Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aus den Erinnerungen eines alten Burschenschafters

ordnung, in die Stimmung, alles zu Protokoll zu geben, was von Dambach ge¬
wünscht wurde. Da sämtliche Protokolle täglich in dreifachen Abschriften den
Mitgliedern der Ministerialkommission von Kamptz, Müller, von Rochow mitgeteilt
werden mußten, war er in der Lage, von seinen Verdiensten täglich neue Beweis¬
stücke vorzulegen. Die Untersuchung gegen die Mitglieder der Hallischen Burschen¬
schaft war die letzte, die eingeleitet wurde. Bis Eude Oktober waren ich und
drei andre die einzigen, die von ihnen eingezogen waren, um Materialien für die
Untersuchung zu gewinnen. Erst von da ab wurde" die übrigen Hallenser ans
die Hausvogtei eingebracht; die Greifswalder und die Jenenser wurden um diese
Zeit schon zum vorläufige" Strafantritt ans die Festungen abgeführt; dann folgten
in: November 1834 die Breslnner. Nur Heidelberger und Hallenser blieben "och
im Winter auf der Hausvogtei.

Die Festungen, wohin die gefangnen Demagogen bis dahin abgeführt wurden,
waren Graudenz, Pilla", Weichselmünde, Kolberg, Glatz, Silberberg, Reiße, Glogau,
Schweidnitz, Wesel usw. Magdeburg war ursprünglich uicht zur Aufnahme bestimmt.
Erst als die Zahl so groß geworden war, daß die Festungen nicht mehr ausreichte",
wurde" auch in Magdeburg, und zwar in dem Juquisitoriatsgefängnisse, dergleichen
Gefangne untergebracht.

Seit Ende September erhielt ich nach vorläufigen Abschluß der Untersuchung
ein andres Gefängnislokal, dessen zwei Fenster auf den großen Hausvogteihof
hiuciusgiugen und mit Blechkasten nicht versehe" waren. Auch erhielt ich einen
Gesellschafter, den oben erwähnten von Massow, mit dem ich jedoch wenig harmonierte.
Dieser wurde aber bald nach Glatz abgeführt, worauf mir el" andrer Mitgefangner,
Schieß aus Magdeburg, der einer ältern Generation angehörte und vor meiner
Zeit in Halle Medizin studiert hatte, zum Gesellschafter gegeben wurde, der mir
recht sympathisch war. Dessen ungeachtet verging die Zeit langweilig und traurig.
Zu ernsten Beschäftigungen fehlte die Gemütsruhe. Wir lasen literarische Werke,
namentlich auch medizinische Zeitschriften, in de"e" mich besonders die Kranken¬
geschichten interessierten, und unterhielten uns so gut als möglich, spielten auch
Schach, zu dem wir uns die Figuren aus dem täglich gelieferten Brot selbst ge¬
knetet hatten. Dabei mangelte jedoch alle geistige Energie. Vornehmlich war der
Anfang jeder Woche traurig durch die trübe Aussicht, vou neuem eine Woche in
der Gefangenschaft verleben zu müssen, während uns am Ende, als ob man ein
schwieriges Werk vollbracht habe, fast froh zumute war. Mau wünschte nur das
Ende der Trübsal herbei und befand sich fortgesetzt in dem drückenden Gefühl
geistiger Erschlaffung. Ich begann, da die Aussichten, in meinem Beruf später
wieder tätig zu sein, mehr und mehr schwanden, Englisch und Französisch zu treiben,
was mich die Zeit weniger traurig verleben ließ.

Bald wurde auch mein Stubengenosse Schieß, der einer andern Kategorie
der Gefangne" zugeteilt war, nach Magdeburg entlassen, sodaß ich wieder allein
war. Er hatte als Mediziner, da ich öfter brustleidend war, unternommen, mir
ein Haarseil zu legen. Es stand ihm jedoch nur ein stumpfes Messer zu Gebote,
sodaß die Operation nicht gelang, und mir nur eine Wunde in der Brust beige¬
bracht wurde, die ihm bei seiner Entlassung Sorge machte, indem er fürchtete, daß
sich eine Eiterseukung bilde" werde. Die Wunde heilte jedoch bald zu. Meine
Brustbeschwerden dauerten fort, weshalb ich mir eine spanische Fliege uns die Brust
legte und die dadurch erzielte Wunde offen erhielt.

