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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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und Polizeimaßrcgeln, die die Einschränkung, Überwachung und fiskalische
Nutzbarmachung der privaten Fenerversichcrnngsgesellschaften zum Ziele hatten
und dem Betrieb um so lästiger wurden, als nicht nur jeder deutsche Staat
seine besondern Gesetze hatte, sondern oft auch in ein und demselben Staate, je
nach den einzelnen Landesteilen, ganz verschiedne Gesetze in Geltung waren.
Dazu kam, daß die öffentliche" Feuerversichernngsanstalteli, wie schon erwähnt
worden ist, selbst in das eigenste Gebiet der Privatgesellschaften einzubrechen
begannen, indem einzelne auch die Mobiliarversicherung in ihren Geschäftsbetrieb
aufnahmen, wobei ihnen dadurch, daß sie für ihre Zwecke den Einfluß von Staats¬
und Kvmmunalbeamten aufbieten und deren Tätigkeit in Anspruch nehmen
konnten, sowie dadurch, daß sie die Gebäudeversicherungen schon in der Hand
hatten, ein großes Übergewicht über die Privatgesellschaften zufiel. Wenn es
diesen trotzdem gelungen ist, immer festern Fuß zu fassen und immer weitere
Verbreitung zu finden, so haben sie dieses Ziel zwar mit teilweise recht schweren
Opfern erkaufen müssen: sie haben es aber erreicht, weil sie es verstanden haben,
sich schnell und geschickt den Bedürfnissen des Verkehrs anzupassen. Das geschah,
indem sie vor allem eine weitgehende Art der Gefahrverteilung einführten, an
Stelle der bei den öffentlichen Versicherungen allgemein gebräuchlichen Ein¬
teilung der Risiken in wenig Klassen die Individualisierung der Risiken nach
den ihnen innewohnenden Gefahren bis ins einzelne durchführten, die nachträg¬
liche Erhebung der jahraus jahrein schwankenden Beiträge durch die Übernahme
der Gefahr gegen feste Prämien ersetzten und verständige, den beiderseitigen
Interessen des Versicherers und des Versicherten angepaßte Vertragsbedingungen
einführten.

Der gegenwärtige Stand der verschiednen Feuerversicherungsunternehmungen
ist folgender. Es bestehn im Deutschen Reiche 53 öffentliche Feuerversicherungs¬
anstalten, von denen 33 auf Preußen fallen. Diese 53 Anstalten versicherten
Ende 1902 folgende Versicherungssummen in Millionen Mark:

Immobilien Mobilien
zwangsweise freiwillig
31662 16890__4998_
zusammen 53550 Millionen Mark.

Es bestehn ferner 29 Privatfeuerverstcherungsattiengesellschaften, die Ende
1901*) einen Versicherungsbestand von 71465 Millionen Mark hatten, und
"leben einer Unmenge kleiner Gegenseitigkeitsvereine bestehn 18 größere Gegen¬
seitigkeitsgesellschaften mit einer Gesamtversicherungssumme von 11118 Millionen
Mark, wovon allein auf die Gothaer 5504 Millionen entfallen.

Es war nötig, diese kurze Übersicht über die Entwicklung des Feuer¬
versicherungswesens in Deutschland vorauszuschicken, um zu zeigen, daß die
Privatfeuerversichernngsgesellschaften keine schädlichen Schmarotzerpflanzen und
keine überflüssigen Eindringlinge sind, sondern daß sie eine notwendige und
nützliche Entwickluugssorm bilden und sehr starke volkswirtschaftliche Bedürfnisse



Die amtlichen Zahlen für 1902 sind noch nicht veröffentlicht worden.
Grenzboten III 1904 75
Ale private Feuerversicherung

und Polizeimaßrcgeln, die die Einschränkung, Überwachung und fiskalische
Nutzbarmachung der privaten Fenerversichcrnngsgesellschaften zum Ziele hatten
und dem Betrieb um so lästiger wurden, als nicht nur jeder deutsche Staat
seine besondern Gesetze hatte, sondern oft auch in ein und demselben Staate, je
nach den einzelnen Landesteilen, ganz verschiedne Gesetze in Geltung waren.
Dazu kam, daß die öffentliche» Feuerversichernngsanstalteli, wie schon erwähnt
worden ist, selbst in das eigenste Gebiet der Privatgesellschaften einzubrechen
begannen, indem einzelne auch die Mobiliarversicherung in ihren Geschäftsbetrieb
aufnahmen, wobei ihnen dadurch, daß sie für ihre Zwecke den Einfluß von Staats¬
und Kvmmunalbeamten aufbieten und deren Tätigkeit in Anspruch nehmen
konnten, sowie dadurch, daß sie die Gebäudeversicherungen schon in der Hand
hatten, ein großes Übergewicht über die Privatgesellschaften zufiel. Wenn es
diesen trotzdem gelungen ist, immer festern Fuß zu fassen und immer weitere
Verbreitung zu finden, so haben sie dieses Ziel zwar mit teilweise recht schweren
Opfern erkaufen müssen: sie haben es aber erreicht, weil sie es verstanden haben,
sich schnell und geschickt den Bedürfnissen des Verkehrs anzupassen. Das geschah,
indem sie vor allem eine weitgehende Art der Gefahrverteilung einführten, an
Stelle der bei den öffentlichen Versicherungen allgemein gebräuchlichen Ein¬
teilung der Risiken in wenig Klassen die Individualisierung der Risiken nach
den ihnen innewohnenden Gefahren bis ins einzelne durchführten, die nachträg¬
liche Erhebung der jahraus jahrein schwankenden Beiträge durch die Übernahme
der Gefahr gegen feste Prämien ersetzten und verständige, den beiderseitigen
Interessen des Versicherers und des Versicherten angepaßte Vertragsbedingungen
einführten.

Der gegenwärtige Stand der verschiednen Feuerversicherungsunternehmungen
ist folgender. Es bestehn im Deutschen Reiche 53 öffentliche Feuerversicherungs¬
anstalten, von denen 33 auf Preußen fallen. Diese 53 Anstalten versicherten
Ende 1902 folgende Versicherungssummen in Millionen Mark:

Immobilien Mobilien
zwangsweise freiwillig
31662 16890__4998_
zusammen 53550 Millionen Mark.

Es bestehn ferner 29 Privatfeuerverstcherungsattiengesellschaften, die Ende
1901*) einen Versicherungsbestand von 71465 Millionen Mark hatten, und
»leben einer Unmenge kleiner Gegenseitigkeitsvereine bestehn 18 größere Gegen¬
seitigkeitsgesellschaften mit einer Gesamtversicherungssumme von 11118 Millionen
Mark, wovon allein auf die Gothaer 5504 Millionen entfallen.

Es war nötig, diese kurze Übersicht über die Entwicklung des Feuer¬
versicherungswesens in Deutschland vorauszuschicken, um zu zeigen, daß die
Privatfeuerversichernngsgesellschaften keine schädlichen Schmarotzerpflanzen und
keine überflüssigen Eindringlinge sind, sondern daß sie eine notwendige und
nützliche Entwickluugssorm bilden und sehr starke volkswirtschaftliche Bedürfnisse



Die amtlichen Zahlen für 1902 sind noch nicht veröffentlicht worden.
Grenzboten III 1904 75
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/573>, abgerufen am 17.06.2024.