zu befriedigen berufen siud. Was sind es nun eigentlich für Klagen, die gegen die Aktiengesellschaften, diese wichtigen wirtschaftlichen Gebilde, die von allen versicherten deutschen Werten weit mehr als die Hälfte decken, gegenwärtig von so vielen Seiten erhoben werden? Eine einheitliche Antwort auf diese Frage wird man freilich nicht leicht hören; die Klagen lauten sehr verschieden, je nachdem sie aus den Kreisen der Industrie, der Landwirtschaft oder der "ge¬ wöhnlichen" Verhinderer stammen, und nur in einer Beziehung herrscht Über¬ einstimmung, insofern nämlich, als alle Welt über die "hohen Prämien" zu stöhnen liebt, die die Privatfeuerversicherungsgesellschaften alljährlich "in ihre Tasche stecken." Um die Berechtigung dieses Vorwurfs zu prüfen, muß nun sich zunächst darüber klar werden, welche wirtschaftliche Bedeutung die Prämie in der Feuerversicherung hat. Der einzelne Versicherungsvertrag für sich allein betrachtet läßt das Charakteristische der Versicherung absolut nicht erkennen. Habe ich mein Mobiliar für zehntausend Mark versichert und bezahle dafür seit dreißig Jahren jährlich zehn Mark Prämie, so habe ich scheinbar drei¬ hundert Mark "umsonst" bezahlt, wenn kein Brandschäden eingetreten ist. Ist mir aber auch uur die Hälfte meiner Sachen verbrannt, so hat die Feuerver¬ sicherungsgesellschaft scheinbar ein "recht schlechtes Geschüft" gemacht, wenn sie mir für dreihundert Mark, die ich gezahlt habe, fünftausend Mark Entschädigung auszahlen muß. E i n Versicherungsvertrag allein wäre also ein törichtes Spiel, kein Handelsgeschäft. Erst das Zusammenfassen einer großen Anzahl von Ver- sicherungsgcschäften beseitigt mehr und mehr den Spielcharakter, und wenngleich das FenerversichcrungSgeschüft seiner Natur nach einen gewissen aleatorischen Anstrich nie verleugnen kann, entsteht aus den, gewerbsmäßigen Betrieb einer möglichst großen Anzahl von Versicherungsgeschäften ein sittlich und wirtschaft¬ lich wohlbegründetes und notwendiges Institut, das man mit Recht als eine Gemeinschaftswirtschaft bezeichnet hat, die den ökonomischen Zweck hat, der Einzelwirtschaft für eine mäßige Durchschnittsprümie Deckung für einen möglicher¬ weise durch Brandschäden eintretenden Vermögensverlust zu gewähren. Der einzelne Versicherungsvertrag ist, wirtschaftlich betrachtet, nichts andres als der Beitritt einer Einzelwirtschaft zu dieser Gemeinschaftswirtschaft, und die Regeln, die das einzelne Versicherungsverhültnis beherrschen sollen, müssen diesem Grund¬ gedanken entsprechen. Die Aufgabe der Versicherungsgesellschaft ist die Sammlung und die Verwaltung der zum Ausgleich der Gefahren notwendigen Betrüge nach den Erfahrungen der Versicherungstechnik. Zur Bildung dieses Ausgleichsfouds können verschiedne Wege eingeschlagen werden; entweder man zieht nach Ablauf eines gewissen Zeitraums den Betrag der tatsächlich zu zahlenden Entschädigungen von den sämtlichen Mitgliedern, sei es nach Kopfteilen oder nach Maßgabe der von jedem Mitglied beanspruchten Deckungshöhe oder uach irgend einem andern Maßstabe ein -- Umlagen --, oder man erhebt von ihnen schon bei Beginn des Zeitraums nach bestimmtem Maßstab einen festen Betrag, der vermutlich zur Deckung der im Laufe des Rechnnngsnbschnitts entstehenden Entschädignnas- ansprüche ausreicht -- Prämie --; in beiden Füllen natürlich unter Zuschlag des für die Verwaltung der Gemeinschaftswirtschaft aufzuwendenden Betrages. Während sich aber im ersten Falle Einnahmen und Allsgaben immer gemalt
Die private Feuerverstchermig