Im April 1835 wurde die Untersuchung gegen die Mitglieder der Hallischen
Burschenschafter geschlossen, sodaß diese nun die Hoffnung hatten, auf die Festung
abgeführt zu werdeu.

Diese Hoffnung verwirklichte sich, nachdem ich zehn und einen halben Monat
in Untersuchungsarrest gesessen, am 15, Mai 1835, wo ich mit einem Universitäts¬
freunde Wachsmuth, der als Student den Spitznamen "der Vetter" geführt hatte, auf
den Transport gesetzt wurde. Er kam a"f die Festung Silberberg, während ich'nach


Aus den Erinnerungen eines alten Burschenschafters

ordnung, in die Stimmung, alles zu Protokoll zu geben, was von Dambach ge¬
wünscht wurde. Da sämtliche Protokolle täglich in dreifachen Abschriften den
Mitgliedern der Ministerialkommission von Kamptz, Müller, von Rochow mitgeteilt
werden mußten, war er in der Lage, von seinen Verdiensten täglich neue Beweis¬
stücke vorzulegen. Die Untersuchung gegen die Mitglieder der Hallischen Burschen¬
schaft war die letzte, die eingeleitet wurde. Bis Eude Oktober waren ich und
drei andre die einzigen, die von ihnen eingezogen waren, um Materialien für die
Untersuchung zu gewinnen. Erst von da ab wurde» die übrigen Hallenser ans
die Hausvogtei eingebracht; die Greifswalder und die Jenenser wurden um diese
Zeit schon zum vorläufige» Strafantritt ans die Festungen abgeführt; dann folgten
in: November 1834 die Breslnner. Nur Heidelberger und Hallenser blieben »och
im Winter auf der Hausvogtei.

Die Festungen, wohin die gefangnen Demagogen bis dahin abgeführt wurden,
waren Graudenz, Pilla», Weichselmünde, Kolberg, Glatz, Silberberg, Reiße, Glogau,
Schweidnitz, Wesel usw. Magdeburg war ursprünglich uicht zur Aufnahme bestimmt.
Erst als die Zahl so groß geworden war, daß die Festungen nicht mehr ausreichte»,
wurde» auch in Magdeburg, und zwar in dem Juquisitoriatsgefängnisse, dergleichen
Gefangne untergebracht.

Seit Ende September erhielt ich nach vorläufigen Abschluß der Untersuchung
ein andres Gefängnislokal, dessen zwei Fenster auf den großen Hausvogteihof
hiuciusgiugen und mit Blechkasten nicht versehe» waren. Auch erhielt ich einen
Gesellschafter, den oben erwähnten von Massow, mit dem ich jedoch wenig harmonierte.
Dieser wurde aber bald nach Glatz abgeführt, worauf mir el» andrer Mitgefangner,
Schieß aus Magdeburg, der einer ältern Generation angehörte und vor meiner
Zeit in Halle Medizin studiert hatte, zum Gesellschafter gegeben wurde, der mir
recht sympathisch war. Dessen ungeachtet verging die Zeit langweilig und traurig.
Zu ernsten Beschäftigungen fehlte die Gemütsruhe. Wir lasen literarische Werke,
namentlich auch medizinische Zeitschriften, in de»e» mich besonders die Kranken¬
geschichten interessierten, und unterhielten uns so gut als möglich, spielten auch
Schach, zu dem wir uns die Figuren aus dem täglich gelieferten Brot selbst ge¬
knetet hatten. Dabei mangelte jedoch alle geistige Energie. Vornehmlich war der
Anfang jeder Woche traurig durch die trübe Aussicht, vou neuem eine Woche in
der Gefangenschaft verleben zu müssen, während uns am Ende, als ob man ein
schwieriges Werk vollbracht habe, fast froh zumute war. Mau wünschte nur das
Ende der Trübsal herbei und befand sich fortgesetzt in dem drückenden Gefühl
geistiger Erschlaffung. Ich begann, da die Aussichten, in meinem Beruf später
wieder tätig zu sein, mehr und mehr schwanden, Englisch und Französisch zu treiben,
was mich die Zeit weniger traurig verleben ließ.

