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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Theodor Loudeae und Bernhard von Lepel

bewahrte dabei viel Haltung und antwortete dem Freundschaftstrost von jenseits
des Kanals aufrecht und fontaneecht: "Kurzum -- ich brauche keine Hyazinthen
in meinem Zimmer, denn es ist kein Leichengeruch darin, und ich empfange
keine Kondolenzvisiten."

Noch manche Wesensberührungen lassen sich zwischen den beiden aufdecken.
Sie haben beide viel Geschmackkritik und ein sicheres Stilgefühl für Lebens¬
formen. Während Fontane das englische Grandseigneurtum verständnisvoll
genießerisch anschaut und dabei kümmerlich die heimatlich-häusliche Enge
empfindet, liebt Lepel italienische Anmut und kränkt sich in Schleswig-Holstein
am Gegenbeispiel des nordischen Bauernhauses mit dem "angellexten Schweizer¬
balkon" und an den ungeschickten Damen mit den Ellenbogen auf dem Tisch
und Gliedmaßen, "wie wir sie zum Gewehrträger brauchen".

1848 schon schreibt er in dem Lande der Haralde und Knute, daß er die
Geschichten von Gora dein Alten und König Ricks nur noch, um sie zu kennen,
liest: "denn der Poesie schlägt eine neue Stunde, in welcher die Romantik als
solche nicht mehr mitklingt".

Und Fontanes Zustimmung dazu steht in dem Nachlaßgedichte:

Auch ein Stoffwechsel.
Im Legendenland, am Ritterbronnen
Mit Percy und Douglas hab' ich begonnen,
Dann hab' ich in seiner Schwadronen Mitten
Unter Seydlitz die großen Attacken geritten,
Und dann bei Sedan die Fahne geschwenkt
Und bor zwei Kaisern sie wieder gesenkt.
In der Jngend ist man eben dreister,
Mag nicht die Zunft der Handwerkormcister;
Jetzt ist mir der Alltag ans Herz gewachsen
Und ich halt' es mit Rosenplut und Hans Sachsen.

Und auch die Beschaulichkeit, die man sich so gern zu Fontane denkt, leuchtet
bei Lepel einmal still auf, in einer Situation, wie aus einem Roman des
Freundes geschnitten -- etwa dem ersten, "Vor dem Sturm", oder auch dem
letzten, dein "Stechlin"; in seiner Situation bei dem alten Landprediger in
dem stillen freundlichen Häuschen mit dem Garten am Abhang, dem alten
Familienbild über dem Sofa, der bäuerlichen Haushälterin, die über den Kaffee¬
tisch geneigt den Gesprächen über den Landbau zuhört und mit dem Kopfe nickt.
Und Lepel sagt dazu: "Dies alles ließ mich auf das Glück eines klausnerischen
Lebens schließen, um welches ich ihn fast beneidete."

Im Grunde aber war, auch hier liegt wieder Ähnlichkeit, die Beschaulichkeit
für beide Freunde eine unglückliche Liebe. Bernhard von Lepel kam durch
mancherlei Lebenswirren und weil er uicht den rechten Platz für sich fand,
zwischen innerem und äußerem Beruf pendelnd, "mal als Landwirt, mal als
Dramatiker, mal auch als Erfinder und Tiftler", nicht zur Stätte, und ein
tragikomisches Symptom für ihn ist, daß er das Perpetuum mobile suchte und
es "beinahe hatte".


Theodor Loudeae und Bernhard von Lepel

bewahrte dabei viel Haltung und antwortete dem Freundschaftstrost von jenseits
des Kanals aufrecht und fontaneecht: „Kurzum — ich brauche keine Hyazinthen
in meinem Zimmer, denn es ist kein Leichengeruch darin, und ich empfange
keine Kondolenzvisiten."

Noch manche Wesensberührungen lassen sich zwischen den beiden aufdecken.
Sie haben beide viel Geschmackkritik und ein sicheres Stilgefühl für Lebens¬
formen. Während Fontane das englische Grandseigneurtum verständnisvoll
genießerisch anschaut und dabei kümmerlich die heimatlich-häusliche Enge
empfindet, liebt Lepel italienische Anmut und kränkt sich in Schleswig-Holstein
am Gegenbeispiel des nordischen Bauernhauses mit dem „angellexten Schweizer¬
balkon" und an den ungeschickten Damen mit den Ellenbogen auf dem Tisch
und Gliedmaßen, „wie wir sie zum Gewehrträger brauchen".

1848 schon schreibt er in dem Lande der Haralde und Knute, daß er die
Geschichten von Gora dein Alten und König Ricks nur noch, um sie zu kennen,
liest: „denn der Poesie schlägt eine neue Stunde, in welcher die Romantik als
solche nicht mehr mitklingt".