zu befriedigen berufen siud. Was sind es nun eigentlich für Klagen, die gegen die Aktiengesellschaften, diese wichtigen wirtschaftlichen Gebilde, die von allen versicherten deutschen Werten weit mehr als die Hälfte decken, gegenwärtig von so vielen Seiten erhoben werden? Eine einheitliche Antwort auf diese Frage wird man freilich nicht leicht hören; die Klagen lauten sehr verschieden, je nachdem sie aus den Kreisen der Industrie, der Landwirtschaft oder der „ge¬ wöhnlichen" Verhinderer stammen, und nur in einer Beziehung herrscht Über¬ einstimmung, insofern nämlich, als alle Welt über die „hohen Prämien" zu stöhnen liebt, die die Privatfeuerversicherungsgesellschaften alljährlich „in ihre Tasche stecken." Um die Berechtigung dieses Vorwurfs zu prüfen, muß nun sich zunächst darüber klar werden, welche wirtschaftliche Bedeutung die Prämie in der Feuerversicherung hat. Der einzelne Versicherungsvertrag für sich allein betrachtet läßt das Charakteristische der Versicherung absolut nicht erkennen. Habe ich mein Mobiliar für zehntausend Mark versichert und bezahle dafür seit dreißig Jahren jährlich zehn Mark Prämie, so habe ich scheinbar drei¬ hundert Mark „umsonst" bezahlt, wenn kein Brandschäden eingetreten ist. Ist mir aber auch uur die Hälfte meiner Sachen verbrannt, so hat die Feuerver¬ sicherungsgesellschaft scheinbar ein „recht schlechtes Geschüft" gemacht, wenn sie mir für dreihundert Mark, die ich gezahlt habe, fünftausend Mark Entschädigung auszahlen muß. E i n Versicherungsvertrag allein wäre also ein törichtes Spiel, kein Handelsgeschäft. Erst das Zusammenfassen einer großen Anzahl von Ver- sicherungsgcschäften beseitigt mehr und mehr den Spielcharakter, und wenngleich das FenerversichcrungSgeschüft seiner Natur nach einen gewissen aleatorischen Anstrich nie verleugnen kann, entsteht aus den, gewerbsmäßigen Betrieb einer möglichst großen Anzahl von Versicherungsgeschäften ein sittlich und wirtschaft¬ lich wohlbegründetes und notwendiges Institut, das man mit Recht als eine Gemeinschaftswirtschaft bezeichnet hat, die den ökonomischen Zweck hat, der Einzelwirtschaft für eine mäßige Durchschnittsprümie Deckung für einen möglicher¬ weise durch Brandschäden eintretenden Vermögensverlust zu gewähren. Der einzelne Versicherungsvertrag ist, wirtschaftlich betrachtet, nichts andres als der Beitritt einer Einzelwirtschaft zu dieser Gemeinschaftswirtschaft, und die Regeln, die das einzelne Versicherungsverhültnis beherrschen sollen, müssen diesem Grund¬ gedanken entsprechen. Die Aufgabe der Versicherungsgesellschaft ist die Sammlung und die Verwaltung der zum Ausgleich der Gefahren notwendigen Betrüge nach den Erfahrungen der Versicherungstechnik. Zur Bildung dieses Ausgleichsfouds können verschiedne Wege eingeschlagen werden; entweder man zieht nach Ablauf eines gewissen Zeitraums den Betrag der tatsächlich zu zahlenden Entschädigungen von den sämtlichen Mitgliedern, sei es nach Kopfteilen oder nach Maßgabe der von jedem Mitglied beanspruchten Deckungshöhe oder uach irgend einem andern Maßstabe ein — Umlagen —, oder man erhebt von ihnen schon bei Beginn des Zeitraums nach bestimmtem Maßstab einen festen Betrag, der vermutlich zur Deckung der im Laufe des Rechnnngsnbschnitts entstehenden Entschädignnas- ansprüche ausreicht — Prämie —; in beiden Füllen natürlich unter Zuschlag des für die Verwaltung der Gemeinschaftswirtschaft aufzuwendenden Betrages. Während sich aber im ersten Falle Einnahmen und Allsgaben immer gemalt
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Die private Feuerverstchermig
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die Aktiengesellschaften, diese wichtigen wirtschaftlichen Gebilde, die von allen
versicherten deutschen Werten weit mehr als die Hälfte decken, gegenwärtig von
so vielen Seiten erhoben werden? Eine einheitliche Antwort auf diese Frage
wird man freilich nicht leicht hören; die Klagen lauten sehr verschieden, je
nachdem sie aus den Kreisen der Industrie, der Landwirtschaft oder der „ge¬
wöhnlichen" Verhinderer stammen, und nur in einer Beziehung herrscht Über¬
einstimmung, insofern nämlich, als alle Welt über die „hohen Prämien" zu
stöhnen liebt, die die Privatfeuerversicherungsgesellschaften alljährlich „in ihre
Tasche stecken." Um die Berechtigung dieses Vorwurfs zu prüfen, muß nun
sich zunächst darüber klar werden, welche wirtschaftliche Bedeutung die Prämie
in der Feuerversicherung hat. Der einzelne Versicherungsvertrag für sich allein
betrachtet läßt das Charakteristische der Versicherung absolut nicht erkennen.
