Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Königin Linse und die preutzische Politik Zarenhof geplant, von der sie für sich selbst eine lang ersehnte Erholung, für Das. scheint für die Königin den Ausschlag gegeben zu haben, als sie zu Des einzigen zuverlässigen Beraters beraubt, muß sich die Königin um "Ich weiß, was ich will, doch kommt nichts über meine Lippen," schreibt Das ermutigende "Bald," das sie ihm mitgab, sollte nicht kommen. Die Gronzbotcn IIt 1W4 98
Königin Linse und die preutzische Politik Zarenhof geplant, von der sie für sich selbst eine lang ersehnte Erholung, für Das. scheint für die Königin den Ausschlag gegeben zu haben, als sie zu Des einzigen zuverlässigen Beraters beraubt, muß sich die Königin um „Ich weiß, was ich will, doch kommt nichts über meine Lippen," schreibt Das ermutigende „Bald," das sie ihm mitgab, sollte nicht kommen. Die Gronzbotcn IIt 1W4 98
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0745" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295162"/> <fw type="header" place="top"> Königin Linse und die preutzische Politik</fw><lb/> <p xml:id="ID_3607" prev="#ID_3606"> Zarenhof geplant, von der sie für sich selbst eine lang ersehnte Erholung, für<lb/> die Politik aber Auffrischung der alten Beziehungen erhoffte. Stein erhob den<lb/> durchaus sachlichen Einwand, daß die dafür nötigen nicht geringen Mittel besser<lb/> zur Unterstützung der hart angenommnen Provinz Ostpreußen verwandt werden<lb/> müßten.</p><lb/> <p xml:id="ID_3608"> Das. scheint für die Königin den Ausschlag gegeben zu haben, als sie zu<lb/> der von zahlreichen Gegnern des rücksichtslosen Mannes gewünschten Verab¬<lb/> schiedung Stellung nehmen mußte. Sie hielt ihn nicht. Und doch mußte sie<lb/> bald erleben, daß die Petersburger Reise, von einer Reihe rauschender Festtage<lb/> und der persönlichen Freundschaft der russischen Fürstinnen abgesehen, nichts<lb/> Erfreuliches brachte; ihre Gesundheit schien noch mehr geschwächt, in der<lb/> Politik aber erfuhr sie eine herbe Enttäuschung. „Petersburg war mir nichts<lb/> als Pein und Strafe, klagt sie ihrem Vater, ich bin gekommen, wie ich ge¬<lb/> gangen---- Nichts blendet mich mehr, und ich sage Ihnen noch einmal, mein<lb/> Reich ist nicht von dieser Welt."</p><lb/> <p xml:id="ID_3609"> Des einzigen zuverlässigen Beraters beraubt, muß sich die Königin um<lb/> selber zurechtfinden mit den auf sie einstürmenden Unglücksposten von dem<lb/> Sturze des Schwedenkönigs, der Niederwerfung Spaniens, dem plötzlichen<lb/> Brüche Napoleons mit Österreich, alles Ereignisse, die ihren Plan, Preußen<lb/> zu befreien, ins ungewisse hinausschoben. Wohl hätte sie, Hardenbergs frühem<lb/> Absichten entsprechend, im Jahre 1809 den Zusammenschluß mit Österreich sehr<lb/> gern gesehen. Aber ihre Briefe zeigen, wie sie zwar nicht weniger bewußt,<lb/> doch weit vorsichtiger, abwägender, zurückhaltender arbeitet.</p><lb/> <p xml:id="ID_3610"> „Ich weiß, was ich will, doch kommt nichts über meine Lippen," schreibt<lb/> sie an ihren Bruder und Vertrauten. Offenbar will sie diesesmal vermeiden,<lb/> daß man ihr wie 1806 die Verantwortung zuschiebe, und bleibt ihrem Gemahl<lb/> gegenüber reserviert. In demselben Sinne antwortet sie dein österreichischen<lb/> Unterhändler, der nach Königsberg gekommen war, um auf ein Abkommen zu<lb/> drängen: „Man muß dem Könige nach und nach einen Entschluß abgewinnen,<lb/> auf dein er dann unabänderlich besteht."</p><lb/> <p xml:id="ID_3611" next="#ID_3612"> Das ermutigende „Bald," das sie ihm mitgab, sollte nicht kommen. Die<lb/> Lage Preußens machte es einfach unmöglich. Kaum je in diesen harten Jahren<lb/> hat die Königin vor einer Herbern Notwendigkeit, sich zu bescheiden, gestanden.<lb/> Ihre eigne Stellung war die denkbar einfachste, die Wiederaufrichtung Preußens<lb/> war in weite Ferne gerückt, die völlige Beseitigung der Dynastie lag ihr im<lb/> Bereiche des Möglichen. Wenn sie trotzdem stark blieb, so beruht das aller¬<lb/> dings nicht so sehr auf einem besonders weitgehenden Scharfblick für die poli¬<lb/> tische Entwicklung ihrer Zeit als auf der hohen sittlichen Lebensauffassung, zu<lb/> der sie emporgestiegen war. Das zeigt aufs deutlichste der längste bekannte<lb/> Brief an ihren Vater, worin sie ihr „politisches Glaubensbekenntnis" darlegt.<lb/> Darin schrieb sie, kurz nachdem ihr klagendes „Ade Germania" ertönt war:<lb/> "Ganz unverkennbar ist alles, was geschehn ist, und was geschieht, nicht das<lb/> Letzte und Gute, wie es werden und bleiben soll, sondern nur die Bahnung<lb/> des Weges zu einem bessern Ziele hin. Dieses Ziel scheint aber in weiter<lb/> Entfernung zu liegen. Wir werden es wahrscheinlich nicht erreicht sehen und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gronzbotcn IIt 1W4 98</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0745]
Königin Linse und die preutzische Politik
Zarenhof geplant, von der sie für sich selbst eine lang ersehnte Erholung, für
die Politik aber Auffrischung der alten Beziehungen erhoffte. Stein erhob den
durchaus sachlichen Einwand, daß die dafür nötigen nicht geringen Mittel besser
zur Unterstützung der hart angenommnen Provinz Ostpreußen verwandt werden
müßten.
