Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Adel in der Armee

erwiesen sein, daß sich die Armee durchaus nicht dem durch die Zeitverhältnisse
bedingten Eindringen der bürgerlichen Elemente verschlossen und sie auch nicht
zurücksetzend behandelt hat.

Unter den höheren Generalen bis einschließlich Divisionskommandeur
abwärts weist die Ordre de bataille für 1370/1871 noch keinen bürgerlichen ans.
Später findet man 1873 einen, 1894 neun, 1909 zwanzig bürgerliche.
Außerdem wurden im Laufe ihrer Dienstzeit geadelt (die man doch bei Bewertung
der Frage, welche Aussichten ein in die Armee eintretender bürgerlicher Offizier
hat, mit in Betracht ziehen muß): 1873 einer, 1894 zwölf, 1909 neun.
Ferner sei erwähnt, daß mehrfach bürgerliche Offiziere zu Flügeladjutanten
ernannt, auch in das Militärkabinett berufen worden sind.

Aber, wird man einwenden, die Exklusivität der Garde und einiger Linien¬
regimenter! Wie steht es damit?

Es soll gar nicht geleugnet werden, daß in manchen Kreisen der Armee
der Adel eine gewisse Bevorzugung genießt, auch nicht, daß dies besonders in
den Regimentern der Fall ist, welche in näherer Beziehung zum obersten Kriegs¬
herrn oder zu den verschiedenen Kontingentsherren stehen. Aber, so kann man
wohl billig fragen, ist es dem Adel, der über zweihundert Jahre den: Offizier¬
korps das Gepräge gab, zu verdenken, wenn er bei aller Anerkennung des
Verdienstes, wo er solches anch finden mag, sich doch nicht von selbst dazu
bereit findet, die Vorteile aus der Hand zu geben, die ihm seine althergebrachte
Stellung in der Armee gewährt? Ist es ferner der Krone zu verdenken,
wenn sie den Adel im Heere nicht beiseite schieben will, nachdem sie sich
zweihundert Jahre vornehmlich auf ihn gestützt hat? Sodann ist zu erwähnen,
daß es sich hier um gesellschaftliche Verhältnisse handelt, die auch auf die
Armee nicht ganz ohne Einwirkung bleiben können. Endlich muß bedacht
werden, daß die Znsammensetzung der Offizierkorps im wesentlichen in der
Hand der Regimentskommandeure liegt, die den Offizierersatz annehmen und
hierfür allein verantwortlich sind. Da es nun ganz natürlich ist, daß in den
Regimentern, die in "guten Garnisonen" stehen, auch ein größerer Zudrang
an jungen Leuten ist, die sich zum Eintritt melden, so hat hier der Regiments¬
kommandeur eine größere Auswahl und dieser Umstand wird sehr oft, wenn auch
nicht immer, für den Adelichen in die Wagschale fallen. Wenn so Regimenter
entstehen, deren Offizierkorps fast rein aus Adelichen besteht, so ist dies
an sich noch kein Übel. Zu solchen: wird es erst, wenn sich in ihnen Kasten¬
geist ausbilden sollte. Die Heeresleitung hat nach den bestehenden Bestimmungen
in diesem Falle, sowie in allen den anderen, oben angedeuteten nur drei
Mittel, wo kameradschaftstörende Einflüsse in die Erscheinung treten können,
einzuwirken: die Kadettenverteilung, die Versetzung einzelner Offiziere, und
die Versetzung ganzer Truppenteile. Von allen diesen Mitteln ist schon seit
langer Zeit mehrfach Gebrauch gemacht worden. Aber es liegt in der Natur
der Dinge, daß man mit solchen Maßregeln vorsichtig sein muß. Sie sind


Der Adel in der Armee

erwiesen sein, daß sich die Armee durchaus nicht dem durch die Zeitverhältnisse
bedingten Eindringen der bürgerlichen Elemente verschlossen und sie auch nicht
zurücksetzend behandelt hat.

Unter den höheren Generalen bis einschließlich Divisionskommandeur
abwärts weist die Ordre de bataille für 1370/1871 noch keinen bürgerlichen ans.
Später findet man 1873 einen, 1894 neun, 1909 zwanzig bürgerliche.
Außerdem wurden im Laufe ihrer Dienstzeit geadelt (die man doch bei Bewertung
der Frage, welche Aussichten ein in die Armee eintretender bürgerlicher Offizier
hat, mit in Betracht ziehen muß): 1873 einer, 1894 zwölf, 1909 neun.
Ferner sei erwähnt, daß mehrfach bürgerliche Offiziere zu Flügeladjutanten
ernannt, auch in das Militärkabinett berufen worden sind.

Aber, wird man einwenden, die Exklusivität der Garde und einiger Linien¬
regimenter! Wie steht es damit?

Es soll gar nicht geleugnet werden, daß in manchen Kreisen der Armee
der Adel eine gewisse Bevorzugung genießt, auch nicht, daß dies besonders in
den Regimentern der Fall ist, welche in näherer Beziehung zum obersten Kriegs¬
herrn oder zu den verschiedenen Kontingentsherren stehen. Aber, so kann man
wohl billig fragen, ist es dem Adel, der über zweihundert Jahre den: Offizier¬
korps das Gepräge gab, zu verdenken, wenn er bei aller Anerkennung des
Verdienstes, wo er solches anch finden mag, sich doch nicht von selbst dazu
bereit findet, die Vorteile aus der Hand zu geben, die ihm seine althergebrachte
Stellung in der Armee gewährt? Ist es ferner der Krone zu verdenken,
wenn sie den Adel im Heere nicht beiseite schieben will, nachdem sie sich
zweihundert Jahre vornehmlich auf ihn gestützt hat? Sodann ist zu erwähnen,
daß es sich hier um gesellschaftliche Verhältnisse handelt, die auch auf die
Armee nicht ganz ohne Einwirkung bleiben können. Endlich muß bedacht
werden, daß die Znsammensetzung der Offizierkorps im wesentlichen in der
Hand der Regimentskommandeure liegt, die den Offizierersatz annehmen und
hierfür allein verantwortlich sind. Da es nun ganz natürlich ist, daß in den
Regimentern, die in „guten Garnisonen" stehen, auch ein größerer Zudrang
an jungen Leuten ist, die sich zum Eintritt melden, so hat hier der Regiments¬
kommandeur eine größere Auswahl und dieser Umstand wird sehr oft, wenn auch
nicht immer, für den Adelichen in die Wagschale fallen. Wenn so Regimenter
entstehen, deren Offizierkorps fast rein aus Adelichen besteht, so ist dies
an sich noch kein Übel. Zu solchen: wird es erst, wenn sich in ihnen Kasten¬
geist ausbilden sollte. Die Heeresleitung hat nach den bestehenden Bestimmungen
in diesem Falle, sowie in allen den anderen, oben angedeuteten nur drei
Mittel, wo kameradschaftstörende Einflüsse in die Erscheinung treten können,
einzuwirken: die Kadettenverteilung, die Versetzung einzelner Offiziere, und
die Versetzung ganzer Truppenteile. Von allen diesen Mitteln ist schon seit
langer Zeit mehrfach Gebrauch gemacht worden. Aber es liegt in der Natur
der Dinge, daß man mit solchen Maßregeln vorsichtig sein muß. Sie sind


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315703"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Adel in der Armee</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_327" prev="#ID_326"> erwiesen sein, daß sich die Armee durchaus nicht dem durch die Zeitverhältnisse<lb/>
bedingten Eindringen der bürgerlichen Elemente verschlossen und sie auch nicht<lb/>
zurücksetzend behandelt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_328"> Unter den höheren Generalen bis einschließlich Divisionskommandeur<lb/>
abwärts weist die Ordre de bataille für 1370/1871 noch keinen bürgerlichen ans.<lb/>
Später findet man 1873 einen, 1894 neun, 1909 zwanzig bürgerliche.<lb/>
Außerdem wurden im Laufe ihrer Dienstzeit geadelt (die man doch bei Bewertung<lb/>
der Frage, welche Aussichten ein in die Armee eintretender bürgerlicher Offizier<lb/>
hat, mit in Betracht ziehen muß): 1873 einer, 1894 zwölf, 1909 neun.<lb/>
Ferner sei erwähnt, daß mehrfach bürgerliche Offiziere zu Flügeladjutanten<lb/>
ernannt, auch in das Militärkabinett berufen worden sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_329"> Aber, wird man einwenden, die Exklusivität der Garde und einiger Linien¬<lb/>
regimenter!  Wie steht es damit?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_330" next="#ID_331"> Es soll gar nicht geleugnet werden, daß in manchen Kreisen der Armee<lb/>
der Adel eine gewisse Bevorzugung genießt, auch nicht, daß dies besonders in<lb/>
den Regimentern der Fall ist, welche in näherer Beziehung zum obersten Kriegs¬<lb/>
herrn oder zu den verschiedenen Kontingentsherren stehen. Aber, so kann man<lb/>
wohl billig fragen, ist es dem Adel, der über zweihundert Jahre den: Offizier¬<lb/>
korps das Gepräge gab, zu verdenken, wenn er bei aller Anerkennung des<lb/>
Verdienstes, wo er solches anch finden mag, sich doch nicht von selbst dazu<lb/>
bereit findet, die Vorteile aus der Hand zu geben, die ihm seine althergebrachte<lb/>
Stellung in der Armee gewährt? Ist es ferner der Krone zu verdenken,<lb/>
wenn sie den Adel im Heere nicht beiseite schieben will, nachdem sie sich<lb/>
zweihundert Jahre vornehmlich auf ihn gestützt hat? Sodann ist zu erwähnen,<lb/>
daß es sich hier um gesellschaftliche Verhältnisse handelt, die auch auf die<lb/>
Armee nicht ganz ohne Einwirkung bleiben können. Endlich muß bedacht<lb/>
werden, daß die Znsammensetzung der Offizierkorps im wesentlichen in der<lb/>
Hand der Regimentskommandeure liegt, die den Offizierersatz annehmen und<lb/>
hierfür allein verantwortlich sind. Da es nun ganz natürlich ist, daß in den<lb/>
Regimentern, die in &#x201E;guten Garnisonen" stehen, auch ein größerer Zudrang<lb/>
an jungen Leuten ist, die sich zum Eintritt melden, so hat hier der Regiments¬<lb/>
kommandeur eine größere Auswahl und dieser Umstand wird sehr oft, wenn auch<lb/>
nicht immer, für den Adelichen in die Wagschale fallen. Wenn so Regimenter<lb/>
entstehen, deren Offizierkorps fast rein aus Adelichen besteht, so ist dies<lb/>
an sich noch kein Übel. Zu solchen: wird es erst, wenn sich in ihnen Kasten¬<lb/>
geist ausbilden sollte. Die Heeresleitung hat nach den bestehenden Bestimmungen<lb/>
in diesem Falle, sowie in allen den anderen, oben angedeuteten nur drei<lb/>
Mittel, wo kameradschaftstörende Einflüsse in die Erscheinung treten können,<lb/>
einzuwirken: die Kadettenverteilung, die Versetzung einzelner Offiziere, und<lb/>
die Versetzung ganzer Truppenteile. Von allen diesen Mitteln ist schon seit<lb/>
langer Zeit mehrfach Gebrauch gemacht worden. Aber es liegt in der Natur<lb/>
der Dinge, daß man mit solchen Maßregeln vorsichtig sein muß.  Sie sind</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0064] Der Adel in der Armee erwiesen sein, daß sich die Armee durchaus nicht dem durch die Zeitverhältnisse bedingten Eindringen der bürgerlichen Elemente verschlossen und sie auch nicht zurücksetzend behandelt hat. Unter den höheren Generalen bis einschließlich Divisionskommandeur abwärts weist die Ordre de bataille für 1370/1871 noch keinen bürgerlichen ans. Später findet man 1873 einen, 1894 neun, 1909 zwanzig bürgerliche. Außerdem wurden im Laufe ihrer Dienstzeit geadelt (die man doch bei Bewertung der Frage, welche Aussichten ein in die Armee eintretender bürgerlicher Offizier hat, mit in Betracht ziehen muß): 1873 einer, 1894 zwölf, 1909 neun. Ferner sei erwähnt, daß mehrfach bürgerliche Offiziere zu Flügeladjutanten ernannt, auch in das Militärkabinett berufen worden sind. Aber, wird man einwenden, die Exklusivität der Garde und einiger Linien¬ regimenter! Wie steht es damit? Es soll gar nicht geleugnet werden, daß in manchen Kreisen der Armee der Adel eine gewisse Bevorzugung genießt, auch nicht, daß dies besonders in den Regimentern der Fall ist, welche in näherer Beziehung zum obersten Kriegs¬ herrn oder zu den verschiedenen Kontingentsherren stehen. Aber, so kann man wohl billig fragen, ist es dem Adel, der über zweihundert Jahre den: Offizier¬ korps das Gepräge gab, zu verdenken, wenn er bei aller Anerkennung des Verdienstes, wo er solches anch finden mag, sich doch nicht von selbst dazu bereit findet, die Vorteile aus der Hand zu geben, die ihm seine althergebrachte Stellung in der Armee gewährt? Ist es ferner der Krone zu verdenken, wenn sie den Adel im Heere nicht beiseite schieben will, nachdem sie sich zweihundert Jahre vornehmlich auf ihn gestützt hat? Sodann ist zu erwähnen, daß es sich hier um gesellschaftliche Verhältnisse handelt, die auch auf die Armee nicht ganz ohne Einwirkung bleiben können. Endlich muß bedacht werden, daß die Znsammensetzung der Offizierkorps im wesentlichen in der Hand der Regimentskommandeure liegt, die den Offizierersatz annehmen und hierfür allein verantwortlich sind. Da es nun ganz natürlich ist, daß in den Regimentern, die in „guten Garnisonen" stehen, auch ein größerer Zudrang an jungen Leuten ist, die sich zum Eintritt melden, so hat hier der Regiments¬ kommandeur eine größere Auswahl und dieser Umstand wird sehr oft, wenn auch nicht immer, für den Adelichen in die Wagschale fallen. Wenn so Regimenter entstehen, deren Offizierkorps fast rein aus Adelichen besteht, so ist dies an sich noch kein Übel. Zu solchen: wird es erst, wenn sich in ihnen Kasten¬ geist ausbilden sollte. Die Heeresleitung hat nach den bestehenden Bestimmungen in diesem Falle, sowie in allen den anderen, oben angedeuteten nur drei Mittel, wo kameradschaftstörende Einflüsse in die Erscheinung treten können, einzuwirken: die Kadettenverteilung, die Versetzung einzelner Offiziere, und die Versetzung ganzer Truppenteile. Von allen diesen Mitteln ist schon seit langer Zeit mehrfach Gebrauch gemacht worden. Aber es liegt in der Natur der Dinge, daß man mit solchen Maßregeln vorsichtig sein muß. Sie sind

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/64
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/64>, abgerufen am 17.06.2024.