Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die preußische vcrwaltmigsorganisatioil früher

schiebungm der tatsächlichen Verhältnisse veranlaßt wurden, sowohl oben wie
unten eine vollständige Desorganisation ein. Aber auch jetzt blieben wiederum
durch den Genius, der den Staat führte, und die Tüchtigkeit seiner hervor¬
ragenden Beamten die Einheit und die Kraft der Verwaltung erhalten und
diese vollständige Desorganisation leistete bis zum Tode des großen König?
auf allen Gebieten der Verwaltung Unübertreffliches. Wirklich schlimm wurden
die Verhältnisse erst unter den beiden folgenden Königen, die ihre persönliche
Teilnahme an den Geschäften sehr einschränkten und den Kabinettsrätcn, die bei
ihren Vorgängen: nicht viel mehr als Schreiber gewesen waren, einen ma߬
gebenden Einfluß auf die Geschäfte einräumten. Dabei hatten sie außerdem in
der Auswahl dieser Männer keine glückliche Hand. So muß der bekannte
Kabinettsrat Berne, ein früherer Kammergerichtsrat, der den Vortrag für die
gesamte innere Verwaltung und Politik hatte, nach der Schilderung von Pertz das
Muster eines einseitigen Privatrechtsjuristen gewesen sein. Daneben zerstörten
diese Könige durch die Beseitigung der kollegialischer Verfassung der Zentral¬
behörden auch äußerlich deren Einheit. Jetzt traten dort Zustände ein, daß
Stein sagen konnte, die Geschäfte des Generaldirektoriums hätten zuletzt nur
noch eine zusammenhanglose Anhäufung von größtenteils kindischen Einzelheiten
dargestellt. Bezeichnend ist aber, daß er dafür weniger die Verfassung der
Behörde, als die in diesen tätigen Personen verantwortlich machte. --

Die Neuordnung der Verwaltungsbehörden, die mit den großen Namen
Stein und Hardenberg verknüpft ist und in: wesentlichen 1817 abgeschlossen
war, hatte nach dein grundlegenden Publikandum vom 16. Dezember 1308 den
Zweck, "der Geschäftsverwaltung die größtmöglichste Einheit, Kraft und Regsamkeit
zu geben". Sie setzte oben an die Stelle des alten Staatsrath einige wenige
Fachminister, von denen zwei, der Minister des Innern und der Finanzminister,
in ihren Behörden alle Geschäfte des alten Generaldirektoriums vereinigten.
Die noch heute gültige Verordnung vom 27. Oktober 1810 gab dann den
neuen Zentralbehörden durch die Einsetzung eines Staatskanzlers die nötige
einheitliche Spitze. Der Staatskanzler hatte die Oberaufsicht und die Kontrolle
jeder Verwaltung. Er konnte Rechenschaft und Auskunft über jeden Gegen¬
stand fordern und in jedem Falle Maßregeln und Anordnungen aufhalten,
um die höhere Entscheidung einzuholen, sowie in außerordentlichen und dringenden
Fällen, oder, wenn es der König besonders angeordnet hatte, selbst verfügen.
Damit er seine Aufsicht durchführen konnte, erhielt er fortlaufende Kenntnis
von allen Sachen und durften die Minister nur in seiner Gegenwart dem
König Vortrag halten. Im übrigen führten die Staatsminister die ihnen
anvertraute Verwaltung selbständig unter voller persönlicher Verantwortung.
Damit jedoch das gesamte Staatsministerium das Ganze der Verwaltung stets
übersehe, mußte nach einer Verordnung von: 3. November 1817 jeder Minister
von Zeit zu Zeit allgemeine Übersichten der ihm anvertrauten Geschäftszweige
dem Ministerium mitteilen. Ferner mußte eine Anzahl einzelner Sachen im


Die preußische vcrwaltmigsorganisatioil früher

schiebungm der tatsächlichen Verhältnisse veranlaßt wurden, sowohl oben wie
unten eine vollständige Desorganisation ein. Aber auch jetzt blieben wiederum
durch den Genius, der den Staat führte, und die Tüchtigkeit seiner hervor¬
ragenden Beamten die Einheit und die Kraft der Verwaltung erhalten und
diese vollständige Desorganisation leistete bis zum Tode des großen König?
auf allen Gebieten der Verwaltung Unübertreffliches. Wirklich schlimm wurden
die Verhältnisse erst unter den beiden folgenden Königen, die ihre persönliche
Teilnahme an den Geschäften sehr einschränkten und den Kabinettsrätcn, die bei
ihren Vorgängen: nicht viel mehr als Schreiber gewesen waren, einen ma߬
gebenden Einfluß auf die Geschäfte einräumten. Dabei hatten sie außerdem in
der Auswahl dieser Männer keine glückliche Hand. So muß der bekannte
Kabinettsrat Berne, ein früherer Kammergerichtsrat, der den Vortrag für die
gesamte innere Verwaltung und Politik hatte, nach der Schilderung von Pertz das
Muster eines einseitigen Privatrechtsjuristen gewesen sein. Daneben zerstörten
diese Könige durch die Beseitigung der kollegialischer Verfassung der Zentral¬
behörden auch äußerlich deren Einheit. Jetzt traten dort Zustände ein, daß
Stein sagen konnte, die Geschäfte des Generaldirektoriums hätten zuletzt nur
noch eine zusammenhanglose Anhäufung von größtenteils kindischen Einzelheiten
dargestellt. Bezeichnend ist aber, daß er dafür weniger die Verfassung der
Behörde, als die in diesen tätigen Personen verantwortlich machte. —

Die Neuordnung der Verwaltungsbehörden, die mit den großen Namen
Stein und Hardenberg verknüpft ist und in: wesentlichen 1817 abgeschlossen
war, hatte nach dein grundlegenden Publikandum vom 16. Dezember 1308 den
Zweck, „der Geschäftsverwaltung die größtmöglichste Einheit, Kraft und Regsamkeit
zu geben". Sie setzte oben an die Stelle des alten Staatsrath einige wenige
Fachminister, von denen zwei, der Minister des Innern und der Finanzminister,
in ihren Behörden alle Geschäfte des alten Generaldirektoriums vereinigten.
Die noch heute gültige Verordnung vom 27. Oktober 1810 gab dann den
neuen Zentralbehörden durch die Einsetzung eines Staatskanzlers die nötige
einheitliche Spitze. Der Staatskanzler hatte die Oberaufsicht und die Kontrolle
jeder Verwaltung. Er konnte Rechenschaft und Auskunft über jeden Gegen¬
stand fordern und in jedem Falle Maßregeln und Anordnungen aufhalten,
um die höhere Entscheidung einzuholen, sowie in außerordentlichen und dringenden
Fällen, oder, wenn es der König besonders angeordnet hatte, selbst verfügen.
Damit er seine Aufsicht durchführen konnte, erhielt er fortlaufende Kenntnis
von allen Sachen und durften die Minister nur in seiner Gegenwart dem
König Vortrag halten. Im übrigen führten die Staatsminister die ihnen
anvertraute Verwaltung selbständig unter voller persönlicher Verantwortung.
Damit jedoch das gesamte Staatsministerium das Ganze der Verwaltung stets
übersehe, mußte nach einer Verordnung von: 3. November 1817 jeder Minister
von Zeit zu Zeit allgemeine Übersichten der ihm anvertrauten Geschäftszweige
dem Ministerium mitteilen. Ferner mußte eine Anzahl einzelner Sachen im


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0075" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315714"/>
          <fw type="header" place="top"> Die preußische vcrwaltmigsorganisatioil früher</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_385" prev="#ID_384"> schiebungm der tatsächlichen Verhältnisse veranlaßt wurden, sowohl oben wie<lb/>
unten eine vollständige Desorganisation ein. Aber auch jetzt blieben wiederum<lb/>
durch den Genius, der den Staat führte, und die Tüchtigkeit seiner hervor¬<lb/>
ragenden Beamten die Einheit und die Kraft der Verwaltung erhalten und<lb/>
diese vollständige Desorganisation leistete bis zum Tode des großen König?<lb/>
auf allen Gebieten der Verwaltung Unübertreffliches. Wirklich schlimm wurden<lb/>
die Verhältnisse erst unter den beiden folgenden Königen, die ihre persönliche<lb/>
Teilnahme an den Geschäften sehr einschränkten und den Kabinettsrätcn, die bei<lb/>
ihren Vorgängen: nicht viel mehr als Schreiber gewesen waren, einen ma߬<lb/>
gebenden Einfluß auf die Geschäfte einräumten. Dabei hatten sie außerdem in<lb/>
der Auswahl dieser Männer keine glückliche Hand. So muß der bekannte<lb/>
Kabinettsrat Berne, ein früherer Kammergerichtsrat, der den Vortrag für die<lb/>
gesamte innere Verwaltung und Politik hatte, nach der Schilderung von Pertz das<lb/>
Muster eines einseitigen Privatrechtsjuristen gewesen sein. Daneben zerstörten<lb/>
diese Könige durch die Beseitigung der kollegialischer Verfassung der Zentral¬<lb/>
behörden auch äußerlich deren Einheit. Jetzt traten dort Zustände ein, daß<lb/>
Stein sagen konnte, die Geschäfte des Generaldirektoriums hätten zuletzt nur<lb/>
noch eine zusammenhanglose Anhäufung von größtenteils kindischen Einzelheiten<lb/>
dargestellt. Bezeichnend ist aber, daß er dafür weniger die Verfassung der<lb/>
Behörde, als die in diesen tätigen Personen verantwortlich machte. &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_386" next="#ID_387"> Die Neuordnung der Verwaltungsbehörden, die mit den großen Namen<lb/>
Stein und Hardenberg verknüpft ist und in: wesentlichen 1817 abgeschlossen<lb/>
war, hatte nach dein grundlegenden Publikandum vom 16. Dezember 1308 den<lb/>
Zweck, &#x201E;der Geschäftsverwaltung die größtmöglichste Einheit, Kraft und Regsamkeit<lb/>
zu geben". Sie setzte oben an die Stelle des alten Staatsrath einige wenige<lb/>
Fachminister, von denen zwei, der Minister des Innern und der Finanzminister,<lb/>
in ihren Behörden alle Geschäfte des alten Generaldirektoriums vereinigten.<lb/>
Die noch heute gültige Verordnung vom 27. Oktober 1810 gab dann den<lb/>
neuen Zentralbehörden durch die Einsetzung eines Staatskanzlers die nötige<lb/>
einheitliche Spitze. Der Staatskanzler hatte die Oberaufsicht und die Kontrolle<lb/>
jeder Verwaltung. Er konnte Rechenschaft und Auskunft über jeden Gegen¬<lb/>
stand fordern und in jedem Falle Maßregeln und Anordnungen aufhalten,<lb/>
um die höhere Entscheidung einzuholen, sowie in außerordentlichen und dringenden<lb/>
Fällen, oder, wenn es der König besonders angeordnet hatte, selbst verfügen.<lb/>
Damit er seine Aufsicht durchführen konnte, erhielt er fortlaufende Kenntnis<lb/>
von allen Sachen und durften die Minister nur in seiner Gegenwart dem<lb/>
König Vortrag halten. Im übrigen führten die Staatsminister die ihnen<lb/>
anvertraute Verwaltung selbständig unter voller persönlicher Verantwortung.<lb/>
Damit jedoch das gesamte Staatsministerium das Ganze der Verwaltung stets<lb/>
übersehe, mußte nach einer Verordnung von: 3. November 1817 jeder Minister<lb/>
von Zeit zu Zeit allgemeine Übersichten der ihm anvertrauten Geschäftszweige<lb/>
dem Ministerium mitteilen.  Ferner mußte eine Anzahl einzelner Sachen im</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0075] Die preußische vcrwaltmigsorganisatioil früher schiebungm der tatsächlichen Verhältnisse veranlaßt wurden, sowohl oben wie unten eine vollständige Desorganisation ein. Aber auch jetzt blieben wiederum durch den Genius, der den Staat führte, und die Tüchtigkeit seiner hervor¬ ragenden Beamten die Einheit und die Kraft der Verwaltung erhalten und diese vollständige Desorganisation leistete bis zum Tode des großen König? auf allen Gebieten der Verwaltung Unübertreffliches. Wirklich schlimm wurden die Verhältnisse erst unter den beiden folgenden Königen, die ihre persönliche Teilnahme an den Geschäften sehr einschränkten und den Kabinettsrätcn, die bei ihren Vorgängen: nicht viel mehr als Schreiber gewesen waren, einen ma߬ gebenden Einfluß auf die Geschäfte einräumten. Dabei hatten sie außerdem in der Auswahl dieser Männer keine glückliche Hand. So muß der bekannte Kabinettsrat Berne, ein früherer Kammergerichtsrat, der den Vortrag für die gesamte innere Verwaltung und Politik hatte, nach der Schilderung von Pertz das Muster eines einseitigen Privatrechtsjuristen gewesen sein. Daneben zerstörten diese Könige durch die Beseitigung der kollegialischer Verfassung der Zentral¬ behörden auch äußerlich deren Einheit. Jetzt traten dort Zustände ein, daß Stein sagen konnte, die Geschäfte des Generaldirektoriums hätten zuletzt nur noch eine zusammenhanglose Anhäufung von größtenteils kindischen Einzelheiten dargestellt. Bezeichnend ist aber, daß er dafür weniger die Verfassung der Behörde, als die in diesen tätigen Personen verantwortlich machte. — Die Neuordnung der Verwaltungsbehörden, die mit den großen Namen Stein und Hardenberg verknüpft ist und in: wesentlichen 1817 abgeschlossen war, hatte nach dein grundlegenden Publikandum vom 16. Dezember 1308 den Zweck, „der Geschäftsverwaltung die größtmöglichste Einheit, Kraft und Regsamkeit zu geben". Sie setzte oben an die Stelle des alten Staatsrath einige wenige Fachminister, von denen zwei, der Minister des Innern und der Finanzminister, in ihren Behörden alle Geschäfte des alten Generaldirektoriums vereinigten. Die noch heute gültige Verordnung vom 27. Oktober 1810 gab dann den neuen Zentralbehörden durch die Einsetzung eines Staatskanzlers die nötige einheitliche Spitze. Der Staatskanzler hatte die Oberaufsicht und die Kontrolle jeder Verwaltung. Er konnte Rechenschaft und Auskunft über jeden Gegen¬ stand fordern und in jedem Falle Maßregeln und Anordnungen aufhalten, um die höhere Entscheidung einzuholen, sowie in außerordentlichen und dringenden Fällen, oder, wenn es der König besonders angeordnet hatte, selbst verfügen. Damit er seine Aufsicht durchführen konnte, erhielt er fortlaufende Kenntnis von allen Sachen und durften die Minister nur in seiner Gegenwart dem König Vortrag halten. Im übrigen führten die Staatsminister die ihnen anvertraute Verwaltung selbständig unter voller persönlicher Verantwortung. Damit jedoch das gesamte Staatsministerium das Ganze der Verwaltung stets übersehe, mußte nach einer Verordnung von: 3. November 1817 jeder Minister von Zeit zu Zeit allgemeine Übersichten der ihm anvertrauten Geschäftszweige dem Ministerium mitteilen. Ferner mußte eine Anzahl einzelner Sachen im

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/75
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/75>, abgerufen am 17.06.2024.