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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Ans den Erinnerungen eines alten Lnrschenschnfters

körperliches Befinden war fortwährend ungünstig. Ich litt besonders ein einseitigem
Kopfschmerz, der mich oft zur Verzweiflung brachte, und an gichtischen Anschwellungen.
Infolgedessen medizinierte ich fortgesetzt; auch wurde mir während des Sommers
der Gebrauch von Flußbädern in der Warthe erlaubt, die ich unter Aufsicht eines
Gendarmen in einer öffentlichen Badeanstalt nahm. Im Winter durfte ich russische
Dampfbäder nehmen, zu denen ich ebenfalls von Gefängnisbeamten geführt wurde.
Bei deren Gebrauch war mir das Zusammensein mit polnischen Edelleuten, die
mich für einen Gesinnungsgenossen hielten, oft unheimlich. Wahrscheinlich infolge
des plötzlichen Übergangs in die scharfe Luft befiel mich eines Tags nach dein
Dampfbad ein Blutsturz, dessen üble Folgen ich jedoch bald überwand.

Der Oberpräsident hatte in Berlin angefragt, ob uns der Besuch der Kirche
erlaubt werden dürfe. Die Antwort lautete bejahend, wonächst wir sonntäglich
unter Aufsicht von Gendarmen abwechselnd in die Garnisonkirche geführt wurden.

Am 31. Januar 1837 trat endlich der so lange herbeigewünschte Zeitpunkt
ein, daß uns das gerichtliche Strafurteil publiziert wurde. Es geschah das durch
den Kriminaldirektor Dassel in Posen. Das Urteil war vom Kriminalsennt des
Königlichen Kammergerichts am 4. August 1836 gesprochen und lautete gegen mich
und zwei Mitgefangne (Riemschneider und Rudolph), die in Greifswald studiert
hatten, auf Amtsentsetzung, Vermögenskonfiskntion, Verlust der Nationnlkoknrde und
Todesstrafe vermittelst des Bens. Durch Allerhöchste Kabinettsorder vom 11. De¬
zember 1836 hatten Seine Majestät der König die Todesstrafe vermöge vberst-
richterlicher Gewalt in dreißigjährigen Festungsarrest mit dem Hinzufügen gemildert,
daß dadurch weder das Rechtsmittel der weitern Verteidigung noch die Berufung
auf die Gnade Seiner Majestät ausgeschlossen sein solle.

Drei andre Gefährten, Brüggemann, Müller und Jacobi, waren zur ge¬
schärften Todesstrafe mittelst des Rades von oben verurteilt, diese Strafe jedoch
von Seiner Majestät in lebenslänglichen Festungsarrest gemildert. Diese letzten
drei hatten in Süddeutschland studiert und gehörten deshalb zu einer schwerern
Kategorie der Gefangnen. Einer, Dreipelcker, der in Leipzig studiert hatte, war zu
zweiundzwanzigjährigem Arrest verurteilt und dieser in vierjährige Freiheitsstrafe
gemildert.

Erkenntnisgründe wurden nicht publiziert. Solche sind nie zu unsrer Kenntnis
gekommen. Die Untersuchung gegen die Teilnehmer an Burschenschafter war auf
Verlangen der Bundeszentralbchörde, der darüber Bericht erstattet werden mußte,
geführt worden. Das Königliche Kammergericht in Berlin hat von 204 bezüglichen
Inquisiten überhaupt 39 zur Todesstrafe verurteilt, davou vier zur geschärften
Todesstrafe des Rades. Ju andern Bundesstaaten sind Todesurteile von den
Gerichtshöfen nicht gefällt worden. (Siehe Ilse, Geschichte der politischen Unter¬
suchungen, Seite 368.) Zur Todesstrafe wurden die verurteilt, die zuletzt der
Burschenschaft angehört hatten und zugleich Mitglieder des Vorstands oder der
engern Verbindung gewesen waren. Die übrigen waren mit zeitigen Freiheits¬
strafen davongekommen, von denen im Durchschnitt vier Fünftel erlassen wurden.

Das erste Gefühl nach der Publikation des Urteils war Schreck und Mitleid
mit den so bitter getäuschten Angehörigen. Wenn ich an meinen Vater dachte, der
zur Milderung meiner Lage alles nur Denkbare versucht und getan hatte, so war
ich immer dem Weinen nahe. Ich war mir mir bewußt, an einer Studentenver¬
bindung teilgenommen zu haben, deren Mitglieder sich nach ihren Statuten neben
sittlichem Verhalten zum Zweck gesetzt hatten, durch ideale Bestrebungen mitzuwirken
zur Herbeiführung eines auf Einheit begründeten, frei und gerecht geordneten Zu¬
standes im deutschen Vaterlande. Diese Verbindung, deren Mitglieder offen vor
aller Augen die burschenschaftlichen Farben getragen hatten, deren Bestehn der
Universitätsbehörde kein Geheimnis war, hatte sich bei der Ungunst der Verhältnisse
freiwillig schon am 30. Mai 1833 aufgelöst, und für die Teilnahme an dieser
Verbindung war ich zum Tode verurteilt worden.


