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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Theodor Fontane und Bernhard von Lepel

Dies Tunnelwesen bekonnnt auch in den Lepelschen Briefen seine Spiegelung.
Hier wirkt es, in nüchterner Schilderung, wie ein später Nachkomme der
Meistersingerei, mit dem Zusammenkommen bürgerlich beruflich tätiger Bieder¬
männer zum poetischen Geschäft:


Früh in die Kanzlei mit Akten,
Abends auf den Helikon.

Und wie bei den brauen Ahnen steckt auch ein gut Teil Philiströsität und
Spießerpedanterie in dem Zeremoniell und dem Bundesnamen-Komment.
Zum Stiftungsfest bringt man sich -- wie Freitags Piepenbrink in den
"Journalisten" -- seinen Wein mit, und im Sommer sitzt man -- den
"dämlichen Sommertunnel" nennt Lepel das -- in den Zelten bei Weißbier.
Der Humor mit dem Eulenszepter -- das übrigens heut noch in der Schlaraffia
herrscht -- und der Stiefelknecht als Symbol der Wehmut haben oft etwas
Gewolltes.

Menschlich frei, mit seinen Sinnen und einem reinen Lebensgeschmack, hebt
sich hier Lepels Bild heraus und seine aufrichtige, tiefwurzelnde, phrasenlose
Freundschaft. Wir sehen diesen preußische" Leutnant als Jtalienpilger auf
der Wallfahrt zu Platens Grab im Landolinagarten zu Surakus, wo er einen
Lorbeer pflanzt und nachmittags dafür -- humorhaft verzeichnet er es als
tragikomisches Omen -- einen Mauleseltritt bekommt. In der Kriegsakademie
dichtet er beim Kolleg, und beim Liebesmahl liest er den Kameraden vom
Regiment Franz Fontanes Balladen vor, freilich ohne bei der Infanterie viel
Gegenliebe zu finden. Mit desto größerer Genugtuung berichtet er von dem
Erfolg der Kriegslieder seines preußischen Grenadiers im Salon der Gräfin I.:
"wo ein Dragoneroffizier mit Vergnüge" den Kavallcrieweihrauch roch".

In den Briefen ist viel Poetik, Lepel ist ein scharfer, unbestochener Kritiker
und seine Bemerkungen und Einwände sind treffend und oft fruchtbar.

Fontane macht damals gerade seinen Spaziergang nach England, von
dem er selbst in seinen "Erinnerungen" mit so viel Laune erzählt.

Er war dazu eingeladen worden und Hauptmann und Obrist erkannten
beide verständnisvoll den besonderen Fall, "daß er's umsonst hätte und das
doch selten sei", und gaben ihm Urlaub. So trat er seine erste Meerfahrt an.
Nach Balladengröße und Archibald-Douglastum sah sie freilich nicht aus. Er
hatte die Militärkommißhose mit der roten Biese an, und darüber ein kleines
braunes Röckchen, wie es Eichendorffs Taugenichts getragen haben mochte, als
er von Hause fortlief. Der Romantikerkopf darüber paßte aber gewiß dazu.
Den eisernen Fonds trug er in den Hosentaschen, rechts einen Taler und einige
kleinere Silberstücke, links einen halbkupferfarbenen, etwas minderwertigen
Doppellouisdor, mit dem großgenasten Profil irgendeines Kleinstaatsserenissimus
darauf. Überwältigeud gehen ihm dort drüben Tower- und Windsorstimmungeu
auf und lassen ihn Balladenwalzer ahnen, die er dann bei dein längeren
Londoner Aufenthalt beschwor. Was er gedichtet, was er geträumt, wandert


Theodor Fontane und Bernhard von Lepel

Dies Tunnelwesen bekonnnt auch in den Lepelschen Briefen seine Spiegelung.
Hier wirkt es, in nüchterner Schilderung, wie ein später Nachkomme der
Meistersingerei, mit dem Zusammenkommen bürgerlich beruflich tätiger Bieder¬
männer zum poetischen Geschäft:


Früh in die Kanzlei mit Akten,
Abends auf den Helikon.

Und wie bei den brauen Ahnen steckt auch ein gut Teil Philiströsität und
Spießerpedanterie in dem Zeremoniell und dem Bundesnamen-Komment.
Zum Stiftungsfest bringt man sich — wie Freitags Piepenbrink in den
„Journalisten" — seinen Wein mit, und im Sommer sitzt man — den
„dämlichen Sommertunnel" nennt Lepel das — in den Zelten bei Weißbier.
Der Humor mit dem Eulenszepter — das übrigens heut noch in der Schlaraffia
herrscht — und der Stiefelknecht als Symbol der Wehmut haben oft etwas
Gewolltes.

Menschlich frei, mit seinen Sinnen und einem reinen Lebensgeschmack, hebt
sich hier Lepels Bild heraus und seine aufrichtige, tiefwurzelnde, phrasenlose
Freundschaft. Wir sehen diesen preußische» Leutnant als Jtalienpilger auf
der Wallfahrt zu Platens Grab im Landolinagarten zu Surakus, wo er einen
Lorbeer pflanzt und nachmittags dafür — humorhaft verzeichnet er es als
tragikomisches Omen — einen Mauleseltritt bekommt. In der Kriegsakademie
dichtet er beim Kolleg, und beim Liebesmahl liest er den Kameraden vom
Regiment Franz Fontanes Balladen vor, freilich ohne bei der Infanterie viel
Gegenliebe zu finden. Mit desto größerer Genugtuung berichtet er von dem
Erfolg der Kriegslieder seines preußischen Grenadiers im Salon der Gräfin I.:
„wo ein Dragoneroffizier mit Vergnüge» den Kavallcrieweihrauch roch".

