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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Theodor Fontäne und Bernhard von Lepel

Und Fontanes Temperament war auch nicht so beschaulich und geruhevoll
gütig, wie er es so gern an seinen Lieblingsfiguren ausmalte.

Aus seinen Briefen und Erinnerungen erkannte man das schon. Und jetzt
hören wir seinen Freund reden von Fontanes Hypochondrie, den häufigen
Empfindlichkeitsspuren, ja ein neuer Zug taucht hier auf, die Verstörung des
Bräutigams durch "rasende Eifersuchtsqualen", über die er später freilich mit
"Frau Mila" lachte. Auch "Superlativ und Durchgänger", dem etwas "Fran¬
zösisches von den Altvordern her im Blute spukt", heißt es von ihm.

Und nachdenklich berührt das leise Klagen Lepels über den Jugendfreund
bei dessen Frau: "Es ist nun einmal seine Art, die Dinge, die andrer Herz
berühren, zuweilen kühl zu nehmen".

Auch sonst ist Fontane nicht immer der leichteste Umgang, oft eigensinnig
und zäh auf seinem isolierten Standpunkt beharrend, und Lepel "als ältester
Freund muß es unumwunden sagen, daß alle ohne Ausnahme dich, um es kurz
zu bezeichnen, als .einen närrischen Kerl' betrachten". Dabei versteht er ihn
immer doch besser als die andern und ironisiert mit ihm den " Staub abwischer-
posten" bei der Bibliothek, und stets ist er bereit, soweit er kann, über wirt¬
schaftliche Bedrängnisse hinwegzuhelfen.

So kommen sie immer wieder zusammen, und beide, dem Abstieg nah (1883),
find sich einig in den letzten Gewinnen, die für alte Menschen noch bleiben:
"Ruhe, keine Menschen, wenig Arbeit, ungestörte Betrachtung und dito Ver¬
dauung". Mit dem Verzicht "keine Menschen" ist Lepel allerdings noch nicht
so ganz einverstanden.

Wie ein Zusammenklang später und früher Zeit ist's dann noch, als
Fontane zum Ausklang seiner in feinen, siloergrauen Nebelflören schwebenden
Erzählung "Unwiederbringlich" die Verse nimmt, die Lepel 1846 einmal an
ihn zitiert:

Und die Schlußreime dazu stehen in seinem letzten Gedicht, seinein Scheidelied:

Mein Leben, ein Leben ist es kaum,
Ich gehe dahin als wie im Traum.
Wie Schatten huschen die Menschen hin,
Ein Schatten dazwischen ich selber bin.
Und im Herzen tiefe Müdigkeit,
Alles sagt mir: es ist Zeit.



Theodor Fontäne und Bernhard von Lepel

Und Fontanes Temperament war auch nicht so beschaulich und geruhevoll
gütig, wie er es so gern an seinen Lieblingsfiguren ausmalte.

Aus seinen Briefen und Erinnerungen erkannte man das schon. Und jetzt
hören wir seinen Freund reden von Fontanes Hypochondrie, den häufigen
Empfindlichkeitsspuren, ja ein neuer Zug taucht hier auf, die Verstörung des
Bräutigams durch „rasende Eifersuchtsqualen", über die er später freilich mit
„Frau Mila" lachte. Auch „Superlativ und Durchgänger", dem etwas „Fran¬
zösisches von den Altvordern her im Blute spukt", heißt es von ihm.

Und nachdenklich berührt das leise Klagen Lepels über den Jugendfreund
bei dessen Frau: „Es ist nun einmal seine Art, die Dinge, die andrer Herz
berühren, zuweilen kühl zu nehmen".

Auch sonst ist Fontane nicht immer der leichteste Umgang, oft eigensinnig
und zäh auf seinem isolierten Standpunkt beharrend, und Lepel „als ältester
Freund muß es unumwunden sagen, daß alle ohne Ausnahme dich, um es kurz
zu bezeichnen, als .einen närrischen Kerl' betrachten". Dabei versteht er ihn
immer doch besser als die andern und ironisiert mit ihm den „ Staub abwischer-
posten" bei der Bibliothek, und stets ist er bereit, soweit er kann, über wirt¬
schaftliche Bedrängnisse hinwegzuhelfen.

