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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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weltliche Nlnsik im alten Leipzig

um des Anblasens willen Trinkgeld zu nehmen, es wären denn Fürsten. Ihre
Kunstfertigkeit wird nur bescheiden gewesen sein; Dürer Hütte vielleicht auch von
ihrem Spiel wie von den alten Antwerpner Mariühimmelfnhrtprozessions-
instrumenten gesagt: Das ward alles hart geblasen und rumvrisch gebraucht.

Wie die Hausleute die mittelalterliche amtliche Leipziger Instrumentalmusik
vertraten, so wird die Zeit vom Ende des fünfzehnten bis etwa zur Mitte des
achtzehnten Jahrhunderts durch die Stadtpfeifer bezeichnet. In dem Leipzig
des sechzehnten Jahrhunderts wirkten beide Musikantengruppen noch nebenein¬
ander, nur an verschiednen Stellen, wie denn auch die Stadtpfeifer die Jnstrn-
mentalkunst der Hausleute teilweise nur fortsetzten; auch zu ihrem musikalischen
Inventar gehörten Zinken, Posaunen und Trommeln, freilich in immer ver¬
besserter Gestalt: lernte man doch gegen Ende des Mittelalters eine gerade
Messingblasröhre in Windungen legen, und wenn die Stadtkassenrechnungen
1529 "eine neue, kunstreiche Posaune" aus Nürnberg bezogen verzeichnen, so
ist das wahrscheinlich die erste Zugposaune gewesen, die man in Leipzig zu
hören bekam, denn am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts wurde die Zug¬
vorrichtung an den Posaunen zur Verlängerung des Rohres und Vertiefung
des Tones erfunden. Das Hauptwerkzeug der Stadtpfeifer waren aber "Pfeifen,"
d. h. Holzblasinstrumente, teils flötenartige mit bandförmigen Luftantrieb an
eine hölzerne Lochkante, Schnabel- und Quer- oder Zwerchflöten, teils Schal¬
meien, zu deren Familie mit dem vibrierenden Doppelrohrblatt innerhalb des
Kesselmundstücks auch die Krummhörner gehörten, eine verbesserte, gelöcherte
Form der alten Hörner, und als Baßstimme die Pommerte, wie man um 1500
in Leipzig die Bomharde in der Schriftsprache nannte. Die einfachsten Typen
wiederum dieser beiden Jnstrumentengattungen waren seit ältester Zeit in Ge¬
brauch und zu Ausgang des Mittelalters der Dorfkunst verfallen: wenn damals
in Eutritzsch oder Lindenau Kirmes war, wird es oft genug nicht unters zuge¬
gangen sein, als es Hans Sachs 1528 von einem Bauerntanz bei Nürnberg

schildert.

Darum haftete diesen einfachsten Typen aber auch Verachtung an: von den?
Esel in der Löwenhaut, der seinen bekannten Ruf ertönen läßt, meint Hans

^^es^-

und der blähende Pfeifer selbst, der an dein eigentlichen Vergnügen des Tanzes
nicht teilzunehmen vermag, gab damals Anlaß zu der spöttischen Wendung:
recht wie ein Pfeifer dastehen. Unter die Dorflinde gehört endlich auch das
älteste mehrstimmige Blasinstrnment, der Dudelsack mit seiner einen gelöcherten
Melodiepfeife und den beiden Grundton und Quinte als liegenden Baß fort¬
während angehenden Nebenpfeifen; wenn die Dorfschönen Arm in Arm die
Melodie der Oberpfeife mitträllerten, sagte Hans Sachs: Die Maid in die


weltliche Nlnsik im alten Leipzig

um des Anblasens willen Trinkgeld zu nehmen, es wären denn Fürsten. Ihre
Kunstfertigkeit wird nur bescheiden gewesen sein; Dürer Hütte vielleicht auch von
ihrem Spiel wie von den alten Antwerpner Mariühimmelfnhrtprozessions-
instrumenten gesagt: Das ward alles hart geblasen und rumvrisch gebraucht.

Wie die Hausleute die mittelalterliche amtliche Leipziger Instrumentalmusik
vertraten, so wird die Zeit vom Ende des fünfzehnten bis etwa zur Mitte des
achtzehnten Jahrhunderts durch die Stadtpfeifer bezeichnet. In dem Leipzig
des sechzehnten Jahrhunderts wirkten beide Musikantengruppen noch nebenein¬
ander, nur an verschiednen Stellen, wie denn auch die Stadtpfeifer die Jnstrn-
mentalkunst der Hausleute teilweise nur fortsetzten; auch zu ihrem musikalischen
Inventar gehörten Zinken, Posaunen und Trommeln, freilich in immer ver¬
besserter Gestalt: lernte man doch gegen Ende des Mittelalters eine gerade
Messingblasröhre in Windungen legen, und wenn die Stadtkassenrechnungen
1529 „eine neue, kunstreiche Posaune" aus Nürnberg bezogen verzeichnen, so
ist das wahrscheinlich die erste Zugposaune gewesen, die man in Leipzig zu
hören bekam, denn am Anfang des sechzehnten Jahrhunderts wurde die Zug¬
vorrichtung an den Posaunen zur Verlängerung des Rohres und Vertiefung
des Tones erfunden. Das Hauptwerkzeug der Stadtpfeifer waren aber „Pfeifen,"
d. h. Holzblasinstrumente, teils flötenartige mit bandförmigen Luftantrieb an
eine hölzerne Lochkante, Schnabel- und Quer- oder Zwerchflöten, teils Schal¬
meien, zu deren Familie mit dem vibrierenden Doppelrohrblatt innerhalb des
Kesselmundstücks auch die Krummhörner gehörten, eine verbesserte, gelöcherte
Form der alten Hörner, und als Baßstimme die Pommerte, wie man um 1500
in Leipzig die Bomharde in der Schriftsprache nannte. Die einfachsten Typen
wiederum dieser beiden Jnstrumentengattungen waren seit ältester Zeit in Ge¬
brauch und zu Ausgang des Mittelalters der Dorfkunst verfallen: wenn damals
in Eutritzsch oder Lindenau Kirmes war, wird es oft genug nicht unters zuge¬
gangen sein, als es Hans Sachs 1528 von einem Bauerntanz bei Nürnberg

schildert.

Darum haftete diesen einfachsten Typen aber auch Verachtung an: von den?
Esel in der Löwenhaut, der seinen bekannten Ruf ertönen läßt, meint Hans

^^es^-

und der blähende Pfeifer selbst, der an dein eigentlichen Vergnügen des Tanzes
nicht teilzunehmen vermag, gab damals Anlaß zu der spöttischen Wendung:
recht wie ein Pfeifer dastehen. Unter die Dorflinde gehört endlich auch das
älteste mehrstimmige Blasinstrnment, der Dudelsack mit seiner einen gelöcherten
Melodiepfeife und den beiden Grundton und Quinte als liegenden Baß fort¬
während angehenden Nebenpfeifen; wenn die Dorfschönen Arm in Arm die
Melodie der Oberpfeife mitträllerten, sagte Hans Sachs: Die Maid in die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/588>, abgerufen am 17.06.2024.