Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Viertes Vierteljahr.Großherzog Friedrich von Baden in Versailles 4 MMit der Unterzeichnung der Vertrüge und ihrer Vorlage an den Großherzog Friedrich von Baden in Versailles 4 MMit der Unterzeichnung der Vertrüge und ihrer Vorlage an den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0082" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300581"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341883_300500/figures/grenzboten_341883_300500_300581_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Großherzog Friedrich von Baden in Versailles<lb/> 4 </head><lb/> <p xml:id="ID_260" next="#ID_261"> MMit der Unterzeichnung der Vertrüge und ihrer Vorlage an den<lb/> Reichstag des Norddeutschen Bundes waren die politischen Kämpfe<lb/> um Deutschlands Einigung im wesentlichen beendet. Die Mög¬<lb/> lichkeit blieb ja nicht ausgeschlossen, daß sie im Norddeutschen<lb/> Reichstage und im bayrischen Landtage noch zu Schwierigkeiten<lb/> führen konnten, aber was an der Entscheidung noch fehlte, durfte getrost der<lb/> Schwerkraft der nationalen Entwicklung überlassen bleiben. Wesentlich mit aus<lb/> diesem Grunde hatte der Bundeskanzler darauf gehalten, daß aus der Ver¬<lb/> fassungsfrage alles ausgeschieden würde, was die Schwierigkeiten zu vermehre«<lb/> irgend geeignet war. Dahin gehörte die Oberhausfrage, die hier noch einmal<lb/> flüchtig berührt werden möge. Schon bei der Verfassungsvorlage von 1866<lb/> hatten sich gerade die Fürsten, die für die Führung Deutschlands durch Preußen<lb/> eintraten und zu Opfern bereit waren, für die Oberhausfrage erwärmt. Als<lb/> sich jetzt die Gelegenheit zu bieten schien, das damals nichterreichte nachzuholen,<lb/> traten diese Wünsche an den Bundeskanzler in Denkschriften und Anträge»<lb/> heran. Am ausführlichsten ist wohl, mit einem genau detaillierten Vorschlage,-<lb/> eine oldenburgische Denkschrift, deren genauere Prüfung aber auch heute noch<lb/> von der Unausführbarkeit überzeugen muß. Der Grundgedanke, durch ein Ober¬<lb/> haus ein Gegengewicht gegen das allgemeine Stimmrecht zu schaffen, den fürst¬<lb/> lichen Häusern und den Einzelstaaten einen größern Einfluß zu sichern, war<lb/> an sich nicht von der Hand zu weisen, aber man geriet damit auf ein Gebiet<lb/> doktrinärer Erwägung. Der Kronprinz wollte „einen freisinnigen Ausbau<lb/> der Bundesverfassung", die doch durch ihr Einkammersystem mit dem allge¬<lb/> meinen Stimmrecht wohl ziemlich die demokratischste in Europa ist, zugleich<lb/> aber wollte er durch ein Oberhaus die Wirkungen des allgemeinen Stimmrechts,<lb/> also des freisinnigsten Grundzuges dieser Verfassung, abgeschwächt wissen. Bismarck<lb/> ist damals wohl mit Recht der Meinung gewesen, daß ein Oberhaus, wie es<lb/> sich diese fürstlichen Herren in Gestalt der alten Reichstage dachten, nicht nur<lb/> mit den neuen Institutionen unvereinbar sein werde, sondern überdies sehr leicht<lb/> ein Mittelpunkt für Intriguen und Erschwerungen aller Art werden könnte, die<lb/> dem Ausbau des Reiches wenig förderlich wären. Worauf es in der weitern<lb/> Entwicklung der Reichsverfassung zunächst ankam, war dem allgemeinen Stimm¬<lb/> recht gegenüber nicht die Verstärkung des einzelstaatlichen Einflusses als eines</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
[Abbildung]
Großherzog Friedrich von Baden in Versailles
4
MMit der Unterzeichnung der Vertrüge und ihrer Vorlage an den
Reichstag des Norddeutschen Bundes waren die politischen Kämpfe
um Deutschlands Einigung im wesentlichen beendet. Die Mög¬
lichkeit blieb ja nicht ausgeschlossen, daß sie im Norddeutschen
Reichstage und im bayrischen Landtage noch zu Schwierigkeiten
führen konnten, aber was an der Entscheidung noch fehlte, durfte getrost der
Schwerkraft der nationalen Entwicklung überlassen bleiben. Wesentlich mit aus
diesem Grunde hatte der Bundeskanzler darauf gehalten, daß aus der Ver¬
fassungsfrage alles ausgeschieden würde, was die Schwierigkeiten zu vermehre«
irgend geeignet war. Dahin gehörte die Oberhausfrage, die hier noch einmal
flüchtig berührt werden möge. Schon bei der Verfassungsvorlage von 1866
hatten sich gerade die Fürsten, die für die Führung Deutschlands durch Preußen
eintraten und zu Opfern bereit waren, für die Oberhausfrage erwärmt. Als
sich jetzt die Gelegenheit zu bieten schien, das damals nichterreichte nachzuholen,
traten diese Wünsche an den Bundeskanzler in Denkschriften und Anträge»
heran. Am ausführlichsten ist wohl, mit einem genau detaillierten Vorschlage,-
eine oldenburgische Denkschrift, deren genauere Prüfung aber auch heute noch
von der Unausführbarkeit überzeugen muß. Der Grundgedanke, durch ein Ober¬
haus ein Gegengewicht gegen das allgemeine Stimmrecht zu schaffen, den fürst¬
lichen Häusern und den Einzelstaaten einen größern Einfluß zu sichern, war
an sich nicht von der Hand zu weisen, aber man geriet damit auf ein Gebiet
doktrinärer Erwägung. Der Kronprinz wollte „einen freisinnigen Ausbau
der Bundesverfassung", die doch durch ihr Einkammersystem mit dem allge¬
meinen Stimmrecht wohl ziemlich die demokratischste in Europa ist, zugleich
aber wollte er durch ein Oberhaus die Wirkungen des allgemeinen Stimmrechts,
also des freisinnigsten Grundzuges dieser Verfassung, abgeschwächt wissen. Bismarck
ist damals wohl mit Recht der Meinung gewesen, daß ein Oberhaus, wie es
sich diese fürstlichen Herren in Gestalt der alten Reichstage dachten, nicht nur
mit den neuen Institutionen unvereinbar sein werde, sondern überdies sehr leicht
ein Mittelpunkt für Intriguen und Erschwerungen aller Art werden könnte, die
dem Ausbau des Reiches wenig förderlich wären. Worauf es in der weitern
Entwicklung der Reichsverfassung zunächst ankam, war dem allgemeinen Stimm¬
recht gegenüber nicht die Verstärkung des einzelstaatlichen Einflusses als eines
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