So kommen sie immer wieder zusammen, und beide, dem Abstieg nah (1883),
find sich einig in den letzten Gewinnen, die für alte Menschen noch bleiben:
„Ruhe, keine Menschen, wenig Arbeit, ungestörte Betrachtung und dito Ver¬
dauung". Mit dem Verzicht „keine Menschen" ist Lepel allerdings noch nicht
so ganz einverstanden.

Wie ein Zusammenklang später und früher Zeit ist's dann noch, als
Fontane zum Ausklang seiner in feinen, siloergrauen Nebelflören schwebenden
Erzählung „Unwiederbringlich" die Verse nimmt, die Lepel 1846 einmal an
ihn zitiert:

Und die Schlußreime dazu stehen in seinem letzten Gedicht, seinein Scheidelied:

Mein Leben, ein Leben ist es kaum,
Ich gehe dahin als wie im Traum.
Wie Schatten huschen die Menschen hin,
Ein Schatten dazwischen ich selber bin.
Und im Herzen tiefe Müdigkeit,
Alles sagt mir: es ist Zeit.



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[0072] Theodor Fontäne und Bernhard von Lepel Und Fontanes Temperament war auch nicht so beschaulich und geruhevoll gütig, wie er es so gern an seinen Lieblingsfiguren ausmalte. Aus seinen Briefen und Erinnerungen erkannte man das schon. Und jetzt hören wir seinen Freund reden von Fontanes Hypochondrie, den häufigen Empfindlichkeitsspuren, ja ein neuer Zug taucht hier auf, die Verstörung des Bräutigams durch „rasende Eifersuchtsqualen", über die er später freilich mit „Frau Mila" lachte. Auch „Superlativ und Durchgänger", dem etwas „Fran¬ zösisches von den Altvordern her im Blute spukt", heißt es von ihm. Und nachdenklich berührt das leise Klagen Lepels über den Jugendfreund bei dessen Frau: „Es ist nun einmal seine Art, die Dinge, die andrer Herz berühren, zuweilen kühl zu nehmen". Auch sonst ist Fontane nicht immer der leichteste Umgang, oft eigensinnig und zäh auf seinem isolierten Standpunkt beharrend, und Lepel „als ältester Freund muß es unumwunden sagen, daß alle ohne Ausnahme dich, um es kurz zu bezeichnen, als .einen närrischen Kerl' betrachten". Dabei versteht er ihn immer doch besser als die andern und ironisiert mit ihm den „ Staub abwischer- posten" bei der Bibliothek, und stets ist er bereit, soweit er kann, über wirt¬ schaftliche Bedrängnisse hinwegzuhelfen. So kommen sie immer wieder zusammen, und beide, dem Abstieg nah (1883), find sich einig in den letzten Gewinnen, die für alte Menschen noch bleiben: „Ruhe, keine Menschen, wenig Arbeit, ungestörte Betrachtung und dito Ver¬ dauung". Mit dem Verzicht „keine Menschen" ist Lepel allerdings noch nicht so ganz einverstanden. Wie ein Zusammenklang später und früher Zeit ist's dann noch, als Fontane zum Ausklang seiner in feinen, siloergrauen Nebelflören schwebenden Erzählung „Unwiederbringlich" die Verse nimmt, die Lepel 1846 einmal an ihn zitiert: Und die Schlußreime dazu stehen in seinem letzten Gedicht, seinein Scheidelied: Mein Leben, ein Leben ist es kaum, Ich gehe dahin als wie im Traum. Wie Schatten huschen die Menschen hin, Ein Schatten dazwischen ich selber bin. Und im Herzen tiefe Müdigkeit, Alles sagt mir: es ist Zeit.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/72>, abgerufen am 17.06.2024.