Habe ich mein Mobiliar für zehntausend Mark versichert und bezahle dafür
seit dreißig Jahren jährlich zehn Mark Prämie, so habe ich scheinbar drei¬
hundert Mark „umsonst" bezahlt, wenn kein Brandschäden eingetreten ist. Ist
mir aber auch uur die Hälfte meiner Sachen verbrannt, so hat die Feuerver¬
sicherungsgesellschaft scheinbar ein „recht schlechtes Geschüft" gemacht, wenn sie
mir für dreihundert Mark, die ich gezahlt habe, fünftausend Mark Entschädigung
auszahlen muß. E i n Versicherungsvertrag allein wäre also ein törichtes Spiel,
kein Handelsgeschäft. Erst das Zusammenfassen einer großen Anzahl von Ver-
sicherungsgcschäften beseitigt mehr und mehr den Spielcharakter, und wenngleich
das FenerversichcrungSgeschüft seiner Natur nach einen gewissen aleatorischen
Anstrich nie verleugnen kann, entsteht aus den, gewerbsmäßigen Betrieb einer
möglichst großen Anzahl von Versicherungsgeschäften ein sittlich und wirtschaft¬
lich wohlbegründetes und notwendiges Institut, das man mit Recht als eine
Gemeinschaftswirtschaft bezeichnet hat, die den ökonomischen Zweck hat, der
Einzelwirtschaft für eine mäßige Durchschnittsprümie Deckung für einen möglicher¬
weise durch Brandschäden eintretenden Vermögensverlust zu gewähren. Der
einzelne Versicherungsvertrag ist, wirtschaftlich betrachtet, nichts andres als der
Beitritt einer Einzelwirtschaft zu dieser Gemeinschaftswirtschaft, und die Regeln,
die das einzelne Versicherungsverhültnis beherrschen sollen, müssen diesem Grund¬
gedanken entsprechen. Die Aufgabe der Versicherungsgesellschaft ist die Sammlung
und die Verwaltung der zum Ausgleich der Gefahren notwendigen Betrüge nach
den Erfahrungen der Versicherungstechnik. Zur Bildung dieses Ausgleichsfouds
können verschiedne Wege eingeschlagen werden; entweder man zieht nach Ablauf
eines gewissen Zeitraums den Betrag der tatsächlich zu zahlenden Entschädigungen
von den sämtlichen Mitgliedern, sei es nach Kopfteilen oder nach Maßgabe der
von jedem Mitglied beanspruchten Deckungshöhe oder uach irgend einem andern
Maßstabe ein — Umlagen —, oder man erhebt von ihnen schon bei Beginn
des Zeitraums nach bestimmtem Maßstab einen festen Betrag, der vermutlich
zur Deckung der im Laufe des Rechnnngsnbschnitts entstehenden Entschädignnas-
ansprüche ausreicht — Prämie —; in beiden Füllen natürlich unter Zuschlag
des für die Verwaltung der Gemeinschaftswirtschaft aufzuwendenden Betrages.
Während sich aber im ersten Falle Einnahmen und Allsgaben immer gemalt
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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/574>, abgerufen am 17.06.2024.
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