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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Theodor Fontane und Bernhard von Lepel

harmlosen Pikanterie gewürzt. AIs "Frivolität" wurde beiden diese spielende
Laune manchmal ausgenutzt, und Fontane hat sich einmal ernsthaft gegen Paul
Hevse verteidigen müssen, daß solche sreie Unbefangenheit sich sehr wohl mit
einer reinlichen Gesinnung vertrage, und er hätte dazu gleich Hartleben sagen
können: Lernet zu lachen, ohne zu grinsen.

Das war zwischen Lepel und Fontane nicht nötig, sie verstanden sich in
diesem Punkt ausgezeichnet, wie eine vergnügliche Briefstelle Lepels beweist, in
der er über eine Fontäne-Epistel quittiert: "Da nur die Heiterkeit des Briefes
sehr gefiel, so nahm ich keinen Anstand, des Morgens beim Kaffee gleich von
vorn an laut runterzulesen, ohne ihn selbst gelesen zu haben, denn auf irgend¬
eine kleine niedliche Frivolität konnte ich es schon ankommen lassen (meine
Schwiegermutter war uicht dabei), und wäre es zu arg geworden, so hätte ich
mich auf mein improvisatorisches Talent verlassen. Doch las ich dreist zu und
freute mich über meinen zukünftigen Schwager Malschitzki, Großherzoglich Mecklen¬
burgischen Kammerherrn, der wirklich deinen Witz und Stil goutierte und dich
sehr lobte."

Aber Lepel leistete eben selbst in solchen Variationen Erhebliches. So
lieferte er ein Augenblicksbild voll Drolerie über seinen Besuch in Bethanien, wo
sein Freund Theodor, der Pillendreher, einen pharmazeutischen Kursus sür die
Schwestern hielt.

Er plaudert von seiner Entdeckungsreise in den fernen Weltteil und von
seiner Suche nach dem kürzlich dort angekommenen Kolonisten Fontane. Er
findet in dem Pavillon, der ihm gewiesen wird, die Türen dreier Gemächer,
zwei mit den Namen der Ärzte, die dritte mit dem Sammelbegriff
Hausmädchen bezeichnet, "und" -- so fährt er fort -- "da es mir überlassen blieb,
dich in eine der drei Kategorien placiert zu denken, so konnte ich dich, deinen:
Temperament nach und weil du nicht ausdrücklich auf einer der Türen als
Adjunkt eines der Ärzte bezeichnet warst, nur zu den Hausmädchen rechnen,
welche Gemeinschaft mich zu den Vermutungen der üppigsten Situationen
veranlaßte".

Sehr ulkig ist auch die Logenaudienz Lepels bei dem kameradschaftlich-
göimerhaften Generalintendanten Botho v. Hülsen gezeichnet, der, noch ehe er
Lepels Stück gelesen hat, von dem übrigens erst ein Akt fertig, sehr energisch
sagt: "Aber, lieber Lepel, eins sage ich, kurz -- streichen müssen Sie gehörig;
ihr Dichter seid alle so, ihr schreibt alle viel zu lang; streichen müssen Sie."
Und dann fügt der Generalgewaltige händeringend hinzu: "Lieber Lepel, Hand¬
lung! Handlung! Ich bitt' Sie um Gottes willen, Handlung!"

Die idealen Forderungen zu erfüllen, gelang Lepel nicht, er bekam seinen
"Waldemar" zurück mit dem lapidaren Bescheid: "Es ist ein Kreis von Fürst¬
lichkeiten, die alle nichts taugen." Ferner: "Keine Handlung in dem Dinge."

Aufgeführt wurde statt des brandenburgischen Markgrafen sein orientalischer
"König Herodes", allerdings mit entschiedenem Mißerfolg. Der Durchgefallene


Theodor Fontane und Bernhard von Lepel

harmlosen Pikanterie gewürzt. AIs „Frivolität" wurde beiden diese spielende
Laune manchmal ausgenutzt, und Fontane hat sich einmal ernsthaft gegen Paul
Hevse verteidigen müssen, daß solche sreie Unbefangenheit sich sehr wohl mit
einer reinlichen Gesinnung vertrage, und er hätte dazu gleich Hartleben sagen
können: Lernet zu lachen, ohne zu grinsen.

Das war zwischen Lepel und Fontane nicht nötig, sie verstanden sich in
diesem Punkt ausgezeichnet, wie eine vergnügliche Briefstelle Lepels beweist, in
der er über eine Fontäne-Epistel quittiert: „Da nur die Heiterkeit des Briefes
sehr gefiel, so nahm ich keinen Anstand, des Morgens beim Kaffee gleich von
vorn an laut runterzulesen, ohne ihn selbst gelesen zu haben, denn auf irgend¬
eine kleine niedliche Frivolität konnte ich es schon ankommen lassen (meine
Schwiegermutter war uicht dabei), und wäre es zu arg geworden, so hätte ich
mich auf mein improvisatorisches Talent verlassen. Doch las ich dreist zu und
freute mich über meinen zukünftigen Schwager Malschitzki, Großherzoglich Mecklen¬
burgischen Kammerherrn, der wirklich deinen Witz und Stil goutierte und dich
sehr lobte."

Aber Lepel leistete eben selbst in solchen Variationen Erhebliches. So
lieferte er ein Augenblicksbild voll Drolerie über seinen Besuch in Bethanien, wo
sein Freund Theodor, der Pillendreher, einen pharmazeutischen Kursus sür die
Schwestern hielt.

Er plaudert von seiner Entdeckungsreise in den fernen Weltteil und von
seiner Suche nach dem kürzlich dort angekommenen Kolonisten Fontane. Er
findet in dem Pavillon, der ihm gewiesen wird, die Türen dreier Gemächer,
zwei mit den Namen der Ärzte, die dritte mit dem Sammelbegriff
Hausmädchen bezeichnet, „und" — so fährt er fort — „da es mir überlassen blieb,
dich in eine der drei Kategorien placiert zu denken, so konnte ich dich, deinen:
Temperament nach und weil du nicht ausdrücklich auf einer der Türen als
Adjunkt eines der Ärzte bezeichnet warst, nur zu den Hausmädchen rechnen,
welche Gemeinschaft mich zu den Vermutungen der üppigsten Situationen
veranlaßte".

Sehr ulkig ist auch die Logenaudienz Lepels bei dem kameradschaftlich-
göimerhaften Generalintendanten Botho v. Hülsen gezeichnet, der, noch ehe er
Lepels Stück gelesen hat, von dem übrigens erst ein Akt fertig, sehr energisch
sagt: „Aber, lieber Lepel, eins sage ich, kurz — streichen müssen Sie gehörig;
ihr Dichter seid alle so, ihr schreibt alle viel zu lang; streichen müssen Sie."
Und dann fügt der Generalgewaltige händeringend hinzu: „Lieber Lepel, Hand¬
lung! Handlung! Ich bitt' Sie um Gottes willen, Handlung!"

Die idealen Forderungen zu erfüllen, gelang Lepel nicht, er bekam seinen
„Waldemar" zurück mit dem lapidaren Bescheid: „Es ist ein Kreis von Fürst¬
lichkeiten, die alle nichts taugen." Ferner: „Keine Handlung in dem Dinge."

Aufgeführt wurde statt des brandenburgischen Markgrafen sein orientalischer
„König Herodes", allerdings mit entschiedenem Mißerfolg. Der Durchgefallene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/70>, abgerufen am 17.06.2024.