Ans den Erinnerungen eines alten Lnrschenschnfters

körperliches Befinden war fortwährend ungünstig. Ich litt besonders ein einseitigem
Kopfschmerz, der mich oft zur Verzweiflung brachte, und an gichtischen Anschwellungen.
Infolgedessen medizinierte ich fortgesetzt; auch wurde mir während des Sommers
der Gebrauch von Flußbädern in der Warthe erlaubt, die ich unter Aufsicht eines
Gendarmen in einer öffentlichen Badeanstalt nahm. Im Winter durfte ich russische
Dampfbäder nehmen, zu denen ich ebenfalls von Gefängnisbeamten geführt wurde.
Bei deren Gebrauch war mir das Zusammensein mit polnischen Edelleuten, die
mich für einen Gesinnungsgenossen hielten, oft unheimlich. Wahrscheinlich infolge
des plötzlichen Übergangs in die scharfe Luft befiel mich eines Tags nach dein
Dampfbad ein Blutsturz, dessen üble Folgen ich jedoch bald überwand.

Der Oberpräsident hatte in Berlin angefragt, ob uns der Besuch der Kirche
erlaubt werden dürfe. Die Antwort lautete bejahend, wonächst wir sonntäglich
unter Aufsicht von Gendarmen abwechselnd in die Garnisonkirche geführt wurden.

Am 31. Januar 1837 trat endlich der so lange herbeigewünschte Zeitpunkt
ein, daß uns das gerichtliche Strafurteil publiziert wurde. Es geschah das durch
den Kriminaldirektor Dassel in Posen. Das Urteil war vom Kriminalsennt des
Königlichen Kammergerichts am 4. August 1836 gesprochen und lautete gegen mich
und zwei Mitgefangne (Riemschneider und Rudolph), die in Greifswald studiert
hatten, auf Amtsentsetzung, Vermögenskonfiskntion, Verlust der Nationnlkoknrde und
Todesstrafe vermittelst des Bens. Durch Allerhöchste Kabinettsorder vom 11. De¬
zember 1836 hatten Seine Majestät der König die Todesstrafe vermöge vberst-
richterlicher Gewalt in dreißigjährigen Festungsarrest mit dem Hinzufügen gemildert,
daß dadurch weder das Rechtsmittel der weitern Verteidigung noch die Berufung
auf die Gnade Seiner Majestät ausgeschlossen sein solle.

Drei andre Gefährten, Brüggemann, Müller und Jacobi, waren zur ge¬
schärften Todesstrafe mittelst des Rades von oben verurteilt, diese Strafe jedoch
von Seiner Majestät in lebenslänglichen Festungsarrest gemildert. Diese letzten
drei hatten in Süddeutschland studiert und gehörten deshalb zu einer schwerern
Kategorie der Gefangnen. Einer, Dreipelcker, der in Leipzig studiert hatte, war zu
zweiundzwanzigjährigem Arrest verurteilt und dieser in vierjährige Freiheitsstrafe
gemildert.

Erkenntnisgründe wurden nicht publiziert. Solche sind nie zu unsrer Kenntnis
gekommen. Die Untersuchung gegen die Teilnehmer an Burschenschafter war auf
Verlangen der Bundeszentralbchörde, der darüber Bericht erstattet werden mußte,
geführt worden. Das Königliche Kammergericht in Berlin hat von 204 bezüglichen
Inquisiten überhaupt 39 zur Todesstrafe verurteilt, davou vier zur geschärften
Todesstrafe des Rades. Ju andern Bundesstaaten sind Todesurteile von den
Gerichtshöfen nicht gefällt worden. (Siehe Ilse, Geschichte der politischen Unter¬
suchungen, Seite 368.) Zur Todesstrafe wurden die verurteilt, die zuletzt der
Burschenschaft angehört hatten und zugleich Mitglieder des Vorstands oder der
engern Verbindung gewesen waren. Die übrigen waren mit zeitigen Freiheits¬
strafen davongekommen, von denen im Durchschnitt vier Fünftel erlassen wurden.

Das erste Gefühl nach der Publikation des Urteils war Schreck und Mitleid
mit den so bitter getäuschten Angehörigen. Wenn ich an meinen Vater dachte, der
zur Milderung meiner Lage alles nur Denkbare versucht und getan hatte, so war
ich immer dem Weinen nahe. Ich war mir mir bewußt, an einer Studentenver¬
bindung teilgenommen zu haben, deren Mitglieder sich nach ihren Statuten neben
sittlichem Verhalten zum Zweck gesetzt hatten, durch ideale Bestrebungen mitzuwirken
zur Herbeiführung eines auf Einheit begründeten, frei und gerecht geordneten Zu¬
standes im deutschen Vaterlande. Diese Verbindung, deren Mitglieder offen vor
aller Augen die burschenschaftlichen Farben getragen hatten, deren Bestehn der
Universitätsbehörde kein Geheimnis war, hatte sich bei der Ungunst der Verhältnisse
freiwillig schon am 30. Mai 1833 aufgelöst, und für die Teilnahme an dieser
Verbindung war ich zum Tode verurteilt worden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/782>, abgerufen am 23.05.2024.