Bald wurde auch mein Stubengenosse Schieß, der einer andern Kategorie
der Gefangne» zugeteilt war, nach Magdeburg entlassen, sodaß ich wieder allein
war. Er hatte als Mediziner, da ich öfter brustleidend war, unternommen, mir
ein Haarseil zu legen. Es stand ihm jedoch nur ein stumpfes Messer zu Gebote,
sodaß die Operation nicht gelang, und mir nur eine Wunde in der Brust beige¬
bracht wurde, die ihm bei seiner Entlassung Sorge machte, indem er fürchtete, daß
sich eine Eiterseukung bilde» werde. Die Wunde heilte jedoch bald zu. Meine
Brustbeschwerden dauerten fort, weshalb ich mir eine spanische Fliege uns die Brust
legte und die dadurch erzielte Wunde offen erhielt.

Im April 1835 wurde die Untersuchung gegen die Mitglieder der Hallischen
Burschenschafter geschlossen, sodaß diese nun die Hoffnung hatten, auf die Festung
abgeführt zu werdeu.

Diese Hoffnung verwirklichte sich, nachdem ich zehn und einen halben Monat
in Untersuchungsarrest gesessen, am 15, Mai 1835, wo ich mit einem Universitäts¬
freunde Wachsmuth, der als Student den Spitznamen „der Vetter" geführt hatte, auf
den Transport gesetzt wurde. Er kam a»f die Festung Silberberg, während ich'nach