Und Fontanes Zustimmung dazu steht in dem Nachlaßgedichte:

Auch ein Stoffwechsel.
Im Legendenland, am Ritterbronnen
Mit Percy und Douglas hab' ich begonnen,
Dann hab' ich in seiner Schwadronen Mitten
Unter Seydlitz die großen Attacken geritten,
Und dann bei Sedan die Fahne geschwenkt
Und bor zwei Kaisern sie wieder gesenkt.
In der Jngend ist man eben dreister,
Mag nicht die Zunft der Handwerkormcister;
Jetzt ist mir der Alltag ans Herz gewachsen
Und ich halt' es mit Rosenplut und Hans Sachsen.

Und auch die Beschaulichkeit, die man sich so gern zu Fontane denkt, leuchtet
bei Lepel einmal still auf, in einer Situation, wie aus einem Roman des
Freundes geschnitten — etwa dem ersten, „Vor dem Sturm", oder auch dem
letzten, dein „Stechlin"; in seiner Situation bei dem alten Landprediger in
dem stillen freundlichen Häuschen mit dem Garten am Abhang, dem alten
Familienbild über dem Sofa, der bäuerlichen Haushälterin, die über den Kaffee¬
tisch geneigt den Gesprächen über den Landbau zuhört und mit dem Kopfe nickt.
Und Lepel sagt dazu: „Dies alles ließ mich auf das Glück eines klausnerischen
Lebens schließen, um welches ich ihn fast beneidete."

Im Grunde aber war, auch hier liegt wieder Ähnlichkeit, die Beschaulichkeit
für beide Freunde eine unglückliche Liebe. Bernhard von Lepel kam durch
mancherlei Lebenswirren und weil er uicht den rechten Platz für sich fand,
zwischen innerem und äußerem Beruf pendelnd, „mal als Landwirt, mal als
Dramatiker, mal auch als Erfinder und Tiftler", nicht zur Stätte, und ein
tragikomisches Symptom für ihn ist, daß er das Perpetuum mobile suchte und
es „beinahe hatte".


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[0071] Theodor Loudeae und Bernhard von Lepel bewahrte dabei viel Haltung und antwortete dem Freundschaftstrost von jenseits des Kanals aufrecht und fontaneecht: „Kurzum — ich brauche keine Hyazinthen in meinem Zimmer, denn es ist kein Leichengeruch darin, und ich empfange keine Kondolenzvisiten." Noch manche Wesensberührungen lassen sich zwischen den beiden aufdecken. Sie haben beide viel Geschmackkritik und ein sicheres Stilgefühl für Lebens¬ formen. Während Fontane das englische Grandseigneurtum verständnisvoll genießerisch anschaut und dabei kümmerlich die heimatlich-häusliche Enge empfindet, liebt Lepel italienische Anmut und kränkt sich in Schleswig-Holstein am Gegenbeispiel des nordischen Bauernhauses mit dem „angellexten Schweizer¬ balkon" und an den ungeschickten Damen mit den Ellenbogen auf dem Tisch und Gliedmaßen, „wie wir sie zum Gewehrträger brauchen". 1848 schon schreibt er in dem Lande der Haralde und Knute, daß er die Geschichten von Gora dein Alten und König Ricks nur noch, um sie zu kennen, liest: „denn der Poesie schlägt eine neue Stunde, in welcher die Romantik als solche nicht mehr mitklingt". Und Fontanes Zustimmung dazu steht in dem Nachlaßgedichte: Auch ein Stoffwechsel. Im Legendenland, am Ritterbronnen Mit Percy und Douglas hab' ich begonnen, Dann hab' ich in seiner Schwadronen Mitten Unter Seydlitz die großen Attacken geritten, Und dann bei Sedan die Fahne geschwenkt Und bor zwei Kaisern sie wieder gesenkt. In der Jngend ist man eben dreister, Mag nicht die Zunft der Handwerkormcister; Jetzt ist mir der Alltag ans Herz gewachsen Und ich halt' es mit Rosenplut und Hans Sachsen. Und auch die Beschaulichkeit, die man sich so gern zu Fontane denkt, leuchtet bei Lepel einmal still auf, in einer Situation, wie aus einem Roman des Freundes geschnitten — etwa dem ersten, „Vor dem Sturm", oder auch dem letzten, dein „Stechlin"; in seiner Situation bei dem alten Landprediger in dem stillen freundlichen Häuschen mit dem Garten am Abhang, dem alten Familienbild über dem Sofa, der bäuerlichen Haushälterin, die über den Kaffee¬ tisch geneigt den Gesprächen über den Landbau zuhört und mit dem Kopfe nickt. Und Lepel sagt dazu: „Dies alles ließ mich auf das Glück eines klausnerischen Lebens schließen, um welches ich ihn fast beneidete." Im Grunde aber war, auch hier liegt wieder Ähnlichkeit, die Beschaulichkeit für beide Freunde eine unglückliche Liebe. Bernhard von Lepel kam durch mancherlei Lebenswirren und weil er uicht den rechten Platz für sich fand, zwischen innerem und äußerem Beruf pendelnd, „mal als Landwirt, mal als Dramatiker, mal auch als Erfinder und Tiftler", nicht zur Stätte, und ein tragikomisches Symptom für ihn ist, daß er das Perpetuum mobile suchte und es „beinahe hatte".

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/71>, abgerufen am 17.06.2024.