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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Der Adel in der Armee

sozusagen eine ultima ratio, die nur dann an: Platze ist, wenn sich wirklich
Mißstände zu zeigen beginnen. Im übrigen muß man die Traditionen der
Regimenter schonen, sogar pflegen. Denn sie bilden ein kräftiges Mittel zur
Erhöhung der Leistungen der Truppe und des Offizierkorps. Schematische
Gleichmacherei wäre hier vom Übel. Sie würde eine der Grundlagen für die
hervorragende Beschaffenheit des deutschen Offizierkorps, die Geschlossenheit
der einzelnen Regimentsoffizierkorps, zerstören. Wie wäre auch eine solche
Gleichmacherei, die natürlich zur Folge hätte, daß nun innerhalb der einzelnen
Regimenter die Unterschiede um so größer würden, zu erreichen? Soll man den
Negimentskomnmndeuren vorschreiben, in ihren Regimentern adelich und unadelich.
reich und arm, evangelisch und katholisch, Stadtkind und Landkind usw. nach gewissen
Prozenten zu gruppieren? Man würde, wenn man sich erst auf dieses Gebiet
begäbe, vollständig auf die schiefe Ebene geraten. Oder soll die Annahme von
Offizieraspiranten den Regimentskommandeuren vollständig abgenommen und
einer Zentralbehörde übergeben werden? Dann würde natürlich der Regiments¬
kommandeur auch nicht in der Weise, wie es jetzt geschieht, für sein Offizierkorps
verantwortlich gemacht werden können. Ebensowenig würde man sicher sein,
daß dem Offizierkorps nur geeignete Elemente zugeführt werden. Eine Zentral¬
behörde wäre gar nicht in der Lage, für jeden Einzelfall hier die Verantwortung
zu tragen. Das Beste ist sicherlich, es bei dem hergebrachten System zu belassen.

Daß es in den Beförderungsverhältnissen und der Stellenbesetzung
grundsätzlich keinen Unterschied zwischen adelichen und bürgerlichen Offizieren
gibt, wird jeder bestätigen, der die Verhältnisse in der Armee kennt. Wo ein
solcher manchmal vorzuliegen scheint, liegt dies nicht in dem Adelichsein an
sich, sondern in dem Umstände, daß der adeliche Offizier nieist über bessere
Konnerionen verfügt. Man wird natürlich einwenden, Konnexionen dürften
nicht mitspielen, nur auf Tüchtigkeit käme es an. Sehr richtig! Aber man
nenne doch einmal einen Beruf, wo sie keine Rolle spielen. In der deutschen
Armee tun sie es noch am wenigsten. Und Untüchtige kommen trotz der besten
Beziehungen nicht weit. Aber alles ist menschlich. Ganz beseitigen kann man
den Einfluß guter Beziehungen nicht. Und, so kann man wohl fragen, benutzt
sie denn der Bürgerliche nicht ganz ebenso, wenn er sie hat?

Wer ohne Voreingenommenheit und unter Würdigung der geschichtlichen
Entwickelung diese ganzen Verhältnisse betrachtet, wird nicht umhin können,
zuzugeben, daß die deutsche Heeresleitung in einer durchaus richtigen Weise
verfährt. Unter Hochhaltung der alten Traditionen und mit dankbarer Wert¬
schätzung der alten Familien macht sie den tüchtigen Leistungen ohne Ansehen
von Besitz und Herkunft auch die höchsten Stellen im Heere zugänglich und
zieht hierzu, und zwar in steigendem Maße, auch die neuen bürgerlichen Elemente
heran. Vorbedingung ist natürlich die Wahrung des Gesichtspunktes, daß der
Geist im Offizierkorps der alte bleibe. Wer sich in diesen nicht hinein¬
zuleben vermag, muß rücksichtslos abgestoßen werden.


Der Adel in der Armee

sozusagen eine ultima ratio, die nur dann an: Platze ist, wenn sich wirklich
Mißstände zu zeigen beginnen. Im übrigen muß man die Traditionen der
Regimenter schonen, sogar pflegen. Denn sie bilden ein kräftiges Mittel zur
Erhöhung der Leistungen der Truppe und des Offizierkorps. Schematische
Gleichmacherei wäre hier vom Übel. Sie würde eine der Grundlagen für die
hervorragende Beschaffenheit des deutschen Offizierkorps, die Geschlossenheit
der einzelnen Regimentsoffizierkorps, zerstören. Wie wäre auch eine solche
Gleichmacherei, die natürlich zur Folge hätte, daß nun innerhalb der einzelnen
Regimenter die Unterschiede um so größer würden, zu erreichen? Soll man den
Negimentskomnmndeuren vorschreiben, in ihren Regimentern adelich und unadelich.
reich und arm, evangelisch und katholisch, Stadtkind und Landkind usw. nach gewissen
Prozenten zu gruppieren? Man würde, wenn man sich erst auf dieses Gebiet
begäbe, vollständig auf die schiefe Ebene geraten. Oder soll die Annahme von
Offizieraspiranten den Regimentskommandeuren vollständig abgenommen und
einer Zentralbehörde übergeben werden? Dann würde natürlich der Regiments¬
kommandeur auch nicht in der Weise, wie es jetzt geschieht, für sein Offizierkorps
verantwortlich gemacht werden können. Ebensowenig würde man sicher sein,
daß dem Offizierkorps nur geeignete Elemente zugeführt werden. Eine Zentral¬
behörde wäre gar nicht in der Lage, für jeden Einzelfall hier die Verantwortung
zu tragen. Das Beste ist sicherlich, es bei dem hergebrachten System zu belassen.

Daß es in den Beförderungsverhältnissen und der Stellenbesetzung
grundsätzlich keinen Unterschied zwischen adelichen und bürgerlichen Offizieren
gibt, wird jeder bestätigen, der die Verhältnisse in der Armee kennt. Wo ein
solcher manchmal vorzuliegen scheint, liegt dies nicht in dem Adelichsein an
sich, sondern in dem Umstände, daß der adeliche Offizier nieist über bessere
Konnerionen verfügt. Man wird natürlich einwenden, Konnexionen dürften
nicht mitspielen, nur auf Tüchtigkeit käme es an. Sehr richtig! Aber man
nenne doch einmal einen Beruf, wo sie keine Rolle spielen. In der deutschen
Armee tun sie es noch am wenigsten. Und Untüchtige kommen trotz der besten
Beziehungen nicht weit. Aber alles ist menschlich. Ganz beseitigen kann man
den Einfluß guter Beziehungen nicht. Und, so kann man wohl fragen, benutzt
sie denn der Bürgerliche nicht ganz ebenso, wenn er sie hat?

Wer ohne Voreingenommenheit und unter Würdigung der geschichtlichen
Entwickelung diese ganzen Verhältnisse betrachtet, wird nicht umhin können,
zuzugeben, daß die deutsche Heeresleitung in einer durchaus richtigen Weise
verfährt. Unter Hochhaltung der alten Traditionen und mit dankbarer Wert¬
schätzung der alten Familien macht sie den tüchtigen Leistungen ohne Ansehen
von Besitz und Herkunft auch die höchsten Stellen im Heere zugänglich und
zieht hierzu, und zwar in steigendem Maße, auch die neuen bürgerlichen Elemente
heran. Vorbedingung ist natürlich die Wahrung des Gesichtspunktes, daß der
Geist im Offizierkorps der alte bleibe. Wer sich in diesen nicht hinein¬
zuleben vermag, muß rücksichtslos abgestoßen werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/65>, abgerufen am 17.06.2024.