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0779" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295196"/>
          <fw type="header" place="top"> Aus den Erinnerungen eines alten Burschenschafters</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_3709" prev="#ID_3708"> ordnung, in die Stimmung, alles zu Protokoll zu geben, was von Dambach ge¬<lb/>
wünscht wurde. Da sämtliche Protokolle täglich in dreifachen Abschriften den<lb/>
Mitgliedern der Ministerialkommission von Kamptz, Müller, von Rochow mitgeteilt<lb/>
werden mußten, war er in der Lage, von seinen Verdiensten täglich neue Beweis¬<lb/>
stücke vorzulegen. Die Untersuchung gegen die Mitglieder der Hallischen Burschen¬<lb/>
schaft war die letzte, die eingeleitet wurde. Bis Eude Oktober waren ich und<lb/>
drei andre die einzigen, die von ihnen eingezogen waren, um Materialien für die<lb/>
Untersuchung zu gewinnen. Erst von da ab wurde» die übrigen Hallenser ans<lb/>
die Hausvogtei eingebracht; die Greifswalder und die Jenenser wurden um diese<lb/>
Zeit schon zum vorläufige» Strafantritt ans die Festungen abgeführt; dann folgten<lb/>
in: November 1834 die Breslnner. Nur Heidelberger und Hallenser blieben »och<lb/>
im Winter auf der Hausvogtei.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3710"> Die Festungen, wohin die gefangnen Demagogen bis dahin abgeführt wurden,<lb/>
waren Graudenz, Pilla», Weichselmünde, Kolberg, Glatz, Silberberg, Reiße, Glogau,<lb/>
Schweidnitz, Wesel usw. Magdeburg war ursprünglich uicht zur Aufnahme bestimmt.<lb/>
Erst als die Zahl so groß geworden war, daß die Festungen nicht mehr ausreichte»,<lb/>
wurde» auch in Magdeburg, und zwar in dem Juquisitoriatsgefängnisse, dergleichen<lb/>
Gefangne untergebracht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3711"> Seit Ende September erhielt ich nach vorläufigen Abschluß der Untersuchung<lb/>
ein andres Gefängnislokal, dessen zwei Fenster auf den großen Hausvogteihof<lb/>
hiuciusgiugen und mit Blechkasten nicht versehe» waren. Auch erhielt ich einen<lb/>
Gesellschafter, den oben erwähnten von Massow, mit dem ich jedoch wenig harmonierte.<lb/>
Dieser wurde aber bald nach Glatz abgeführt, worauf mir el» andrer Mitgefangner,<lb/>
Schieß aus Magdeburg, der einer ältern Generation angehörte und vor meiner<lb/>
Zeit in Halle Medizin studiert hatte, zum Gesellschafter gegeben wurde, der mir<lb/>
recht sympathisch war. Dessen ungeachtet verging die Zeit langweilig und traurig.<lb/>
Zu ernsten Beschäftigungen fehlte die Gemütsruhe. Wir lasen literarische Werke,<lb/>
namentlich auch medizinische Zeitschriften, in de»e» mich besonders die Kranken¬<lb/>
geschichten interessierten, und unterhielten uns so gut als möglich, spielten auch<lb/>
Schach, zu dem wir uns die Figuren aus dem täglich gelieferten Brot selbst ge¬<lb/>
knetet hatten. Dabei mangelte jedoch alle geistige Energie. Vornehmlich war der<lb/>
Anfang jeder Woche traurig durch die trübe Aussicht, vou neuem eine Woche in<lb/>
der Gefangenschaft verleben zu müssen, während uns am Ende, als ob man ein<lb/>
schwieriges Werk vollbracht habe, fast froh zumute war. Mau wünschte nur das<lb/>
Ende der Trübsal herbei und befand sich fortgesetzt in dem drückenden Gefühl<lb/>
geistiger Erschlaffung. Ich begann, da die Aussichten, in meinem Beruf später<lb/>
wieder tätig zu sein, mehr und mehr schwanden, Englisch und Französisch zu treiben,<lb/>
was mich die Zeit weniger traurig verleben ließ.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3712"> Bald wurde auch mein Stubengenosse Schieß, der einer andern Kategorie<lb/>
der Gefangne» zugeteilt war, nach Magdeburg entlassen, sodaß ich wieder allein<lb/>
war. Er hatte als Mediziner, da ich öfter brustleidend war, unternommen, mir<lb/>
ein Haarseil zu legen. Es stand ihm jedoch nur ein stumpfes Messer zu Gebote,<lb/>
sodaß die Operation nicht gelang, und mir nur eine Wunde in der Brust beige¬<lb/>
bracht wurde, die ihm bei seiner Entlassung Sorge machte, indem er fürchtete, daß<lb/>
sich eine Eiterseukung bilde» werde. Die Wunde heilte jedoch bald zu. Meine<lb/>
Brustbeschwerden dauerten fort, weshalb ich mir eine spanische Fliege uns die Brust<lb/>
legte und die dadurch erzielte Wunde offen erhielt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3713"> Im April 1835 wurde die Untersuchung gegen die Mitglieder der Hallischen<lb/>
Burschenschafter geschlossen, sodaß diese nun die Hoffnung hatten, auf die Festung<lb/>
abgeführt zu werdeu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3714" next="#ID_3715"> Diese Hoffnung verwirklichte sich, nachdem ich zehn und einen halben Monat<lb/>
in Untersuchungsarrest gesessen, am 15, Mai 1835, wo ich mit einem Universitäts¬<lb/>
freunde Wachsmuth, der als Student den Spitznamen &#x201E;der Vetter" geführt hatte, auf<lb/>
den Transport gesetzt wurde. Er kam a»f die Festung Silberberg, während ich'nach</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0779] Aus den Erinnerungen eines alten Burschenschafters ordnung, in die Stimmung, alles zu Protokoll zu geben, was von Dambach ge¬ wünscht wurde. Da sämtliche Protokolle täglich in dreifachen Abschriften den Mitgliedern der Ministerialkommission von Kamptz, Müller, von Rochow mitgeteilt werden mußten, war er in der Lage, von seinen Verdiensten täglich neue Beweis¬ stücke vorzulegen. Die Untersuchung gegen die Mitglieder der Hallischen Burschen¬ schaft war die letzte, die eingeleitet wurde. Bis Eude Oktober waren ich und drei andre die einzigen, die von ihnen eingezogen waren, um Materialien für die Untersuchung zu gewinnen. Erst von da ab wurde» die übrigen Hallenser ans die Hausvogtei eingebracht; die Greifswalder und die Jenenser wurden um diese Zeit schon zum vorläufige» Strafantritt ans die Festungen abgeführt; dann folgten in: November 1834 die Breslnner. Nur Heidelberger und Hallenser blieben »och im Winter auf der Hausvogtei. Die Festungen, wohin die gefangnen Demagogen bis dahin abgeführt wurden, waren Graudenz, Pilla», Weichselmünde, Kolberg, Glatz, Silberberg, Reiße, Glogau, Schweidnitz, Wesel usw. Magdeburg war ursprünglich uicht zur Aufnahme bestimmt. Erst als die Zahl so groß geworden war, daß die Festungen nicht mehr ausreichte», wurde» auch in Magdeburg, und zwar in dem Juquisitoriatsgefängnisse, dergleichen Gefangne untergebracht. Seit Ende September erhielt ich nach vorläufigen Abschluß der Untersuchung ein andres Gefängnislokal, dessen zwei Fenster auf den großen Hausvogteihof hiuciusgiugen und mit Blechkasten nicht versehe» waren. Auch erhielt ich einen Gesellschafter, den oben erwähnten von Massow, mit dem ich jedoch wenig harmonierte. Dieser wurde aber bald nach Glatz abgeführt, worauf mir el» andrer Mitgefangner, Schieß aus Magdeburg, der einer ältern Generation angehörte und vor meiner Zeit in Halle Medizin studiert hatte, zum Gesellschafter gegeben wurde, der mir recht sympathisch war. Dessen ungeachtet verging die Zeit langweilig und traurig. Zu ernsten Beschäftigungen fehlte die Gemütsruhe. Wir lasen literarische Werke, namentlich auch medizinische Zeitschriften, in de»e» mich besonders die Kranken¬ geschichten interessierten, und unterhielten uns so gut als möglich, spielten auch Schach, zu dem wir uns die Figuren aus dem täglich gelieferten Brot selbst ge¬ knetet hatten. Dabei mangelte jedoch alle geistige Energie. Vornehmlich war der Anfang jeder Woche traurig durch die trübe Aussicht, vou neuem eine Woche in der Gefangenschaft verleben zu müssen, während uns am Ende, als ob man ein schwieriges Werk vollbracht habe, fast froh zumute war. Mau wünschte nur das Ende der Trübsal herbei und befand sich fortgesetzt in dem drückenden Gefühl geistiger Erschlaffung. Ich begann, da die Aussichten, in meinem Beruf später wieder tätig zu sein, mehr und mehr schwanden, Englisch und Französisch zu treiben, was mich die Zeit weniger traurig verleben ließ. Bald wurde auch mein Stubengenosse Schieß, der einer andern Kategorie der Gefangne» zugeteilt war, nach Magdeburg entlassen, sodaß ich wieder allein war. Er hatte als Mediziner, da ich öfter brustleidend war, unternommen, mir ein Haarseil zu legen. Es stand ihm jedoch nur ein stumpfes Messer zu Gebote, sodaß die Operation nicht gelang, und mir nur eine Wunde in der Brust beige¬ bracht wurde, die ihm bei seiner Entlassung Sorge machte, indem er fürchtete, daß sich eine Eiterseukung bilde» werde. Die Wunde heilte jedoch bald zu. Meine Brustbeschwerden dauerten fort, weshalb ich mir eine spanische Fliege uns die Brust legte und die dadurch erzielte Wunde offen erhielt. Im April 1835 wurde die Untersuchung gegen die Mitglieder der Hallischen Burschenschafter geschlossen, sodaß diese nun die Hoffnung hatten, auf die Festung abgeführt zu werdeu. Diese Hoffnung verwirklichte sich, nachdem ich zehn und einen halben Monat in Untersuchungsarrest gesessen, am 15, Mai 1835, wo ich mit einem Universitäts¬ freunde Wachsmuth, der als Student den Spitznamen „der Vetter" geführt hatte, auf den Transport gesetzt wurde. Er kam a»f die Festung Silberberg, während ich'nach

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/779
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/779>, abgerufen am 06.06.2024.