In den Briefen ist viel Poetik, Lepel ist ein scharfer, unbestochener Kritiker
und seine Bemerkungen und Einwände sind treffend und oft fruchtbar.

Fontane macht damals gerade seinen Spaziergang nach England, von
dem er selbst in seinen „Erinnerungen" mit so viel Laune erzählt.

Er war dazu eingeladen worden und Hauptmann und Obrist erkannten
beide verständnisvoll den besonderen Fall, „daß er's umsonst hätte und das
doch selten sei", und gaben ihm Urlaub. So trat er seine erste Meerfahrt an.
Nach Balladengröße und Archibald-Douglastum sah sie freilich nicht aus. Er
hatte die Militärkommißhose mit der roten Biese an, und darüber ein kleines
braunes Röckchen, wie es Eichendorffs Taugenichts getragen haben mochte, als
er von Hause fortlief. Der Romantikerkopf darüber paßte aber gewiß dazu.
Den eisernen Fonds trug er in den Hosentaschen, rechts einen Taler und einige
kleinere Silberstücke, links einen halbkupferfarbenen, etwas minderwertigen
Doppellouisdor, mit dem großgenasten Profil irgendeines Kleinstaatsserenissimus
darauf. Überwältigeud gehen ihm dort drüben Tower- und Windsorstimmungeu
auf und lassen ihn Balladenwalzer ahnen, die er dann bei dein längeren
Londoner Aufenthalt beschwor. Was er gedichtet, was er geträumt, wandert


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[0068] Theodor Fontane und Bernhard von Lepel Dies Tunnelwesen bekonnnt auch in den Lepelschen Briefen seine Spiegelung. Hier wirkt es, in nüchterner Schilderung, wie ein später Nachkomme der Meistersingerei, mit dem Zusammenkommen bürgerlich beruflich tätiger Bieder¬ männer zum poetischen Geschäft: Früh in die Kanzlei mit Akten, Abends auf den Helikon. Und wie bei den brauen Ahnen steckt auch ein gut Teil Philiströsität und Spießerpedanterie in dem Zeremoniell und dem Bundesnamen-Komment. Zum Stiftungsfest bringt man sich — wie Freitags Piepenbrink in den „Journalisten" — seinen Wein mit, und im Sommer sitzt man — den „dämlichen Sommertunnel" nennt Lepel das — in den Zelten bei Weißbier. Der Humor mit dem Eulenszepter — das übrigens heut noch in der Schlaraffia herrscht — und der Stiefelknecht als Symbol der Wehmut haben oft etwas Gewolltes. Menschlich frei, mit seinen Sinnen und einem reinen Lebensgeschmack, hebt sich hier Lepels Bild heraus und seine aufrichtige, tiefwurzelnde, phrasenlose Freundschaft. Wir sehen diesen preußische» Leutnant als Jtalienpilger auf der Wallfahrt zu Platens Grab im Landolinagarten zu Surakus, wo er einen Lorbeer pflanzt und nachmittags dafür — humorhaft verzeichnet er es als tragikomisches Omen — einen Mauleseltritt bekommt. In der Kriegsakademie dichtet er beim Kolleg, und beim Liebesmahl liest er den Kameraden vom Regiment Franz Fontanes Balladen vor, freilich ohne bei der Infanterie viel Gegenliebe zu finden. Mit desto größerer Genugtuung berichtet er von dem Erfolg der Kriegslieder seines preußischen Grenadiers im Salon der Gräfin I.: „wo ein Dragoneroffizier mit Vergnüge» den Kavallcrieweihrauch roch". In den Briefen ist viel Poetik, Lepel ist ein scharfer, unbestochener Kritiker und seine Bemerkungen und Einwände sind treffend und oft fruchtbar. Fontane macht damals gerade seinen Spaziergang nach England, von dem er selbst in seinen „Erinnerungen" mit so viel Laune erzählt. Er war dazu eingeladen worden und Hauptmann und Obrist erkannten beide verständnisvoll den besonderen Fall, „daß er's umsonst hätte und das doch selten sei", und gaben ihm Urlaub. So trat er seine erste Meerfahrt an. Nach Balladengröße und Archibald-Douglastum sah sie freilich nicht aus. Er hatte die Militärkommißhose mit der roten Biese an, und darüber ein kleines braunes Röckchen, wie es Eichendorffs Taugenichts getragen haben mochte, als er von Hause fortlief. Der Romantikerkopf darüber paßte aber gewiß dazu. Den eisernen Fonds trug er in den Hosentaschen, rechts einen Taler und einige kleinere Silberstücke, links einen halbkupferfarbenen, etwas minderwertigen Doppellouisdor, mit dem großgenasten Profil irgendeines Kleinstaatsserenissimus darauf. Überwältigeud gehen ihm dort drüben Tower- und Windsorstimmungeu auf und lassen ihn Balladenwalzer ahnen, die er dann bei dein längeren Londoner Aufenthalt beschwor. Was er gedichtet, was er geträumt, wandert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/68>, abgerufen am 17.06.2024.