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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Ans den Grimiermigen eines alten Burschenschafters

wand, was den im Gefängnisse Sitzenden die Möglichkeit gewährte, die Vorüber¬
gehenden zu erkennen und ihnen durch einzelne Worte Mitteilungen zuzurufen.
Auch die auf den Gefängniskorridoren aufgestellten Nachtstühle wurden zu heim¬
lichen Mitteilungen benutzt.

In betreff der Verpflegung bestand die Einrichtung, daß sowohl vermögende
wie unvermögende Gefangne täglich bis zu fünfzehn Groschen verzehren durften.
Zwölf Groschen wurden jedoch für täglich gelieferte Lebensmittel davon sofort ab¬
gezogen, und so blieben für Bett, Lektüre, Wäsche, Licht und andre Bedürfnisse
uur noch drei Groschen. Außerdem mußten von Vermögenden täglich noch zwei-
undeinhalb Groschen Sitz- und Reinigungsgebühren, ferner zwei Groschen für
Heizung und außerdem zehn Groschen Ein- und Ausschreibegeld gezahlt werden.
Von Stunde zu Stunde hörte man auf dem vor dem Gefängnisse liegenden Korridor
das Geräusch von Schritten. Es rührten diese von Mitgefangnen her, die unter
Begleitung von Zivilwächtern in die Freistunden gingen. Diese wurden auf drei
verschiednen, von hohen Mauern umgebnen, kleinen Höfen unter steter Aufsicht der
Wärter abgehalten. Unter den Gefangnen war einer wegen eines Fluchtversuchs
mit Ketten belastet, deren Gerassel bei dem Vorüberführen jedesmal einen nieder¬
schlagenden Eindruck machte. Am Tage nach meinem Eintreffen gegen zehn Uhr
Vormittags wurde mein Gefängnis aufgeschlossen; es erschien der Kriminalrat
Dambach, der mich mit großer Freundlichkeit begrüßte und mir mitteilte, daß er
persönlich nicht imstande sein werde, die Untersuchung gegen mich zu führen; es
werde das wahrscheinlich von einem der ihm zugeordneten Assessoren geschehen.
Er hege jedoch die Hoffnung, daß ich mit meinen Geständnissen gewiß eben so
offen sein werde wie die übrigen verhafteten jungen Leute, die nirgends mit der
Wahrheit zurückhielten. Es sei eine wahre Frende, die Untersuchung zu führen.
Ein übereinstimmender Geist der Wahrheit beseele diese. Nur ein Zeitnngschreiber,
mit dem er viel Not habe, mache eine Ausnahme. Ich würde mich ihm gewiß
nicht anschließen. Ich hätte auf der Universität den Spitznamen "der schöne Wil¬
helm" geführt, usw.

Kaum hatte sich Herr Dcunbach wieder entfernt, als die Gefängnistür noch¬
mals aufgeschlossen und ich zum Verhör vorgeführt wurde. Es war Herr Dmnbach,
bei dein ich zu erscheinen hatte, und der, seiner obigen Äußerung zuwider, mir die
Ehre des Verhörs erwies, wobei der Referendarius Gropius das Protokoll führte.
Mir wurden verschiedne äußere, nach meiner Auffassung gleichgiltige Vorgänge
des Uuiversitätslebens mitgeteilt, um den Schein zu erregen, daß man von den
Vorgängen genau unterrichtet sei. Ich wies, durch meine kurze Beschäftigung beim
Jnquisitoriat in Magdeburg gewitzigt, sorgfältig alle mir zugemuteten Geständnisse
über Tatsachen, die nicht ans Wahrheit beruhten, zurück und gab nur das zu
Protokoll, was der Wirklichkeit entsprach, wodurch sich Dambach ziemlich enttäuscht
fühlte. Ich wurde infolgedessen später mit meinen Schicksalsgenossen von der
Hallischen Burschenschaft, soweit sie der engern Verbindung angehört hatten, zugleich
konfrontiert, die nun erkannten, daß sie sich zu unbegründeten Geständnissen hatten
bewegen lassen und diese, soweit sie von meinen Aussagen abwichen, sämtlich
widerriefen. Es soll, lvie verlautete, diese Gesamtkonfrontation, infolge ihres Aus¬
gangs als unzulässig, dem Herrn Dambach von der Ministerialkommission einen
Verweis eingetragen haben.

Die Geneigtheit der Gefangnen, alles zu gestehn, was Dambach verlangte,
soll auf folgendem Vorgänge beruhen. Ein Mitgefangner, von Massow, der in
Jena studiert hatte, war Neffe des Ministers von Kcnnvtz und wurde von diesem
im Gefängnisse besucht. Dabei hatte dieser angeblich geäußert, man wolle den
jungen Leuten gar nicht zu Leibe und nur wissen, wie weit die Sache gegangen
sei, demnächst würden sie sämtlich entlassen werden. Dieses unter den Gefangnen
wie ein Lauffeuer verbreitete Gerücht versetzte die meisten, zugleich unter Mit¬
wirkung der vexntvrischen Anwendung der Vorschriften der sogenannten Haus-


Ans den Grimiermigen eines alten Burschenschafters

wand, was den im Gefängnisse Sitzenden die Möglichkeit gewährte, die Vorüber¬
gehenden zu erkennen und ihnen durch einzelne Worte Mitteilungen zuzurufen.
Auch die auf den Gefängniskorridoren aufgestellten Nachtstühle wurden zu heim¬
lichen Mitteilungen benutzt.

In betreff der Verpflegung bestand die Einrichtung, daß sowohl vermögende
wie unvermögende Gefangne täglich bis zu fünfzehn Groschen verzehren durften.
Zwölf Groschen wurden jedoch für täglich gelieferte Lebensmittel davon sofort ab¬
gezogen, und so blieben für Bett, Lektüre, Wäsche, Licht und andre Bedürfnisse
uur noch drei Groschen. Außerdem mußten von Vermögenden täglich noch zwei-
undeinhalb Groschen Sitz- und Reinigungsgebühren, ferner zwei Groschen für
Heizung und außerdem zehn Groschen Ein- und Ausschreibegeld gezahlt werden.
Von Stunde zu Stunde hörte man auf dem vor dem Gefängnisse liegenden Korridor
das Geräusch von Schritten. Es rührten diese von Mitgefangnen her, die unter
Begleitung von Zivilwächtern in die Freistunden gingen. Diese wurden auf drei
verschiednen, von hohen Mauern umgebnen, kleinen Höfen unter steter Aufsicht der
Wärter abgehalten. Unter den Gefangnen war einer wegen eines Fluchtversuchs
mit Ketten belastet, deren Gerassel bei dem Vorüberführen jedesmal einen nieder¬
schlagenden Eindruck machte. Am Tage nach meinem Eintreffen gegen zehn Uhr
Vormittags wurde mein Gefängnis aufgeschlossen; es erschien der Kriminalrat
Dambach, der mich mit großer Freundlichkeit begrüßte und mir mitteilte, daß er
persönlich nicht imstande sein werde, die Untersuchung gegen mich zu führen; es
werde das wahrscheinlich von einem der ihm zugeordneten Assessoren geschehen.
Er hege jedoch die Hoffnung, daß ich mit meinen Geständnissen gewiß eben so
offen sein werde wie die übrigen verhafteten jungen Leute, die nirgends mit der
Wahrheit zurückhielten. Es sei eine wahre Frende, die Untersuchung zu führen.
Ein übereinstimmender Geist der Wahrheit beseele diese. Nur ein Zeitnngschreiber,
mit dem er viel Not habe, mache eine Ausnahme. Ich würde mich ihm gewiß
nicht anschließen. Ich hätte auf der Universität den Spitznamen „der schöne Wil¬
helm" geführt, usw.

Kaum hatte sich Herr Dcunbach wieder entfernt, als die Gefängnistür noch¬
mals aufgeschlossen und ich zum Verhör vorgeführt wurde. Es war Herr Dmnbach,
bei dein ich zu erscheinen hatte, und der, seiner obigen Äußerung zuwider, mir die
Ehre des Verhörs erwies, wobei der Referendarius Gropius das Protokoll führte.
Mir wurden verschiedne äußere, nach meiner Auffassung gleichgiltige Vorgänge
des Uuiversitätslebens mitgeteilt, um den Schein zu erregen, daß man von den
Vorgängen genau unterrichtet sei. Ich wies, durch meine kurze Beschäftigung beim
Jnquisitoriat in Magdeburg gewitzigt, sorgfältig alle mir zugemuteten Geständnisse
über Tatsachen, die nicht ans Wahrheit beruhten, zurück und gab nur das zu
Protokoll, was der Wirklichkeit entsprach, wodurch sich Dambach ziemlich enttäuscht
fühlte. Ich wurde infolgedessen später mit meinen Schicksalsgenossen von der
Hallischen Burschenschaft, soweit sie der engern Verbindung angehört hatten, zugleich
konfrontiert, die nun erkannten, daß sie sich zu unbegründeten Geständnissen hatten
bewegen lassen und diese, soweit sie von meinen Aussagen abwichen, sämtlich
widerriefen. Es soll, lvie verlautete, diese Gesamtkonfrontation, infolge ihres Aus¬
gangs als unzulässig, dem Herrn Dambach von der Ministerialkommission einen
Verweis eingetragen haben.

Die Geneigtheit der Gefangnen, alles zu gestehn, was Dambach verlangte,
soll auf folgendem Vorgänge beruhen. Ein Mitgefangner, von Massow, der in
Jena studiert hatte, war Neffe des Ministers von Kcnnvtz und wurde von diesem
im Gefängnisse besucht. Dabei hatte dieser angeblich geäußert, man wolle den
jungen Leuten gar nicht zu Leibe und nur wissen, wie weit die Sache gegangen
sei, demnächst würden sie sämtlich entlassen werden. Dieses unter den Gefangnen
wie ein Lauffeuer verbreitete Gerücht versetzte die meisten, zugleich unter Mit¬
wirkung der vexntvrischen Anwendung der Vorschriften der sogenannten Haus-


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[0778] Ans den Grimiermigen eines alten Burschenschafters wand, was den im Gefängnisse Sitzenden die Möglichkeit gewährte, die Vorüber¬ gehenden zu erkennen und ihnen durch einzelne Worte Mitteilungen zuzurufen. Auch die auf den Gefängniskorridoren aufgestellten Nachtstühle wurden zu heim¬ lichen Mitteilungen benutzt. In betreff der Verpflegung bestand die Einrichtung, daß sowohl vermögende wie unvermögende Gefangne täglich bis zu fünfzehn Groschen verzehren durften. Zwölf Groschen wurden jedoch für täglich gelieferte Lebensmittel davon sofort ab¬ gezogen, und so blieben für Bett, Lektüre, Wäsche, Licht und andre Bedürfnisse uur noch drei Groschen. Außerdem mußten von Vermögenden täglich noch zwei- undeinhalb Groschen Sitz- und Reinigungsgebühren, ferner zwei Groschen für Heizung und außerdem zehn Groschen Ein- und Ausschreibegeld gezahlt werden. Von Stunde zu Stunde hörte man auf dem vor dem Gefängnisse liegenden Korridor das Geräusch von Schritten. Es rührten diese von Mitgefangnen her, die unter Begleitung von Zivilwächtern in die Freistunden gingen. Diese wurden auf drei verschiednen, von hohen Mauern umgebnen, kleinen Höfen unter steter Aufsicht der Wärter abgehalten. Unter den Gefangnen war einer wegen eines Fluchtversuchs mit Ketten belastet, deren Gerassel bei dem Vorüberführen jedesmal einen nieder¬ schlagenden Eindruck machte. Am Tage nach meinem Eintreffen gegen zehn Uhr Vormittags wurde mein Gefängnis aufgeschlossen; es erschien der Kriminalrat Dambach, der mich mit großer Freundlichkeit begrüßte und mir mitteilte, daß er persönlich nicht imstande sein werde, die Untersuchung gegen mich zu führen; es werde das wahrscheinlich von einem der ihm zugeordneten Assessoren geschehen. Er hege jedoch die Hoffnung, daß ich mit meinen Geständnissen gewiß eben so offen sein werde wie die übrigen verhafteten jungen Leute, die nirgends mit der Wahrheit zurückhielten. Es sei eine wahre Frende, die Untersuchung zu führen. Ein übereinstimmender Geist der Wahrheit beseele diese. Nur ein Zeitnngschreiber, mit dem er viel Not habe, mache eine Ausnahme. Ich würde mich ihm gewiß nicht anschließen. Ich hätte auf der Universität den Spitznamen „der schöne Wil¬ helm" geführt, usw. Kaum hatte sich Herr Dcunbach wieder entfernt, als die Gefängnistür noch¬ mals aufgeschlossen und ich zum Verhör vorgeführt wurde. Es war Herr Dmnbach, bei dein ich zu erscheinen hatte, und der, seiner obigen Äußerung zuwider, mir die Ehre des Verhörs erwies, wobei der Referendarius Gropius das Protokoll führte. Mir wurden verschiedne äußere, nach meiner Auffassung gleichgiltige Vorgänge des Uuiversitätslebens mitgeteilt, um den Schein zu erregen, daß man von den Vorgängen genau unterrichtet sei. Ich wies, durch meine kurze Beschäftigung beim Jnquisitoriat in Magdeburg gewitzigt, sorgfältig alle mir zugemuteten Geständnisse über Tatsachen, die nicht ans Wahrheit beruhten, zurück und gab nur das zu Protokoll, was der Wirklichkeit entsprach, wodurch sich Dambach ziemlich enttäuscht fühlte. Ich wurde infolgedessen später mit meinen Schicksalsgenossen von der Hallischen Burschenschaft, soweit sie der engern Verbindung angehört hatten, zugleich konfrontiert, die nun erkannten, daß sie sich zu unbegründeten Geständnissen hatten bewegen lassen und diese, soweit sie von meinen Aussagen abwichen, sämtlich widerriefen. Es soll, lvie verlautete, diese Gesamtkonfrontation, infolge ihres Aus¬ gangs als unzulässig, dem Herrn Dambach von der Ministerialkommission einen Verweis eingetragen haben. Die Geneigtheit der Gefangnen, alles zu gestehn, was Dambach verlangte, soll auf folgendem Vorgänge beruhen. Ein Mitgefangner, von Massow, der in Jena studiert hatte, war Neffe des Ministers von Kcnnvtz und wurde von diesem im Gefängnisse besucht. Dabei hatte dieser angeblich geäußert, man wolle den jungen Leuten gar nicht zu Leibe und nur wissen, wie weit die Sache gegangen sei, demnächst würden sie sämtlich entlassen werden. Dieses unter den Gefangnen wie ein Lauffeuer verbreitete Gerücht versetzte die meisten, zugleich unter Mit¬ wirkung der vexntvrischen Anwendung der Vorschriften der sogenannten Haus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/778>, abgerufen am 23.05.2024.