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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Verwaltungsorganisation früher

le ich gezeigt habe "), lassen sich die Mißstände im Geschäfts¬
betrieb der preußischen Verwaltung durch persönliche Gründe
allein vollständig erklären. Es bedarf aber doch noch der Unter¬
suchung, ob und inwiefern auch ein Zusammenhang zwischen
ihnen und der Organisation der Verwaltungsbehörden besteht,
wie die meisten unserer Kritiker behaupten.

Die Entwicklung unsrer Verwaltungsbehörden hat sich in drei Abschnitten
vollzogen, die bezeichnet werden durch die Neugestaltungen des Königs Friedrich
Wilhelm des Ersten aus dem Winter 1722/28, der Stein-Hardenbergischen Zeit
und der siebziger und achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Am weitesten
geht Lotz und nach ihm Freiherr von Zedlitz auf diese Entwicklung zurück, die
andern Kritiker beschäftigen sich im wesentlichen nur mit dem gegenwärtigen
Zustand.

Friedrich Wilhelm der Erste legte die Grundlage des heutigen Gebäudes
damit, daß er die beideu bisher getrennten Gruppen der Verwaltungsbehörden, die
ältern Domänenbehörden und die jüngern Konunissariatsbehörden, oben in dem
provinziell in einzelne Abteilungen geteilten Generaloirektorium -- das einen
Teil des großen Staatsrath bildete --, unten in den verschiedenen Kriegs¬
und Domänenkammern vereinigte. Alle diese neuen Behörden waren streng
kollegialisch eingerichtet. Die staatlichen Ortsbehörden waren für die Städte
die Steuerräte, für das platte Land die Landräte. Gleichzeitig wurden diese
neuen Behörden aus der Abhängigkeit von den alten allgemeinen Landes¬
behörden, den Regierungen, vollends gelöst. Abgesehen von einigen, allerdings
bedeutungsvollen Änderungen, die Friedrich der Große vornahm, blieb diese
Einrichtung bis zum Zusammenbruch des alten Staats bestehn.

Lotz sieht in der ganzen Entwicklung der preußischen Verwaltungsbehörden
"gleichsam ein Naturgesetz des Großstaats Preußen, daß jedes neue Jahr¬
hundert neue Instrumente und Institutionen fordert, um die Landesverwaltung
gedeihlich und wirksam führen zu können". Und zwar galt es nach ihm dabei,
"modern" ausgedrückt, immer, den Zentral- und Provinzialverwaltungsbehörden



") Vgl. Die Not der preußischen Verwaltung. Grenzboten 1910, Heft 3, und die Fort¬
setzungen Heft 4, S, 7.


Die preußische Verwaltungsorganisation früher

le ich gezeigt habe »), lassen sich die Mißstände im Geschäfts¬
betrieb der preußischen Verwaltung durch persönliche Gründe
allein vollständig erklären. Es bedarf aber doch noch der Unter¬
suchung, ob und inwiefern auch ein Zusammenhang zwischen
ihnen und der Organisation der Verwaltungsbehörden besteht,
wie die meisten unserer Kritiker behaupten.

Die Entwicklung unsrer Verwaltungsbehörden hat sich in drei Abschnitten
vollzogen, die bezeichnet werden durch die Neugestaltungen des Königs Friedrich
Wilhelm des Ersten aus dem Winter 1722/28, der Stein-Hardenbergischen Zeit
und der siebziger und achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Am weitesten
geht Lotz und nach ihm Freiherr von Zedlitz auf diese Entwicklung zurück, die
andern Kritiker beschäftigen sich im wesentlichen nur mit dem gegenwärtigen
Zustand.

Friedrich Wilhelm der Erste legte die Grundlage des heutigen Gebäudes
damit, daß er die beideu bisher getrennten Gruppen der Verwaltungsbehörden, die
ältern Domänenbehörden und die jüngern Konunissariatsbehörden, oben in dem
provinziell in einzelne Abteilungen geteilten Generaloirektorium — das einen
Teil des großen Staatsrath bildete —, unten in den verschiedenen Kriegs¬
und Domänenkammern vereinigte. Alle diese neuen Behörden waren streng
kollegialisch eingerichtet. Die staatlichen Ortsbehörden waren für die Städte
die Steuerräte, für das platte Land die Landräte. Gleichzeitig wurden diese
neuen Behörden aus der Abhängigkeit von den alten allgemeinen Landes¬
behörden, den Regierungen, vollends gelöst. Abgesehen von einigen, allerdings
bedeutungsvollen Änderungen, die Friedrich der Große vornahm, blieb diese
Einrichtung bis zum Zusammenbruch des alten Staats bestehn.

Lotz sieht in der ganzen Entwicklung der preußischen Verwaltungsbehörden
„gleichsam ein Naturgesetz des Großstaats Preußen, daß jedes neue Jahr¬
hundert neue Instrumente und Institutionen fordert, um die Landesverwaltung
gedeihlich und wirksam führen zu können". Und zwar galt es nach ihm dabei,
„modern" ausgedrückt, immer, den Zentral- und Provinzialverwaltungsbehörden



") Vgl. Die Not der preußischen Verwaltung. Grenzboten 1910, Heft 3, und die Fort¬
setzungen Heft 4, S, 7.
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[0073] [Abbildung] Die preußische Verwaltungsorganisation früher le ich gezeigt habe »), lassen sich die Mißstände im Geschäfts¬ betrieb der preußischen Verwaltung durch persönliche Gründe allein vollständig erklären. Es bedarf aber doch noch der Unter¬ suchung, ob und inwiefern auch ein Zusammenhang zwischen ihnen und der Organisation der Verwaltungsbehörden besteht, wie die meisten unserer Kritiker behaupten. Die Entwicklung unsrer Verwaltungsbehörden hat sich in drei Abschnitten vollzogen, die bezeichnet werden durch die Neugestaltungen des Königs Friedrich Wilhelm des Ersten aus dem Winter 1722/28, der Stein-Hardenbergischen Zeit und der siebziger und achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Am weitesten geht Lotz und nach ihm Freiherr von Zedlitz auf diese Entwicklung zurück, die andern Kritiker beschäftigen sich im wesentlichen nur mit dem gegenwärtigen Zustand. Friedrich Wilhelm der Erste legte die Grundlage des heutigen Gebäudes damit, daß er die beideu bisher getrennten Gruppen der Verwaltungsbehörden, die ältern Domänenbehörden und die jüngern Konunissariatsbehörden, oben in dem provinziell in einzelne Abteilungen geteilten Generaloirektorium — das einen Teil des großen Staatsrath bildete —, unten in den verschiedenen Kriegs¬ und Domänenkammern vereinigte. Alle diese neuen Behörden waren streng kollegialisch eingerichtet. Die staatlichen Ortsbehörden waren für die Städte die Steuerräte, für das platte Land die Landräte. Gleichzeitig wurden diese neuen Behörden aus der Abhängigkeit von den alten allgemeinen Landes¬ behörden, den Regierungen, vollends gelöst. Abgesehen von einigen, allerdings bedeutungsvollen Änderungen, die Friedrich der Große vornahm, blieb diese Einrichtung bis zum Zusammenbruch des alten Staats bestehn. Lotz sieht in der ganzen Entwicklung der preußischen Verwaltungsbehörden „gleichsam ein Naturgesetz des Großstaats Preußen, daß jedes neue Jahr¬ hundert neue Instrumente und Institutionen fordert, um die Landesverwaltung gedeihlich und wirksam führen zu können". Und zwar galt es nach ihm dabei, „modern" ausgedrückt, immer, den Zentral- und Provinzialverwaltungsbehörden ") Vgl. Die Not der preußischen Verwaltung. Grenzboten 1910, Heft 3, und die Fort¬ setzungen Heft 4, S, 7.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/73>, abgerufen am 17.06.2024.