Das. scheint für die Königin den Ausschlag gegeben zu haben, als sie zu
der von zahlreichen Gegnern des rücksichtslosen Mannes gewünschten Verab¬
schiedung Stellung nehmen mußte. Sie hielt ihn nicht. Und doch mußte sie
bald erleben, daß die Petersburger Reise, von einer Reihe rauschender Festtage
und der persönlichen Freundschaft der russischen Fürstinnen abgesehen, nichts
Erfreuliches brachte; ihre Gesundheit schien noch mehr geschwächt, in der
Politik aber erfuhr sie eine herbe Enttäuschung. „Petersburg war mir nichts
als Pein und Strafe, klagt sie ihrem Vater, ich bin gekommen, wie ich ge¬
gangen---- Nichts blendet mich mehr, und ich sage Ihnen noch einmal, mein
Reich ist nicht von dieser Welt."
Des einzigen zuverlässigen Beraters beraubt, muß sich die Königin um
selber zurechtfinden mit den auf sie einstürmenden Unglücksposten von dem
Sturze des Schwedenkönigs, der Niederwerfung Spaniens, dem plötzlichen
Brüche Napoleons mit Österreich, alles Ereignisse, die ihren Plan, Preußen
zu befreien, ins ungewisse hinausschoben. Wohl hätte sie, Hardenbergs frühem
Absichten entsprechend, im Jahre 1809 den Zusammenschluß mit Österreich sehr
gern gesehen. Aber ihre Briefe zeigen, wie sie zwar nicht weniger bewußt,
doch weit vorsichtiger, abwägender, zurückhaltender arbeitet.
„Ich weiß, was ich will, doch kommt nichts über meine Lippen," schreibt
sie an ihren Bruder und Vertrauten. Offenbar will sie diesesmal vermeiden,
daß man ihr wie 1806 die Verantwortung zuschiebe, und bleibt ihrem Gemahl
gegenüber reserviert. In demselben Sinne antwortet sie dein österreichischen
Unterhändler, der nach Königsberg gekommen war, um auf ein Abkommen zu
drängen: „Man muß dem Könige nach und nach einen Entschluß abgewinnen,
auf dein er dann unabänderlich besteht."
Das ermutigende „Bald," das sie ihm mitgab, sollte nicht kommen. Die
Lage Preußens machte es einfach unmöglich. Kaum je in diesen harten Jahren
hat die Königin vor einer Herbern Notwendigkeit, sich zu bescheiden, gestanden.
Ihre eigne Stellung war die denkbar einfachste, die Wiederaufrichtung Preußens
war in weite Ferne gerückt, die völlige Beseitigung der Dynastie lag ihr im
Bereiche des Möglichen. Wenn sie trotzdem stark blieb, so beruht das aller¬
dings nicht so sehr auf einem besonders weitgehenden Scharfblick für die poli¬
tische Entwicklung ihrer Zeit als auf der hohen sittlichen Lebensauffassung, zu
der sie emporgestiegen war. Das zeigt aufs deutlichste der längste bekannte
Brief an ihren Vater, worin sie ihr „politisches Glaubensbekenntnis" darlegt.
Darin schrieb sie, kurz nachdem ihr klagendes „Ade Germania" ertönt war:
"Ganz unverkennbar ist alles, was geschehn ist, und was geschieht, nicht das
Letzte und Gute, wie es werden und bleiben soll, sondern nur die Bahnung
des Weges zu einem bessern Ziele hin. Dieses Ziel scheint aber in weiter
Entfernung zu liegen. Wir werden es wahrscheinlich nicht erreicht sehen und
Gronzbotcn IIt 1W4 98
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |