreben hervor, die reichen Mittel der Privatunternehmungen recht gründlich
für die Besteuerung ausnutzen zu können. So entwickelte sich im Laufe des
vorige» Jahrhunderts eine ganz unglaubliche Menge von einzelnen, unter sich
völlig zusammenhanglosen und aufeinander keine Rücksicht nehmenden Gesetzen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |