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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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weltliche Musik im alten Leipzig

klingenden Spiel wird der Landesfürst zum Grimmischen Tore in Leipzig ein¬
geritten sein, wenn er die Messe besuchen kam. Welcher Schwarm herrenloser
Musikanten aber erst trieb sich von Markt zu Messe, von Fttrstentag zu Reichstag
im ausgehenden Mittelalter durch die deutschen Lande! Im Jahre 1397 sollen
auf einem Reichstag zu Frankfurt sechshundert fahrende Musikanten und Gaukler
gewesen sein; die Leipziger Natsrechnnngen hundelt um 1500 zu jeder Messe
Geldgeschenke an allerlei fremde Spielleute, die, kaum in der Herberge einge¬
troffen, dem Rat mit einem Ständchen aufwarteten, um dann in den Straßen
der Stadt weiter herum ihr Glück mit Musizieren zu versuchen, Drommeter,
Posüuner, Zinkenbläser. Pfeifer, Schnlmeier, Sackpfeifer, Harfcr und Lauten-
schlnger.

Die ältesten eignen Musikanten der Stadt waren die "Hausleute." So
hießen die Türmer der Nikolai- und der Thomaskirche, die zugleich Hansmcmns-
mid Turmwartdienste zu verrichten hatten und vom Turm herab einen Will¬
kommen bliesen, wenn sich ein vornehmer Gast der Stadt näherte. Sie werden
es wohl auch gewesen sein, die 1547 dem von der Belagerung der Stadt
ablassenden Kurfürsten Johann Friedrich wie anderwärts die Hausleute bei
ähnlicher Gelegenheit die Melodie des Liedes nachbliesen:

Entsprechend dem Alter ihres Berufs war ihre Kunst auf die einfachen Blech¬
blasinstrumente mit Kesselmundstück beschränkt, tubenartige Trompeten, Posaunen
und jedenfalls Zinken, das hölzerne Diskantinstrnment zu den ersten beiden;
im frühern Mittelalter hatten sie wohl nur Hörner gehabt. Auf unzähligen
spätmittelalterlichen Darstellungen von Hoffesten fällt die lange Tuba mif, die
von dein einzigen Turm des Bildes herunter geblasen wird: es ist der Wächter,
der Türmer, der Hausmann, der einen Gruß bläst. Auf ihren Instrumenten
waren kurze Fanfaren, Melodien von kleinerm Umfang ausführbar, und damit
werden sie auch aufgewartet haben, wenn die Geschlechter der Stadt im spätern
Mittelalter ihren feierlichen Fastnachttanz auf dem Rathause traten und die
jungen Männer ein Reiterturuier in Waffen und bunten Kleidern daran schlössen:
"wenn Trompeten, Zinken und Posaunen zusammenklangen, sprengten sie mit
den Lanzen zusammen," erzählt Peifer, der Tacitus der Leipziger Gesellschaft
des sechzehnten Jahrhunderts, freilich als von einem zu seiner Zeit schon nicht
mehr geübten löblichen alten Brauch. Ein Instrument, dessen sich die Hausleute
am ehesten sonst noch bedient haben werden, ist die Pauke, zum Tanz z. V. wurde
geblasen und gepaukt, und auch als Tafelmusik waren diese derben Klänge in
der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts in Leipzig noch nicht ganz außer
Brauch: ein Leipziger Ölbild von 1541, den reichen Mann und den armen
Lazarus darstellend, zeigt auf der Galerie am Saale des schmausenden Reichen
sieben Musiker, einen Pauker in der Mitte zwischen sechs Posaunisten. Die
Leipziger Ratsbücher verzeichnen die Namen manches angestellten Hausmanns,
doch hat keiner von ihnen Ruhm gewonnen. Die Hausleute mußten selbst für
ihre Instrumente sorgen; 1562 wurde ihnen verboten, von irgend einem Fremden


weltliche Musik im alten Leipzig

klingenden Spiel wird der Landesfürst zum Grimmischen Tore in Leipzig ein¬
geritten sein, wenn er die Messe besuchen kam. Welcher Schwarm herrenloser
Musikanten aber erst trieb sich von Markt zu Messe, von Fttrstentag zu Reichstag
im ausgehenden Mittelalter durch die deutschen Lande! Im Jahre 1397 sollen
auf einem Reichstag zu Frankfurt sechshundert fahrende Musikanten und Gaukler
gewesen sein; die Leipziger Natsrechnnngen hundelt um 1500 zu jeder Messe
Geldgeschenke an allerlei fremde Spielleute, die, kaum in der Herberge einge¬
troffen, dem Rat mit einem Ständchen aufwarteten, um dann in den Straßen
der Stadt weiter herum ihr Glück mit Musizieren zu versuchen, Drommeter,
Posüuner, Zinkenbläser. Pfeifer, Schnlmeier, Sackpfeifer, Harfcr und Lauten-
schlnger.

Die ältesten eignen Musikanten der Stadt waren die „Hausleute." So
hießen die Türmer der Nikolai- und der Thomaskirche, die zugleich Hansmcmns-
mid Turmwartdienste zu verrichten hatten und vom Turm herab einen Will¬
kommen bliesen, wenn sich ein vornehmer Gast der Stadt näherte. Sie werden
es wohl auch gewesen sein, die 1547 dem von der Belagerung der Stadt
ablassenden Kurfürsten Johann Friedrich wie anderwärts die Hausleute bei
ähnlicher Gelegenheit die Melodie des Liedes nachbliesen:

Entsprechend dem Alter ihres Berufs war ihre Kunst auf die einfachen Blech¬
blasinstrumente mit Kesselmundstück beschränkt, tubenartige Trompeten, Posaunen
und jedenfalls Zinken, das hölzerne Diskantinstrnment zu den ersten beiden;
im frühern Mittelalter hatten sie wohl nur Hörner gehabt. Auf unzähligen
spätmittelalterlichen Darstellungen von Hoffesten fällt die lange Tuba mif, die
von dein einzigen Turm des Bildes herunter geblasen wird: es ist der Wächter,
der Türmer, der Hausmann, der einen Gruß bläst. Auf ihren Instrumenten
waren kurze Fanfaren, Melodien von kleinerm Umfang ausführbar, und damit
werden sie auch aufgewartet haben, wenn die Geschlechter der Stadt im spätern
Mittelalter ihren feierlichen Fastnachttanz auf dem Rathause traten und die
jungen Männer ein Reiterturuier in Waffen und bunten Kleidern daran schlössen:
„wenn Trompeten, Zinken und Posaunen zusammenklangen, sprengten sie mit
den Lanzen zusammen," erzählt Peifer, der Tacitus der Leipziger Gesellschaft
des sechzehnten Jahrhunderts, freilich als von einem zu seiner Zeit schon nicht
mehr geübten löblichen alten Brauch. Ein Instrument, dessen sich die Hausleute
am ehesten sonst noch bedient haben werden, ist die Pauke, zum Tanz z. V. wurde
geblasen und gepaukt, und auch als Tafelmusik waren diese derben Klänge in
der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts in Leipzig noch nicht ganz außer
Brauch: ein Leipziger Ölbild von 1541, den reichen Mann und den armen
Lazarus darstellend, zeigt auf der Galerie am Saale des schmausenden Reichen
sieben Musiker, einen Pauker in der Mitte zwischen sechs Posaunisten. Die
Leipziger Ratsbücher verzeichnen die Namen manches angestellten Hausmanns,
doch hat keiner von ihnen Ruhm gewonnen. Die Hausleute mußten selbst für
ihre Instrumente sorgen; 1562 wurde ihnen verboten, von irgend einem Fremden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/587>, abgerufen am 17.06.2024.